Bochum. Lange Zeit wusste Jara Linne nie so ganz, wie es nach den Ferien weitergeht. Das neue Schuljahr bietet der Bochumer Lehrerin eine neue Chance.

Ein Neustart für Jara Linne (44) aus Bochum: Dass sie nun hier in einem Klassenraum der Drusenbergschule in Bochum sitzt, hätte sie noch vor einigen Wochen selbst nicht geglaubt. Drei Jahre lang unterrichtet sie als Seiteneinsteigerin, zuletzt am Neuen Gymnasium. Immer wieder bekommt sie Kurzzeitverträge, für drei oder sechs Monate. Immer wieder begleiten sie damit auch Sorgen, bald keinen Job mehr zu haben. Schließlich muss sie sich sogar arbeitslos melden – und bekommt kurz darauf eine Chance, die vieles verändern wird.

„Mitte der Ferien habe ich meinen Vertrag unterschrieben“, berichtet Linne, die Mutter von zwei Kindern (12 und 16 Jahre) ist. Etwa einen Monat zuvor liest sie, dass an einer Bochumer Real- und einer Grundschule eine Vertretungslehrkraft gesucht wird. Zu diesem Zeitpunkt ist bereits klar: Am Neuen Gymnasium kann sie im kommenden Schuljahr nicht weiter unterrichten, ihr Vertrag ist ausgelaufen.

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Vertretungslehrerin aus Bochum hatte lange Zukunftsängste

Das Problem: Linne ist keine ausgebildete Lehrerin. Sie hat Kunstgeschichte und Germanistik an der Ruhr-Universität studiert und daraufhin unter anderem als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Folkwang Universität der Künste in Essen gearbeitet. Die Lehre kennt sie also, allerdings hat sie bis dato Studierende unterrichtet. Doch: „Irgendwann muss man den Doktor machen, um an der Uni weiterzukommen“, weiß Linne.

Sie entscheidet sich lieber für einen anderen Weg, wird zuerst Vertretungslehrerin an einem Wittener Schule und schließlich am Neuen Gymnasium in Bochum. „Die Arbeit dort war toll.“ Gestört hat Linne die Unsicherheit: Wenn Stellen nach Ablauf eines Vertrags neu besetzt werden, hätten immer die Lehrkräfte Vorrang, die ein komplettes Lehramtsstudium inklusive Referendariat hinter sich haben. Genau das passiert gegen Ende des vergangenen Schuljahres. Linne: „Ich habe lange gedacht, ich werde arbeitslos.“

Bauchentscheidung – für die Drusenbergschule in Bochum

Bis sie von dem Stellenangebot an den Bochumer Schulen erfährt und nach zwei Vorstellungsgesprächen an beiden anfangen könnte. „Es war letztendlich eine Bauchentscheidung“, sagt die 44-Jährige, die sich für die Drusenbergschule entschieden hat.

Damit ist sie eine von acht Lehrkräften, die nach den Sommerferien den berufsbegleiteten Vorbereitungsdienst in Bochum (Obas) starten. Das klingt bürokratisch, ist in der Umsetzung aber sehr praktisch veranlagt.

Jara Linne heißt die alten und neuen Schülerinnen und Schüler der Drusenbergschule willkommen. Sie selbst startet im kommenden Schuljahr neu an der Grundschule in Wiemelhausen.
Jara Linne heißt die alten und neuen Schülerinnen und Schüler der Drusenbergschule willkommen. Sie selbst startet im kommenden Schuljahr neu an der Grundschule in Wiemelhausen. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Vier Tage pro Woche ist Linne künftig in der Schule. Anfangs hospitiert sie viel, unterstützt die anderen Lehrkräfte. „Ich werde aber auch Klassen alleine unterrichten.“ Erst vereinzelt, dann immer häufiger. Ihre Fächer sind hauptsächlich Kunst und Deutsch, doch auch Mathe steht bald auf ihrem Stundenplan. Ebenso wie einmal pro Woche das Seminar an der Ruhr-Universität, mit anderen Seiteneinsteigern. „Der Vorteil ist, dass ich konkrete Fragen, die in der Praxis aufkommen, direkt mit einbringen kann“, so die Bochumerin.

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Beim berufsbegleitenden Vorbereitungsdienst handelt es sich um eine Maßnahme des Schulministeriums: „Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger helfen den Schulen dabei, den hohen Lehrerbedarf zu decken. Sie sind mit ihrer persönlichen Berufsbiografie eine Bereicherung für das Schulleben.“ Grundvoraussetzungen seien unter anderem ein Masterstudium sowie eine mindestens zweijährige Erfahrung in einem Beruf oder die zweijährige Betreuung eines minderjährigen Kindes.

In zwei Jahren zur ausgebildeten Grundschullehrerin

Lehrkräftemangel in Bochum: Die Zahlen

Der Lehrkräftemangel macht den Schulen in Bochum zu schaffen, besonders den Grundschulen. Laut aktuellen Zahlen der Bezirksregierung Arnsberg liegt die Personalausstattung dort nur bei knapp über 90 Prozent.

Am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung werden in Bochum Grundschul-, Gymnasial- und Gesamtschullehrkräfte ausgebildet. Aktuell gebe es 185 Anwärterinnen und Anwärter, rund ein Viertel davon im Bereich Grundschullehramt.

Insgesamt unterrichten an Bochumer Schulen zum „prognostischen Stichtag“ am 15. September 35 Seiteneinsteigerinnen und -einsteiger.

Zwei Jahre dauert die Ausbildung, die mit der Staatsprüfung und dem Erwerb der Lehramtsbefähigung abschließt. Claudia Neuse, Leiterin der Drusenbergschule, erzählt: „Das ist eine Art erweitertes Referendariat, bei erfolgreichem Abschluss ist sie grundständig ausgebildete Grundschullehrerin.“

„Ich freue mich sehr auf die neuen Aufgaben“, sagt Jara Linne. Schließlich sei man nie zu alt, um etwas Neues zu lernen. Sie hat zahlreiche Ideen, die sie in der kommenden Zeit umsetzen will. Es solle viele Gemeinschaftsprojekte geben, Kooperationen mit dem Kunstmuseum und anderen Museen. „Ich möchte den Schülerinnen und Schülern außerdem beibringen, dass die Kunst ein Teil des Lebens ist. Jeder ist ein Künstler“, sagt sie.

Der Weg, den Linne nun einschlägt, habe viele Vorteile – für sie, aber auch für ihre neue Schule: „Referendare wissen nicht, wo sie später landen. Das Schöne ist, dass ich nach der Prüfung dauerhaft bleiben kann.“ Die Drusenbergschule sei ein Ort, an dem sie heimisch werden möchte.