Bochum. Für 2,6 Milliarden Euro wird die Steag verkauft. Noch ist die Höhe des Gewinns ungewiss. Die Beteiligung, so heißt es in Bochum, war ein Fehler.

Für 2,6 Milliarden Euro verkaufen sechs Kommunen aus NRW den Energiekonzern Steag an den spanischen Fonds Asterion. Nach Abzug von Verbindlichkeiten, Pensionsrückstellungen und anderen Kosten fließen 18 Prozent des verbliebenen Überschusses nach Bochum. Die Rede ist – inklusive der Gewinnausschüttung für 2022 und 2023 – von bis zu 500 Millionen Euro. Aus der Politik kommt derweil ein klares Signal: „Solche Beteiligungsgeschäfte, davon lassen wir zukünftig die Finger“, sagt Sebastian Pewny, Fraktionschef der Grünen in Bochum.

Bochum ist mit 18 Prozent an der Steag beteiligt

Wie viel Geld genau in den Städten Dortmund, mit 36 Prozent der größte Anteilseigner an der Kommunalen Beteiligungsgesellschaft (KSBG), Duisburg (19), Bochum (18), Essen (15), Oberhausen und Dinslaken (je 6), landen wird, darüber schweigt die KSBG noch. Die einzelnen Anteilseigner werden sich in den nächsten Tagen dazu äußern, so Heike Heim, Vorstandsvorsitzende der Dortmunder Stadtwerke (DSW21) und Aufsichtsratsvorsitzende der KSBG, am Montag. Den Stadtwerken der genannten Städte gehört die Steag seit 2014. Insgesamt 1,2 Milliarden haben sie damals in zwei Tranchen bezahlt. Zwischenzeitlich hatte das Unternehmen an Wert verloren. Die Stadtwerke Bochum zum Beispiel haben ein Drittel ihrer Investition abgeschrieben, so Geschäftsführer Dietmar Spohn.

Stadtwerke und Politik entscheiden, wie der Gewinn verwendet wird

Zufrieden mit dem Verkaufspreis zeigen sich Bochums Stadtwerke-Chef Dietmar Spohn und Dortmunds Stadtwerke-Chefin Heike Heim. •Nicole Hildebrand (links) vertritt die Energie-Sparte des Käufers Asterion Industrial Partners aus Spanien.
Zufrieden mit dem Verkaufspreis zeigen sich Bochums Stadtwerke-Chef Dietmar Spohn und Dortmunds Stadtwerke-Chefin Heike Heim. •Nicole Hildebrand (links) vertritt die Energie-Sparte des Käufers Asterion Industrial Partners aus Spanien. © funke

Zufrieden zeigt sich nun Dietmar Spohn über den Preis. „Wir werden jetzt gemeinsam mit der Politik entscheiden, wie wir den Verkaufserlös einsetzen“, so der Geschäftsführer der Stadtwerke Bochum und Sprecher der KSGB. Worauf das hinausläuft, hat er bei der Begründung für den Verkauf des Energiekonzerns, der mittlerweile in Iqony (Zukunftstechnologie) und Steag Power (Kohlekraftwerke) aufgeteilt ist, aber als Ganzes abgegeben wird, mehr als angedeutet: „Wir hätten nicht die notwendigen Investitionen, um den grünen Bereich weiterzuentwickeln. Wir selbst als Stadtwerke habe eine Menge Investitionen in den Städten vor der Brust.“ Allein in Bochum sind dem Vernehmen nach für Investitionen in das Fernwärmenetz, die digitale Infrastruktur und den Glasfaserausbau zwei Milliarden Euro nötig.

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Über konkrete Summen hatte der Stadtwerke-Chef im Juni bei der Vorstellung der Geschäftszahlen für 2022 gesprochen. Damals hieß es, in den nächsten Jahrzehnten würden weitere 450 Millionen Euro für den Ausbau des Fernwärmenetzes, 500 Millionen Euro für das Stromnetz, 130 Millionen Euro in erneuerbare Energie und 250 Millionen Euro in das Glasfasernetz ausgegeben.

Bochums Kämmerin Hubbert hält sich vorerst zurück

Etwa 57 Millionen Euro haben die Stadtwerke in den vergangenen Jahren jedes Jahr als Gewinn ausgeschüttet. Ein Großteil davon ist über die Holding für Versorgung und Verkehr (HVV) geflossen, zum Beispiel in den Ausgleich des Defizits der Bogestra. 2023 könnte die Ausschüttung wegen des Steag-Verkaufs deutlich, womöglich sogar um ein Vielfaches darüber liegen. Ob und welche Erwartungen Kämmerin Eva Hubbert dazu hat, darüber schweigt sie sich aus. „Zum jetzigen Zeitpunkt ist es einfach noch verfrüht, um konkrete Auskünfte zu geben, weil die Stadtwerke als Gesellschafter erst einmal mit dem Verkauf zu tun haben“, so Stadtsprecher Thomas Sprenger.

Ob die Kämmerin mit Geld für Investitionen wie Kita- und Schulausbau oder die Tilgung von Schulden rechnen kann, bleibt vorerst also offen. Geht es nach der Politik, kommt es wohl nicht so.

Politik plädiert dafür, das Geld in die Infrastruktur zu investieren

„Die Mittel sollten direkt wieder in die Stadt investiert werden, um sie zukunftsfest zu machen“, sagt SPD-Fraktionschef Burkart Jentsch. Ähnlich sehen es auch die Fraktionsvorsitzenden von Grünen, CDU und Linke.

„Erst einmal sollten alle Kredite abbezahlt werden“, so Sebastian Pewny, Fraktionschef des grünen Koalitionspartners. Was dann übrig bleibe, solle angesichts der Investitions-Aufgaben „im Konzern bleiben und in die Infrastruktur investiert werden. Ich rechne nicht damit, dass auch nur ein Cent in den kommunalen Haushalt fließen wird.“ Auch nicht für die Tilgung kommunaler Schulden.

Grünen-Chef Pewny spricht vom Ende der „Zockerei“

Dass die Steag überhaupt mit einem „kleinen Gewinn für die Stadt verkauft werden konnte“, bezeichnet der Grünen-Fraktionschef als „Glück“: Und: „Die Steag und damit auch die Beteiligten an der Steag sind bedauerlicherweise Profiteure des Ukraine-Kriegs. Das ist nichts, worauf man allzu stolz sein sollte. Die „Zockerei“ wollten wir beenden. Daher mache ich jetzt liebend gern einen Strich darunter.“

Auch CDU und Linke sagen, Stadtwerke sollten Gewinn investieren

Auch die beiden größten Oppositionsfraktionen im Rat, die in der Vergangenheit zum Teil harsche Kritik an der Steag-Beteiligung geäußert haben, plädieren dafür, dass die Stadtwerke die Gewinne investieren. „Die Stadtwerke haben ziemliche Aufgaben vor der Brust“, sagt Linken-Fraktionsvorsitzender Horst Hohmeier. „Ich glaube, dass Geld ist im Unternehmen gut angelegt.“ CDU-Fraktionschef Karsten Herlitz räumt ein: „Man könnte so einiges damit anfangen, und wenn es nach mir geht, würde ich am liebsten sämtliche Schulen und Kitas damit ausstatten. Aber angesichts der Summen, die die Stadtwerke für Investitionen aufbringen müssen, vermute ich, es ist am sinnvollsten, wenn die Ausschüttungen im Unternehmen bleiben, um eben für die Zukunft das Fernwärmenetz zu finanzieren.“