Essen. Nach dem Kauf des Essener Steag-Konzerns kündigt spanischer Investor mehr grüne Jobs an. Sein Höchstgebot beschert sechs Stadtwerken dickes Plus.

Heike Heim strahlt und wird damit in dieser Pressekonferenz auch nicht mehr aufhören. Der Chefin der Dortmunder Stadtwerke und Aufsichtsratsvorsitzenden des Stadtwerke-Konsortiums KSBG steht die Erleichterung über den Steag-Deal ins Gesicht geschrieben. Dass der Verkauf an Asterion, einen auf Infrastruktur und Energie spezialisierten spanischen Investmentfonds, für alle Beteiligten die beste Lösung sei, wird sie mehrfach betonen, Bochums Stadtwerke-Chef Dietmar Spohn dazu nicken. Beide Stadtwerke und mit ihnen auch jene aus Essen, Duisburg, Oberhausen und Dinslaken kommen mit einem dicken Gewinn aus ihrem gemeinsamen Steag-Abenteuer heraus. Spohn bejaht diese Frage verbal, Heim mit einem noch zufriedeneren Lächeln.

Zahlen nennen beide noch nicht, Heim kündigt aber an, die einzelnen Stadtwerke würden in den kommenden Tagen grobe Schätzungen dazu abgeben, was nach dem Verkauf der Steag für sie übrig bleibt und was sie mit dem vielen Geld machen wollen. Klar ist: Es sind aus dem Verkauf unterm Strich nicht die 2,6 Milliarden Euro, die als Unternehmenswert im Kaufvertrag stehen – eine noch vor Jahresfrist nicht für möglich gehaltene Summe. Davon geht noch einiges an Verbindlichkeiten ab sowie Steuern und vor allem die riesigen Pensionsverpflichtungen von rund einer Milliarde Euro.

Milliardengewinne bleiben bei den Stadtwerken

Andererseits kommen die jeweiligen Anteile der Stadtwerke an den außerordentlich hohen Steag-Gewinnen aus dem vergangenen und diesem Jahr hinzu. 2022 blieben nach Informationen unserer Redaktion netto 1,9 Milliarden Euro übrig, in diesem Jahr läuft es bisher dem Vernehmen nach ähnlich gut. „Das Ergebnis aus 2023 steht den Verkäufern zu“, stellte Steag-Sanierer Ralf Schmitz klar. Denn nach der Vertragsunterzeichnung ist noch einiges zu regeln, müssen etwa noch die Kartellbehörden zustimmen, so dass der Eigentümerwechsel voraussichtlich frühestens Ende des Jahres in Kraft tritt.

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Dass für Außenstehende überraschend Asterion Industrial Partners das Rennen gemacht hat, lag wohl schlicht am Geld. Daran ließen die Protagonisten keinen Zweifel, freilich ohne zu verraten, was der tschechische Milliardär Daniel Kretinsky und sein Unternehmen EPH im Verbund mit der Essener RAG-Stiftung geboten haben. Auf die Frage, ob die von den Spaniern versprochenen hohen Investitionen in die grüne Steag-Tochter Iqony mitentscheidend gewesen seien, betonte Schmitz, dies habe auch EPH zugesagt.

Mögliche Interessenskollisionen durch die starke Präsenz der Politik, der Kommunen und des Steag-Chefs Andreas Reichel im Kuratorium der mitbietenden RAG-Stiftung wären kein Hindernis gewesen, versicherte Schmitz. Das habe man beihilferechtlich abgeklärt, die RAG-Stiftung habe sich hochprofessionell verhalten, sprich „sehr zurückgehalten“, sagte Schmitz. Als die Kohlestiftung zwei Wochen vor der Entscheidung in den Bieterwettkampf einstieg, hatten viele Beobachter damit gerechnet, dass sie und EPH auch den Zuschlag erhalten würden. Ein Trugschluss.

Asterion-Energieexpertin Nicole Hildebrand hat den Kauf der Steag an den spanischen Infrastrukturfonds verhandelt.
Asterion-Energieexpertin Nicole Hildebrand hat den Kauf der Steag an den spanischen Infrastrukturfonds verhandelt. © Handout | Ho

Asterion will massiv in Steag-Tochter Iqony investieren

Die Spanier wollten den Markteintritt ins deutsche Energiegeschäft offenkundig unbedingt, ihr Preis sei der beste gewesen, erklärte Schmitz. Die Steag-Übernahme sei „eine echte Herzensangelegenheit“, sagte Nicole Hildebrand, Partnerin und Energieexpertin bei Asterion. Ihnen habe „sehr gefallen, was wir hier vorgefunden haben“, sagte sie. Insbesondere die grüne Steag-Tochter Iqony habe eine „herausragende Basis“, um eine wichtige Rolle bei der Energie- und Wärmewende in Deutschland zu spielen. Die Kraftwerkssparte „Power“ leiste gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zur Versorgungssicherheit.

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Die Spanier haben massive Investitionen in den Ausbau grüner Energie angekündigt, insbesondere aus Wasserstoff, Windkraft, Solar und Fernwärme. Der nach eigenen Angaben größte Infrastrukturfonds Spaniens hat den Umbau der Energieversorgung von fossilen zu grünen Strom- und Wärmequellen als renditestarkes Wachstumsfeld zum Schwerpunkt seiner Geldanlagen gemacht. Um die Steag nach einigen Jahren mit Gewinn weiterverkaufen zu können, soll der Unternehmenswert vor allem durch mehr erneuerbare Erzeugungskapazitäten und Batteriestromspeicher gesteigert werden.

Spanier wollen viele grüne Arbeitsplätze schaffen

Im Zuge dessen sollen auch „neue, grüne Arbeitsplätze geschaffen und die Beschäftigung – vor allem im Ruhrgebiet und Saarland – gefördert werden“, verspricht Asterion. Iqony beschäftigt aktuell rund 2300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auf die Frage nach der Beschäftigungsentwicklung in der Kraftwerkssparte mit ihren rund 3200 Beschäftigten antwortete Asterion-Managerin Hildebrand ausweichend und vielsagend zugleich: Man werde im Rahmen der Mitbestimmung auch hier „gute Lösungen finden“. Mit dem schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung gehen an den Kraftwerks-Standorten, die nicht auf grüne Energieträger wie Wasserstoff umgestellt werden können, zwangsläufig Arbeitsplätze verloren.

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Dass dies nur mit einem neuen, großen Investor möglich ist, sei für die Stadtwerke „eine schmerzliche Erkenntnis gewesen“, machte KSBG-Chefaufseherin Heike Heim deutlich, als sie einräumte, die Kommunen wären dazu nicht in der Lage gewesen. Die Stadt Dortmund will selbst bis 2035 klimaneutral werden und braucht dafür jeden Euro. Durch den Steag-Verkauf und die hohen Gewinne haben die Stadtwerke der Westfalenmetropole und auch die der anderen Kommunen nun deutlich mehr Geld, als sie sich noch vor wenigen Jahren zu erträumen gewagt hätten. „Als ich vor zweieinhalb Jahren hier angefangen habe, hatten wir kein Geld und schlechte Laune“, fasste Steag-Geschäftsführer Schmitz die damalige Lage des Unternehmens zusammen. Es habe „kurz vor dem Ende“ gestanden, verdeutlichte Bochums Stadtwerke-Chef Spohn.

Steag profitiert nach wie vor vom Krieg in der Ukraine

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Dass sich die Steag in der Zeit nach dem Ausstiegsbeschluss der sechs Ruhrgebietskommunen vom potenziellen Verlustgeschäft noch zum Gewinnbringer wandeln konnte, hat allerdings mehr mit Glück als mit allem anderen zu tun. Denn das Unternehmen profitiert stark von den Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine. Um die Stromversorgung zu sichern, laufen Steinkohlekraftwerke wie das in Bergkamen entgegen der Abschaltpläne weiter – und verdienen wegen der zwischenzeitlich explodierten Preise besser denn je. Da 2022 auch viele lukrative Lieferverträge für dieses Jahr abgeschlossen wurden, füllen die Kohlekraftwerke nach wie vor die Steag-Kasse.