Bochum. Neuheit in NRW: Die Bochumerin Simone Fox hat eine zentrale Schießsport-Trainingsgruppe für Menschen mit Behinderung etabliert. Was sie antreibt.
Fünf Schlaganfälle und 40 Operationen hat Simone Fox hinter sich. Davon ließ sich die 49-Jährige aber keineswegs unterkriegen. Im Gegenteil: Sie hat große Pläne und will den Schießsport für Menschen mit Behinderung in Nordrhein-Westfalen verändern.
Vor circa einem Jahr gründete sie im Westfälischen Schützenbund eine zentrale Trainingsgruppe, damit talentierte Schützinnen und Schützen mit Handicap die Möglichkeit haben, abseits vom Vereinssport, miteinander zu trainieren. Sie selbst habe diese Möglichkeit vermisst, als sie mit dem Sport angefangen hat, zu dem sie durch ihre Behinderung kam. Für ein leistungsorientiertes Training musste Fox nach Niedersachsen ausweichen, wo die Bochumerin in den Landeskader aufgenommen wurde.
Bochumerin gründet Trainingsgruppe: Athleten bekommen verschiedene Hilfsmittel
Anderen Schützen wollte sie diesen Weg ersparen. „Mein Ziel ist es, einen Westfalenkader zu gründen“, sagt Fox. Es gebe viel Potenzial in der Gruppe, die inzwischen aus 27 Athletinnen und Athleten mit verschiedenen Behinderungen besteht. Geschossen werde mit dem Luftgewehr.
Je nach Art des Handicaps bekommen die Athleten Hilfsmittel zur Verfügung gestellt. „Für jeden Schützen mit jeder Behinderung gibt es eine Möglichkeit den Schießsport auszuüben“, sagt Fox. So würden beispielsweise Menschen, die im Pflegerollstuhl sitzen, schießen oder Menschen mit Spastiken. Auch blinde Menschen seien mit im Team. „Mir ist es wichtig, dass die Leute sehen, dass wir Menschen mit Behinderung ganz normale Menschen sind und ganz normal am sozialen Gefüge teilnehmen können.“
„Stiller Star“: Bochumerin erhält Auszeichnung vom Deutschen Schützenbund
Für ihr Engagement und die neue zentrale Trainingsgruppe, der sich inzwischen der Rheinische Schützenbund angeschlossen hat und die alle drei Monate gemeinsam trainiert, wurde sie im Mai als „Stiller Star“ vom Deutschen Schützenbund geehrt. Eine Auszeichnung, die den „Unverzichtbaren“ verliehen wird, die den Sport unterstützen und oft im Hintergrund arbeiten, heißt es auf der Internetseite des Verbands.
Nominiert wurde sie von ihrem Kollegen Axel Gretenkort, der Teil der Trainingsgruppe und wie auch Fox Mitglied des Niedersächsischen Landeskaders ist. Von dieser Auszeichnung sei die Bochumerin überrascht gewesen. „So still bin ich gar nicht, ich ergreife eigentlich immer schnell das Wort und Partei und setze mich ein“, sagt die 49-Jährige.
Schlaganfall in Folge eines Behandlungsfehlers: Bochumerin kämpft sich zurück
Das Leben der Bochumerin änderte sich mit einem Unfall, den sie mit 22 Jahren hatte. Dort habe es Fehler in der Behandlung gegeben. „Da wurden Schrauben falsch gesetzt, Nerven durchtrennt und Brüche übersehen.“ Die Folge: 29 Operationen am Fuß. Den ersten Schlaganfall erlitt sie mit 30 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt musste sie reanimiert werden und lag im Koma.
Fox musste alles neu lernen: laufen, reden, alleine essen und alleine sitzen. Sie kämpfte sich zurück, erlitt aber vier weitere Schlaganfälle. Den letzten vor fünf Jahren. Als Folge hat Fox eine Hemiparese, eine Halbseitenlähmung. Sie kann ihre rechte Körperhälfte zwar noch ansteuern, allerdings nur noch begrenzt. Außerdem hat sie Spastiken, Schwindelattacken und manchmal taube Beine. Durch Fehlbelastungen sei auch ihre Wirbelsäule kaputt, die inzwischen aus Metall und künstlichen Bandscheiben bestehe.
Seit 20 Jahren ist die 49-Jährige im Schießsport aktiv. Eigentlich tanzte sie Latein und Standard, nach ihrem Unfall sei ihr soziales Gefüge zusammengebrochen und das Tanzen nicht mehr möglich gewesen. Um wieder fit zu werden, habe sie mit dem Schießsport begonnen: „Ich wollte nicht diesen typischen Rehasport machen.“ Als sie dann zum Luftgewehrschießen kam, habe sie ihre Leidenschaft entdeckt. Es helfe Fox den Kopf freizubekommen, herunterzufahren, zu sich zu kommen und Stress abzubauen.
Bochumerin setzt sich auch für Tierschutz ein
Eigentlich sei Fox in Rente, für einen Orthopädieschuhmachermeister in Bochum arbeite sie aber noch einmal in der Woche in der Buchhaltung. Außerdem engagiere sich die 49-Jährige, die früher als Dozentin für Gesundheitspädagogik gearbeitet hat, für den Tierschutz und kümmere sich um den Garten ihrer eigenen Wohnung.
Die Bochumerin hat sich Symbole, die für ihr Leben stehen, auf der Haut verewigen lassen. Drei chinesische Schriftzeichen zieren ihren Unterarm. Sie stehen für Leben, Kraft und Zuversicht. Äste eines tätowierten Kirschblütenbaumes ranken sich darum: sie stehen für einen Neuanfang. Schmetterlinge habe sie in der Nahtoderfahrung gesehen. Ihren Oberarm ziert ein Phönix, der dafür bekannt ist, nach dem Tod aus der Asche wieder neu zu erstehen. „Weil ich dreimal reanimiert wurde“, begründet die Sportschützin das Zeichen.