Bochum. Eine Bochumer Tätowiererin sticht Tattoos, die ein „Ja“ zur Organspende signalisieren. Wiebke (31) und Malika (37) sind aus Überzeugung dabei.

Den kleinen Pilz aus der Computerspielwelt von „Super Mario“ hatte sie schon vorher auf dem Arm. Ein Leben mehr – dafür steht der „1-Up“-Pilz, und für Malika Mabtol hat er eine besondere Bedeutung. Vor vier Jahren hatte sie Schilddrüsenkrebs, zwei Herzinfarkte, lag wochenlang auf der Intensivstation. „Ich bin zweimal fast gestorben“, sagt die 37-Jährige rückblickend. Heute geht es ihr wieder gut – da ist es, das neue Leben. Aber das Bewusstsein über die eigene Endlichkeit ist geblieben. Deshalb kommt an diesem Vormittag ein neues Tattoo auf ihren linken Arm.

Ein Kreis, darunter zwei Halbkreise, die sich zu einem weiteren Kreis zusammenfügen. „O“ und „D“ sind zu erkennen – das steht für „Organ Donor“, Organspender oder Organspenderin. Entwickelt hat das Motiv der Verein „Junge Helden“. Dessen Ziel: Junge Leute über Organspende aufzuklären, das Thema ins Gespräch zu bringen. „Opt-Ink“ nennen sie das, angelehnt ans „Opt-In“, die Zustimmungslösung. Wer die Tätowierung trägt, signalisiert: Ich bin bereit, meine Organe zu spenden. Tattoo-Studios, die mit dem Verein kooperieren, stechen das Motiv kostenlos bzw. – abgewandelt – zum kleinen Preis.

Ein Kreis, zwei Halbkreise, „O“ und „D“ sind zu erkennen – das „Opt-Ink“-Motiv steht auch für „Organ Donor“, auf Deutsch: Organspender oder Organspenderin.
Ein Kreis, zwei Halbkreise, „O“ und „D“ sind zu erkennen – das „Opt-Ink“-Motiv steht auch für „Organ Donor“, auf Deutsch: Organspender oder Organspenderin. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Für Bochumer Tätowiererin war klar: „Da bin ich dabei“

Katharina Richter (34) ist Tätowiererin, seit zweieinhalb Jahren führt sie ihr kleines „Tattoo Atelier Antonia“ an der Grabenstraße in der Bochumer Innenstadt. Vor etwa drei Wochen hat sie erstmals von der „Opt-Ink“-Aktion gehört. „Meine Mutter hat mir einen Link geschickt“. Einen Tag später hatte sie selbst das Motiv auf dem Oberschenkel verewigt, setzte sich mit den „Jungen Helden“ in Verbindung, dann war klar: „Wir sind dabei“ – als eines von bislang vier Studios im Ruhrgebiet.

An diesem Dienstag ist „Opt-Ink“-Aktionstag, den ganzen Tag sticht Richter nichts anderes als das Organspende-Zeichen. Innerhalb kurzer Zeit waren all ihre Termine ausgebucht. Wo sie sonst ein bis vier Kunden am Tag bedient, hat sie bis zum Mittag bereits ein halbes Dutzend Tattoos gestochen, 23 werden es am Abend sein. „Daran“, sagt sie, „kann ich mich aber gar nicht satt-tätowieren.“

Organspendeausweis seit vielen Jahren – „war nie ‘ne Frage!“

Malika Mabtol ist aus Duisburg nach Bochum gekommen, um sich das „Ja“ zur Organspende unter die Haut bringen zu lassen. Ihre Freundin Wiebke Heiermann war eigentlich nur zur Begleitung mit, sie hatte keinen Termin mehr erwischt, dann aber ist doch noch ein spontanes Zeitfenster für die 31-Jährige frei. 30 Minuten später halten die beiden Frauen ihre Unterarme mit dem „Opt-Ink“ nebeneinander.

Katharina Richter (li.) hat bei Wiebke Heiermann das „Opt-Ink“-Motiv auf dem rechten Unterarm verewigt. Am Ende des Tages wird die Tätowiererin aus Bochum mehr als 20 „Organspende-Tattoos“ gestochen haben.
Katharina Richter (li.) hat bei Wiebke Heiermann das „Opt-Ink“-Motiv auf dem rechten Unterarm verewigt. Am Ende des Tages wird die Tätowiererin aus Bochum mehr als 20 „Organspende-Tattoos“ gestochen haben. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

„Ich hab einen Organspendeausweis, seit ich 17 bin“, erzählt Heiermann. Damals habe sie sich gar nicht groß Gedanken darüber gemacht, „das war für mich irgendwie nie ‘ne Frage.“ Ihre Schwester habe einen Herzfehler von Geburt an, „sie braucht vermutlich auch irgendwann mal ein Spenderherz“. Mit dem Tattoo, sagt sie, „kommt man ins Gespräch“.

Organspende als „letzter Akt der Nächstenliebe“

Auch Malika Mabtol ist überzeugt: Reden hilft! „Ich hab schon früher immer all meine Freunde gefragt, wie sie zur Organspende stehen, hab ihnen Organspendeausweise mitgebracht.“ Ein Organspender könne bis zu sieben Leben retten.

Malika Mabtol (37) ist aus Duisburg ins Tattoo-Studio in Bochum gekommen, um ihr „Ja“ zur Organspende auf dem Unterarm verewigen zu lassen.
Malika Mabtol (37) ist aus Duisburg ins Tattoo-Studio in Bochum gekommen, um ihr „Ja“ zur Organspende auf dem Unterarm verewigen zu lassen. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Das sei „der letzte Akt der Nächstenliebe“, findet Tätowiererin Katharina Richter. Eine Freundin von ihr habe selbst als Baby ein Spenderherz bekommen. „Und ich möchte mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, wenn das nicht der Fall gewesen wäre.“

8500 Menschen warten auf ein Spenderorgan

Das „Opt-Ink“-Tattoo soll zum Gespräch anregen, rechtlich bindend ist eine Tätowierung freilich nicht. Sie sei aber eine Willenserklärung des Tragenden, „ein deutliches Statement für deine Angehörigen“, heißt es beim Verein „Junge Helden“. Und die seien es, die im Ernstfall nach dem Willen eines für hirntot erklärten Menschen gefragt würden.

869 Menschen haben nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation im vergangenen Jahr in Deutschland nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe gespendet, insgesamt wurden ihnen 2662 Organe entnommen – 8,4 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Deutschlandweit stehen etwa 8500 Menschen auf der Warteliste für ein Spenderorgan.

Die Bochumer Tätowiererin Katharina Richter bietet regelmäßig „Opt-Ink“-Aktionstage an. Der nächste ist für Freitag, 26. Mai, geplant. Weitere Infos unter tattooatelierantonia.de im Internet. Mehr zum Verein „Junge Helden“ und dessen Aktivitäten gibt’s ebenfalls online auf junge-helden.org.