Das Wittener Marien-Hospital muss einem 13 Jahre alten Bochumer für die Behinderung, die er durch Behandlungsfehler während seiner Geburt 2002 erlitten hat, ein Schmerzensgeld von 250 000 Euro zahlen. Auch muss die Klinik grundsätzlich alle weiteren „materiellen Schäden“ ersetzen – zum Beispiel Pflegemehraufwand oder behindertengerechter Umbau einer Wohnung.

Dieses Urteil fällte die 6. Zivilkammer des Landgerichts. Die Schuldfrage stand nicht mehr zur Debatte, nur noch die Art und Höhe der Ansprüche. Dieselbe Kammer hatte die Klinik schon 2012 wegen grober Behandlungsfehler bei der Geburt dieses Jungen verurteilt. Damals hatte der Landschaftsverband Westfalen-Lippe als Träger der Behindertenhilfe erfolgreich Kosten für die Behandlung des Kindes eingeklagt. Dieselben Gutachten legte die Kammer jetzt zu Grunde. Danach hatte eine Ärztin zulange abgewartet, als die Herztöne des Kindes absanken. Sie setzte die Mutter auf einen Geburtshocker, statt sofort einen Kaiserschnitt durchzuführen. Durch den Sauerstoffmangel kam der Junge mit einer Hirnschädigung auf die Welt.

Der 13-Jährige geht heute auf eine Gesamtschule. Er bekommt Krankengymnastik, logopädische Förderung, wird integrativ unterrichtet. Er hat eine „verwaschene“ Aussprache und eine Störung der Motorik. Er hat einen Grad der Behinderung von 80 Prozent, soll sich im Straßenverkehr nicht allein bewegen. Fußball spielen kann er nicht, aber er spielt gerne Schach und Tischtennis.

Der Anwalt des Jungen hatte insgesamt 1,2 Mio. Euro gefordert – 400 000 Euro Schmerzensgeld, 800 000 Euro als pauschale Abgeltung für die „materiellen“ Schäden. Die Anwältin des Marien-Hospitals nannte eine solche Gesamtabfindung „nicht akzeptabel“. Einzelposten seien „nicht belegt“, die Ansprüche verjährt.

Der Verjährung widersprach die Kammer klar. Die „materiellen“ Forderungen erklärte sie grundsätzlich für berechtigt. Wenn der Junge etwa ein Spezialfahrzeug braucht, kann aber über die Höhe der Leistung wieder gestritten werden.