Bochum. Am Ende der Pandemie erholen sich die Besucherzahlen im Schauspielhaus Bochum langsam. Zum Hit wird „Macbeth“, die Kammerspiele tun sich schwer.

Die Zuschauerzahlen im Schauspielhaus Bochum erholen sich: In der auslaufenden Spielzeit 2022/23 schauten sich rund 126.000 Besucherinnen und Besucher die Vorstellungen auf den vier Bühnen (inklusive Theaterrevier) an, so teilt es das Theater mit. Dies entspricht nahezu dem Wert der ersten Saison unter der Leitung von Johan Simons 2018/2019, in der 132.771 Tickets verkauft wurden.

126.000 Besucher kommen ins Schauspielhaus Bochum

Durch den Wasserschaden Ende 2019 und die Corona-Schließungen ab Frühjahr 2020 brachen die Besucherzahlen bekanntlich massiv ein. Die jetzt zu Ende gehende Saison ist die erste ohne weitreichende Corona-Auflagen, nur die Maskenpflicht galt noch bis Ende Dezember. Die aktuellen Abo-Zahlen will das Schauspielhaus nachreichen.

„Wir freuen uns sehr, dass wir nach der Pandemie fast wieder dort stehen, wo wir uns vorher befanden“, sagt Sprecher Alexander Kruse. Vom Niveau seines Vorgängers Anselm Weber, der während seiner Intendanz gleich zweimal die 200.000-Zuschauer-Marke knackte, ist Simons weiterhin weit entfernt.

Künstlerisch spielt Bochum wieder in der ersten Liga

Dafür darf man anerkennend festhalten, dass das Schauspielhaus unter seiner Leitung zu den führenden Theatern im deutschsprachigen Raum aufgestiegen ist, wie die Auszeichnung zum „Theater des Jahres“ und gleich zwei Einladungen zum Berliner Theatertreffen allein in dieser Spielzeit beweisen. Künstlerisch spielt Bochum wieder in der ersten Liga.

Johan Simons (hier bei der Auszeichnung zum „Theater des Jahres“ im September) ging in sein fünftes Jahr als Intendant des Schauspielhauses Bochum. Ob ihm der Schulterschluss mit dem Publikum gelingen würde, war eine der spannenden Fragen dieser Saison.
Johan Simons (hier bei der Auszeichnung zum „Theater des Jahres“ im September) ging in sein fünftes Jahr als Intendant des Schauspielhauses Bochum. Ob ihm der Schulterschluss mit dem Publikum gelingen würde, war eine der spannenden Fragen dieser Saison. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Gefeiertes im Großen Haus

Doch wichtiger als jede Trophäe ist: Gelingt Johan Simons in seinem fünften Bochumer Jahr endlich der Schulterschluss mit dem Publikum? Oft war kritisiert worden, das Programm sei zu anspruchsvoll und zu kopflastig. Der Intendant gelobte Besserung – und er lieferte auf hohem Niveau. Seinen „Macbeth“, den er gegen Ende dieser Spielzeit mit einem fulminanten Darstellertrio auf die Bühne brachte, darf man als einen Durchbruch bezeichnen. Nach der Premiere gab es zehnminütige stehende Ovationen, auch die Folgevorstellungen sind regelmäßig ausverkauft.

Daneben finden auch die weiteren Aufführungen des Hausherren ihr Publikum: „Woyzeck“ mit dem irre aufspielenden Steven Scharf in der Titelrolle wird von Schulklassen gern besucht. „Der Würgeengel“ mit Sandra Hüller ist ein Stück, das etwas Konzentration und Ausdauer fordert, heftiger Schlussapplaus auch hier.

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Doch nicht nur die Inszenierungen des Intendanten kommen im großen Haus bestens an. „Kinder der Sonne“ in der Regie von Mateja Koležnik mit dem schönsten Bühnenbild des Jahres und einer geschlossenen Ensembleleistung erinnert an die legendären Theaterabende von Andrea Breth. Mit Guy Clemens ist zudem ein Schauspieler aus den eigenen Reihen mittlerweile zur gefeierten Regie-Größe aufgestiegen: Die Eheschlacht „Wer hat Angst von Virginia Woolf?“ ist ein Publikumsrenner. Wie Jele Brückner und Konstantin Bühler ihre Giftpfeile über die Bühne jagen, das vergisst man nicht so schnell.

Experimentelles in der Kammer

In den Kammerspielen ergibt sich dagegen ein etwas anderes Bild. Natürlich muss (und darf) ein Stadttheater auch Experimentelles wagen, doch beim Publikum tun sich die Aufführungen im kleinen Haus merklich schwer. Überraschend ist das nicht: Das knallbunte Spektakel „Underworlds“, für das enormer technischer Aufwand betrieben wurde, wird komplett auf Englisch gespielt, die Geschichte ist auch beim besten Willen kaum zu verstehen. In „Blank“ erzählen die maskierten Schauspieler von Kindesmissbrauch und Gewalt, naturgemäß ebenfalls kein Renner an der Abendkasse.

Die etwas experimentellen, fordernden Stücke in den Kammerspielen haben es beim Publikum oft schwer: Hier eine Szene aus „Am laufenden Band“ mit Karin Moog, Dominik Dos-Reis und Michael Lippold.
Die etwas experimentellen, fordernden Stücke in den Kammerspielen haben es beim Publikum oft schwer: Hier eine Szene aus „Am laufenden Band“ mit Karin Moog, Dominik Dos-Reis und Michael Lippold. © Birgit Hupfeld

Oft ist es schade, dass den Aufführungen in der Kammer keine größere Aufmerksamkeit zuteilwird. „Am laufenden Band“ ist ein hochaktuelles Stück über die Ausbeutung von Fließbandarbeitern, der Text von Joseph Ponthus ist eine Wucht. Schön auch, wie findungsreich und bildgewaltig in „Dem Freund, der mir das Leben nicht gerettet hat“ von der Liebe in Zeiten der Aids-Pandemie berichtet wird. Richtig gut läuft in den Kammerspielen eigentlich nur der Ultra-Klamauk „Sherlock Holmes jagt Dr. Watson“, dessen teils enorm platte Gags wohl mittlerweile eine treue Fangemeinde gefunden haben.

Neues aus dem Oval Office

Als kluge Entscheidung erwies es sich, im Oval Office keine Kunstinstallationen mehr zu zeigen. Die kleine Bühne im Keller ist wieder ein Ort für spontane Theaterabenteuer nah am Puls der Zeit und nah am Schoß der Zuschauer. Zum Neustart im vergangenen Herbst legte das Ensemble los wie die Feuerwehr. Mittlerweile ist es wieder etwas ruhiger im Oval Office geworden. Die zeitlichen und personellen Ressourcen, die nötig sind, um eine solche zusätzliche Spielstätte dauerhaft zu betreiben, sind wohl begrenzt. Spannend dürfte werden, wie es hier in der neuen Spielzeit weitergeht.

Spielplanänderungen an diesem Wochenende

Wegen Erkrankungen im Ensemble gibt es an diesem Wochenende einige Änderungen im Spielplan des Schauspielhauses: So kann „Woyzeck“ am heutigen Samstag, 17. Juni, nicht gespielt werden. Stattdessen wird eine Aufführung von „Iwanow“ gezeigt. Beginn: 19.30 Uhr. „Wo steht Dein Maulbeerbaum?“ im Oval Office fällt aus.

Auch „Das neue Leben“ am Sonntag, 18. Juni, im Schauspielhaus muss entfallen. Bereits gekaufte Karten werden umgetauscht. Infos: 0234 3333 5555