Bochum. „Underworlds“ in den Kammerspielen Bochum besticht durch rauschhafte Bilder und gestochen scharfe Animationen. Eine Handlung sucht man vergebens.

Mitten im grauen Januar bietet das Schauspielhaus Bochum eine Uraufführung, die vor Farbe nur so sprüht: „Underworlds – A Gateway Experience“ des niederländischen Regiekollektivs BVDS in den Kammerspielen zeigt eindrucksvoll, was tricktechnisch auf den Bühnen heutzutage möglich ist. Die visuelle Wucht ist grandios, inhaltlich steht der Abend aber auf wackeligen Beinen.

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Uraufführung in Bochum sprüht vor Farbe

Hinter BVDS verbergen sich die Regisseurinnen Bianca von der Schoot und Suzan Boogaerdt (die auch selbst mitspielt). Gemeinsam entwickeln sie ausdrucksstarke und vor allem optisch reizvolle Inszenierungen, die es den Zuschauern aber selten leicht machen. Denn Figuren oder gar eine greifbare Handlung sucht man vergebens. Statt eines roten Fadens bieten BVDS einen gewaltigen Strom aus Musik, Tanz, etwas Philosophie und einer Menge Bühnenzauber. Wer damit nichts anfangen kann, dürfte sich schnell enttäuscht abwenden. Für alle anderen gilt: zurücklehnen und genießen!

Die nächsten Spieltermine

„Underworlds“ ist wieder zu sehen am Mittwoch, 25. Januar (Zehn-Euro-Tag!) sowie am 8. und 9. Februar in den Kammerspielen. Es gelten ermäßigte Eintrittspreise von zehn bis 20 Euro (ermäßigt fünf bis zehn Euro).

Um die Performance in ihrer ganzen Pracht zu erleben, sind auch die Plätze in den hinteren Reihen zu empfehlen. Dort kann man vor allem die Übertitel besser lesen. Karten: 0234 33 33 55 55.

Auch „Underworlds“ ist mehr Performance als Theaterstück. Die Hauptrolle spielt eine riesige Leinwand, die den gesamten hinteren Teil der Bühne ausfüllt und gestochen scharfe Computeranimationen in den Saal wirft. Für sein Videodesign gebührt Mikko Gaestel weit mehr als eine lobende Anerkennung.

Visueller Overkill scheint die Schauspielerinnen fast zu verschlucken

Nicht selten scheinen die vier Schauspielerinnen (darunter Jing Xiang als einzige aus dem Bochumer Ensemble) von dem visuellen Overkill fast verschluckt zu werden, zumal sie unter Masken, in Ganzkörperanzügen und nur schummrig ausgeleuchtet kaum zu unterscheiden sind.

Direkt die ersten zehn Minuten sind ein absoluter Rausch: Auf einem drehbaren Podest (Bühne: Lena Newton) versammeln sich die Darstellerinnen mit Trommeln und allerlei Getöse wie zu einem afrikanischen Stammesritual. Die rhythmische Musik schraubt sich in immer weitere Höhen, die Soundanlage in den Kammerspielen wird bis zum Anschlag aufgedreht, dazu fegt loderndes Feuer über die Leinwand. Donnerwetter, was für ein Opening!

Die Form triumphiert über den Inhalt

Worum es in „Underworlds“ eigentlich genau geht und was der Titel zu bedeuten hat: Das sind Fragen, die man besser nicht allzu gründlich stellen sollte. Die Form triumphiert über den Inhalt, soviel scheint klar. Mit gehörigem Wagemut versuchen BVDS, eine Brücke von der Antike in unsere Welt zu schlagen.

Szene mit Ibelisse Guardia Ferragutti in „Underworlds“.
Szene mit Ibelisse Guardia Ferragutti in „Underworlds“. © Schauspielhaus Bochum | Birgit Hupfeld

Als Aufhänger dient die Erzählung von „Amor und Psyche“: Das Buch sieht man zu Beginn kurz als Handyvideo gefilmt, doch sollte man die tragische Liebesgeschichte vorher zumindest überflogen haben, um sie auf der Bühne überhaupt wiederzuerkennen. Mit verzerrten Stimmen aus dem Off gesprochen hört man sie manchmal in englischer Sprache (mit deutschen Übertiteln).http

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Zwischen griechischer Mythologie und Popkultur

Neben der griechischen Mythologie sucht die Aufführung die Auseinandersetzung mit unserer Popkultur, mit Tiktok, Influencern und den Milliarden Menschen, die Zuflucht in digitalen Welten suchen. Endlose Chats von Leuten, die als „Dark Angel“ oder „ZOMBB“ ihr Leben nach draußen tragen, rauschen über die Leinwand. Ringlichter, mit denen die Videos auf Instagram schöner ausgeleuchtet werden, entfalten auch auf der Bühne eine verblüffende Wirkung.

So ganz mag die Ära der Antike mit den FAQ (den häufig gestellten Fragen) unserer schnelllebigen Zeit nicht zusammengehen, zumal bei „Underworlds“ vieles wohl ganz gewollt im Nebulösen bleibt. Für pausenlose 90 Minuten übernimmt hier die DR (die „dream reality“) die Regie. Wer sich drauf einlässt, kann sich beherzt berauschen lassen. Großer Jubel.