Bochum. Der neue Pop-up-Radweg auf der Wittener Straße hat das Radfahren sicherer gemacht. Trotzdem ebbt die Kritik an dem Verkehrsversuch nicht ab.

„Jetzt fühle ich mich hier sicherer“, sagt eine Pedelec-Fahrerin auf dem neuen Pop-up-Radweg auf der Wittener Straße zwischen Nordstraße und Lohring. Im Kindersitz hat sie ein Kleinkind auf dem Gepäckträger. Bisher sei sie immer auf dem engen Radstreifen gefahren, der auf dem Gehweg aufgebracht ist. Das sei aber wegen der Enge des Platzes dort gefährlich gewesen. Jedenfalls wenn Fußgänger entgegenkämen.

Gleich hinter ihr rollt ein weiteres Pedelec heran. Auf ihm sitzt ein Mann, der den neuen Radweg gar nicht gut findet. „Wer hat sich das im Rathaus ausgedacht!?“, ärgert er sich. „Der hat bestimmt A 12 und sollte runtergestuft werden.“ (A 12 ist eine höhere Besoldungsgruppe, Anm.d.Red.)

Auch die Straßenbahn 302 wird zeitweise behindert

Der Radfahrer kritisiert der Radweg wegen der Autostaus, die sich seit dem 15. Mai dort regelmäßig bilden. Denn der provisorische Radweg wurde auf der rechten Fahrbahn angelegt, so dass dem Kraftverkehr nun nicht mehr zwei Spuren, sondern nur noch eine Fahrspur zur Verfügung steht. Hinzu kommt die Fußgängerampel in Höhe Nordstraße, die ebenfalls den Verkehrsfluss verlangsamt. Zumindest zeitweise wurde durch den langen Rückstau auch die Straßenbahn 302 blockiert, weil stehende Autos die Weiterfahrt in den Tunnel verhinderten.

  • Hier eine Karte des neuen Pop-up-Radwegs


Angelegt wurde der Radweg nicht als Lückenschluss, denn auf der Wittener Straße in Altenbochum gibt es keinen Radweg. Angelegt wurde er, um eine besonders gefährliche Stelle vor Hausnummer 101 zu entschärfen, wo Radfahrer und Fußgänger an einer Engstelle auf dem Bürgersteig frontal aufeinander treffen. Im August letzten Jahres war ein Radfahrer (14) nach einem Sturz auf die Autofahrbahn fast überrollt worden. „Müssen erst Menschen sterben, bis die Bochumer Beamten diese Gefahr realisieren?“, fragte ein Fahrrad-Aktivist.

FDP Bochum fordert den sofortigen Rückbau des Radweges

Wenig später beschloss der Mobilitätsausschuss den Pop-up-Radweg auf Antrag der rot-grünen Koalition, wenn auch nur als Verkehrsversuch. Falls es dadurch zu große Probleme gibt, wird er wieder entfernt.

Das ist schon jetzt der Wille der FDP. Für die Sitzung des Mobilitätsausschusses am 31. Mai hat sie einen Antrag vorbereitet: „Die Verwaltung wird beauftragt, den Verkehrsversuch auf der Wittener Straße sofort zu beenden und den eingerichteten Pop-Up-Radfahrstreifen zurückzubauen.“

Scharfer Kritiker des Radwegs ist die Fraktion UWG/Freie Bürger. Die Probleme seien entstanden, so Ulli Engelbrecht von der Wählergemeinschaft, „weil eine kleine Aktivistenschar von Radrebellen die ganze Stadt in ihrem Sinne ummodeln will und die regierende Mehrheitsfraktion erfolgreich vor sich hertreibt und sie zu fragwürdigen Beschlüssen animiert“. Und weiter: „Ich bin der Meinung, dass man nicht an jeder Stelle und um jeden Preis und auf Kosten der Allgemeinheit einen ideologisch rundum gut gesicherten Radweg gebaut bekommt.“ Man könne als Radfahrender auch „einfach mal absteigen und das Rad schieben“.

Rückstau auf der Wittener Straße vom Lohring bis zum Freigrafendamm: Das Foto wurde kurz nach Eröffnung des Pop-up-Radweges gemacht.
Rückstau auf der Wittener Straße vom Lohring bis zum Freigrafendamm: Das Foto wurde kurz nach Eröffnung des Pop-up-Radweges gemacht. © WAZ Bochum | Sarah Kähler

Kritik kommt auch von der CDU: „Beim Verkehrsversuch auf der Wittener Straße zeigt sich wieder einmal, dass die rot-grüne Verkehrspolitik in Bochum zu viel Versuch ist – und zu wenig Verkehr ermöglicht“, kommentiert der verkehrspolitische Sprecher der Ratsfraktion, Stefan Jox. „Wir haben die Maßnahme schon im November als Symbolpolitik identifiziert.“ Als Alternative solle die Nord- und Südumfahrung Altenbochums für Radfahrer schnell vorangetrieben werden.

Auch interessant

Die CDU erwartet nun, dass die die Stadtverwaltung am 31. Mai im Ausschusses „ausführlich über das Experiment auf der Wittener Straße berichtet“.

„Fahrrad ist Bestandteil unserer neuen Mobilität, aber kein Allheilmittel im Alleingang“

Kritiker: Nur wenige Radfahrer nutzen den Radweg

Als Argument der Kritiker des Radweges wird auch angeführt, dass relativ wenige Radfahrende den Pop-up-Radweg nutzen. Das hängt aber damit zusammen, dass er kein Lückenschluss ist.

Außerdem wird der erhöhte Abgasausstoß beklagt, der mit den Rückstaus verbunden ist.

Auch IHK-Hauptgeschäftsführer Michael Bergmann äußert sich: „Die Planung der provisorischen Radtrasse scheint, was das Zusammenspiel aller Verkehrsteilnehmer:innen betrifft, nicht bis zum Ende durchdacht.“ Es sei zwar verständlich, dass die Stadt habe reagieren müssen, da das unlängst veröffentlichte Radverkehrskonzept 2023 Bochum noch Nachholbedarf in Sachen Radwegenetz attestiere. „Das Fahrrad ist Bestandteil unserer neuen Mobilität, aber auch kein Allheilmittel im Alleingang.“

Natürlich müsse sich der Autoverkehr auch verändern, aber wegdenken könne man ihn nicht, gleichzeitig müsse der ÖPNV berücksichtigt werden. „Ein Zusammenspiel aller Verkehrsteilnehmer:innen muss im Fokus stehen“, so Bergmann. „Eine gute Erreichbarkeit der Innenstadt mit allen Verkehrsträgern ist eine zwingende Voraussetzung dafür, dass die ortsansässigen Unternehmen am Standort überleben können.“