Bochum. 46 Jahre lang war Ulrike Klimach am Schauspielhaus Bochum beschäftigt. Jetzt geht sie in den Ruhestand – und erinnert sich an wilde Zeiten.
Schrecksekunde beim Einlass im Schauspielhaus Bochum: Plötzlich steht eine Dame im Foyer, sie trägt nicht viel mehr als einen Bademantel und einen Weidenkorb mit Essen und Trinken. „Das war vor vielen Jahren bei einem Konzert der Bochumer Symphoniker“, erinnert sich Ulrike Klimach. „Wir haben uns beim Einlass zwar etwas gewundert, aber die Frau hatte eine gültige Eintrittskarte, also haben wir sie natürlich auch reingelassen.“
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Seit 1977 am Schauspielhaus Bochum beschäftigt
Kurz nach Beginn des Konzerts schaut Klimach nach dem Rechten – und traut ihren Augen nicht: „Die Dame im Bademantel stand plötzlich auf ihrem Sitz, sie dirigierte und sang laut mit. So etwas habe ich noch nie erlebt.“ Weil sich die anderen Zuschauer schon beschwerten, wurde die Frau freundlich aus dem Saal geleitet. „So etwas kommt ganz selten vor, aber es passiert.“
Viele Pläne im Ruhestand
Nach 46 Jahren am Schauspielhaus ist Ulrike Klimach Anfang März in den Ruhestand gegangen. Jetzt plant sie einige schöne Reisen, zu denen sie bislang nicht gekommen ist: „Während der Theaterferien ist ja immer Hauptsaison, und da ist es so teuer“, sagt sie.
Eines ihrer ersten Reiseziele soll die Toskana sein. Daneben möchte sich Ulrike Klimach auch sozial engagieren: „Ich kann gut mit alten Menschen“, sagt sie. „Da würde ich gerne mithelfen, vielleicht in einem Seniorenheim oder bei der Tafel.“
Geschichten wie diese kennt Ulrike Klimach viele. Seit 1977 ist sie am Schauspielhaus beschäftigt, zunächst in der Verwaltung, später am Einlass, danach leitete sie sieben Jahre lang das Vorderhaus. Zuletzt war sie beim Jungen Schauspielhaus aktiv. Sie hat so viele Intendanten erlebt wie kaum eine zweite und ist die wohl dienstälteste Mitarbeiterin des Schauspielhauses. Jetzt ist Zeit zurückzublicken, denn Ulrike Klimach geht in den Ruhestand.
Steckels „Hamlet“ bleibt für sie unerreicht
Als Bürogehilfin begann sie 1975 im Rathaus. Als sie kurz darauf die Gelegenheit bekam, ins „Amt 42“ zu wechseln (unter diesem Namen firmierte früher das städtische Theater), musste sie nicht lange überlegen: „Für mich war das faszinierend, als würde ich in eine andere Welt eintauchen“, erzählt sie. Zusammen mit den vielen illustren Künstlern Tag für Tag in einem Haus zu verbringen, hat sie direkt gepackt: „Die Kollegen im Rathaus meinten immer: ‚Du gehst zu den Verrückten?‘, aber bei denen habe ich mich eben am wohlsten gefühlt.“
Während der Intendanz von Peter Zadek fing sie am Theater an, Claus Peymann und Frank-Patrick Steckel folgten. Steckels „Hamlet“ zum Abschied 1995 mit Martin Feifel in der Titelrolle hält sie bis heute für den wohl größten Theaterabend, den sie jemals gesehen hat. „Die Aufführung habe ich geliebt, obwohl sie sieben Stunden lang war.“ Beim Schlussapplaus nach Ende der letzten Vorstellung kam das gesamte Team auf die Bühne, Ulrike Klimach war mit dabei. „Wir standen da und haben fürchterlich geweint.“
Wilde Zeiten mit Leander Haußmann
Dabei ging die wilde Zeit danach erst los: An die fünfjährige Intendanz von Leander Haußmann erinnert sie sich bis heute mit einem Lächeln. „Wir waren wie eine große Familie“, sagt sie. „Damals habe ich auch meine Freizeit im Theater verbracht. Wir haben zusammen gegessen, getrunken und geraucht.“ Das war im Theater damals noch möglich, neben der alten Kantine gab es einen eigenen Raucherraum.
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Mit der neuen Kantine, die seit wenigen Jahren im Theaterrestaurant Tanas verankert ist, wurde sie nie richtig warm. „Da gucken die Leute immer so von außen rein. Früher in dem dunklen Kabuff war es einfach gemütlicher, auch wenn der Pommesgeruch von dort bis hinauf ins Büro des Intendanten zog, was nicht jedem gefiel.“
Als ein Flummi vom Theaterdach fiel
Zu einigen Schauspielern wie Wolfram Koch hält sie bis heute guten Kontakt. Besonders bedauert sie, dass die alten Schaukästen vor dem Theater inzwischen verschwunden sind: „Die waren während Haußmanns Intendanz grandios gestaltet und ein echter Blickfang. Wenn man 50 Pfennig reinsteckte, kam sogar ein Kaugummi raus oder ein Flummi flog vom Dach. Wunderbare Zeiten!“