Bochum. Bei „Virginia Woolf“ ist erstmals seit langer Zeit eine Premiere im Schauspielhaus ausverkauft. Auch im Theaterrevier bleibt kein Sitz frei.
Ein ereignisreiches Wochenende liegt hinter dem Schauspielhaus Bochum, auf allen Bühnen herrschte Dauerbetrieb. Auf die mit Spannung erwartete Premiere von „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ am Samstagabend folgte tags drauf mit „Der geheimnisvolle Fremde“ die neue Produktion im Theaterrevier. Daneben lud Norbert Lammert am Sonntagvormittag zum interessanten Talk mit Starschauspielerin Lina Beckmann in die Kammerspiele ein.
Auch interessant
Ein Ruck geht durch die Theatergemeinde im Schauspielhaus Bochum
Die beste Nachricht von allen ist: Sämtliche Vorstellungen waren nahezu ausverkauft. Bei „Virginia Woolf“ waren selbst die Plätze oben auf dem Balkon heiß begehrt, kein einziges Ticket war am Ende mehr zu bekommen. Wann hat es das bei einer Premiere im großen Haus zuletzt gegeben? Ende Oktober war bereits „Einfach das Ende der Welt“ rappelvoll, aber das war streng genommen ein Gastspiel aus Zürich.
Spannender Talk mit Lina Beckmann
In der Reihe „Ein Gast. Eine Stunde“ war Lina Beckmann zu Gast in den bestens besuchten Kammerspielen. Die mehrfach preisgekrönte Schauspielerin mit Bochumer Wurzeln ist mittlerweile ein Star am Hamburger Schauspielhaus.
Im Gespräch mit Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert kam sie bodenständig und sympathisch rüber und bot auch einen kurzen Abriss über ihren schillernden Werdegang: vom ersten Engagement bei Matthias Hartmann in Bochum über Zürich und Köln bis weiter ans renommierte Theater in der Hansestadt.
Es scheint gerade ein Ruck durch die Theatergemeinde zu gehen, die nach langer Pandemie-Pause wieder richtig Lust bekommen hat auf ein paar unbeschwerte Stunden im Schauspielhaus. Kaum einer trägt noch Maske: „Viermal geimpft und einmal genesen fühle ich mich mittlerweile recht sicher“, sagt eine ältere Dame. „Man kann ja auch nicht immer nur zu Hause sitzen.“
Virginia Woolf: Klingender Titel in zeitgemäßer Adaption
Der große Erfolg von „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ liegt gewiss auch an dem klingenden Titel. Den legendären Film mit Richard Burton und Elizabeth Taylor kennt nahezu jeder, da ist die Neugierde schon groß, wie der Klassiker wohl in einer zeitgemäßen Adaption wirken mag. Denn: Die Aufführung ist zwar lang und wortreich (weit über zwei Stunden ohne Pause), aber sie ist auch famos gespielt.
Konstantin Bühler und Jele Brückner demolieren als George und Martha genüsslich die Institution Ehe und sorgen nebenbei auch für zarte, berührende Momente. Als junges Pärchen sind Anne Rietmeijer und Victor IJdens weit mehr als ihre Stichwortgeber. Ein sehenswertes, aber forderndes Ensemblestück.
Tanz, Musik und ausgeklügelte Projektionen im Theaterrevier
Ganz andere Töne werden bei „Der geheimnisvolle Fremde“ im Theaterrevier (Zeche Eins) angeschlagen. Das Stück für Jugendliche ab 13 Jahren basiert auf einem nicht allzu bekannten Roman von Mark Twain, den Regisseurin Martina van Boxen in eigener Spielfassung jetzt für eine junge Generation flott gemacht hat.
Auch interessant
Gleich auf mehreren Ebenen ist die Inszenierung interessant: Das etwa einstündige Spiel besticht durch wilde Tanzeinlagen, viel live gespielte Musik und durch ausgeklügelte Projektionen. Der Schauspieler Michael Habelitz illustriert die ganze Geschichte am rechten Bühnenrand, indem er immer wieder neue Zeichnungen auf eine Kamera legt, die dann groß auf eine Leinwand übertragen werden – mit verblüffender Wirkung.
Satan reißt ein ganzes Dorf in den Abgrund
Auf nahezu blanker Platte und ohne Requisiten entführt das Stück in ein mittelalterliches Dorf im hintersten Österreich, wo die Freunde Seppi, Niki und Theo (William Cooper, Lukas von der Lühe und Maria Trautmann) ein unbeschwertes Leben führen. Alles ändert sich, als Satan höchstselbst in ihr Leben tritt. Lea Kallmeier gibt den Beelzebub im eleganten Anzug mit geschmeidigen, katzenhaften Bewegungen. Der Teufel trägt auch diesmal Prada.
Auch interessant
Obwohl Satan offenkundig nur das Beste für die Menschen erreichen will, streut er am Ende doch nur Zweifel, Neid und Unsicherheiten, die das ganze Dorf in den Abgrund zu reißen drohen. Martina van Boxen findet dafür brillante, aber auch bedrückende Bilder. Zur laut scheppernden Musik von Manuel Loos, deren stampfenden Rhythmen nicht selten an die Songs von Depeche Mode erinnern, werden vor allem die Tanzchoreografien zum wichtigen Teil der Handlung. Großer Jubel!
Wieder am 4., 5. und 8. Februar im Theaterrevier (Prinz-Regent-Straße 50-60). Karten: 0234 33 33 55 55.