Bochum. Knappe Rohstoffe, die unter menschenunwürdigen Bedingungen gefördert werden: Eine unkonventionelle Alternative dazu entwickelt die THGA Bochum.

In Zeiten knapper werdender Ressourcen steigen auch die Rohstoffpreise. Da kommt ein neues Forschungsprojekt an der Technischen Hochschule Georg Agricola (THGA) zum idealen Zeitpunkt. Forschende des Projekts „IAW3³“ am Forschungszentrum Nachbergbau wollen bald schon Wertstoffe aus Grubenwasser herauslösen. Der Projektleiter, Professor Christian Melchers, hält es für realistisch, dass bald an verschiedenen Bergwerken an Ruhr, Saar und in Ibbenbüren wertvolle Stoffe aus dem „Abfallstrom“ gewonnen werden – vor allem „kritische Metalle“.

Bochumer THGA-Forschende lösen Wertstoffe aus Grubenwasser

„Je höher die Weltmarktpreise im Bereich der kritischen Rohstoffe sind, desto wirtschaftlicher ist es, mit unseren Anlagen Wertstoffe zu gewinnen“, so der Projektleiter zuständige Vizepräsident an der THGA. Neuere Untersuchungen zeigten, dass im Grubenwasser zum Beispiel Magnesium enthalten ist, das im Motorenbau verwendet wird“, erläutert Projektmitarbeiter Bastian Reker. „Hier ist es in der Vergangenheit bereits zu Lieferengpässen beim chinesischen Marktführer gekommen. Diesen Abhängigkeiten wollen wir bestenfalls entgegenwirken.“

Auch die für den Ausbau erneuerbarer Energien wichtigen seltenen Erden oder das für Elektromobilität entscheidende Lithium finde sich in Grubenwasser. Auch Germanium könne vorkommen. „Das ist ein Nebenprodukt, das sonst nur bei der Zinkgewinnung entsteht und essenziell für die Beschichtung von Glasfaserkabeln und damit für den Netzausbau ist“, so Reker.

Neue Technologien werden getestet

„Die Grubenwässer, die in den ehemaligen Steinkohlerevieren an der Ruhr, der Saar und in Ibbenbüren mit Pumpen aus großen Tiefen gehoben werden, zeigen eine hohe Bandbreite an unterschiedlichen Mineralisationen und Anreicherungen – abhängig von der regionalen Geologie, der Hydrogeologie und weiteren Einflussfaktoren, die der Bergbau hinterlassen hat“, teilt die THGA mit.

Im Projekt IAW3³ testen die drei Wissenschaftler auch ganz neue Aufbereitungstechnologien.

„So könnten hyperspektrale Sensoren dabei helfen, die kritischen Metalle in Grubenwasser und Co. direkt zu detektieren und in Sekundenschnelle ihre mineralogische Zusammensetzung bewerten“, gibt die Hochschule an.

Forschung könne Unabhängigkeit bei der Rohstoffgewinnung schaffen

„Aktuell werden all diese Rohstoffe weltweit unter teils zweifelhaften Umweltstandards gefördert, von denen Mensch und Umwelt gleichermaßen betroffen sind. Das passt einfach nicht mehr zum Zeitgeist und dem gewachsenen ökologischen Bewusstsein in unserer Gesellschaft“, betont Melchers. Daher wolle sein Team „vor der eigenen Haustür nach neuen Möglichkeiten suchen.“

Zunächst bis 2024 wird das Projekt durch die RAG-Stiftung gefördert. „Das neue Forschungsprojekt rund um die Gewinnung strategischer Rohstoffe aus Grubenwasser ist ein hochspannendes und auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Zukunftsfeld“, betont Bärbel Bergerhoff-Wodopia aus dem Vorstand der Stiftung, „Es kann dazu beitragen, Abhängigkeiten in der Rohstoffgewinnung zu verringern. Wie wichtig Unabhängigkeit auf diesem Gebiet sein kann, wird uns dieser Tage besonders vor Augen geführt.“

Mechanische, chemische und thermodynamische Verfahren werden genutzt

Im ersten Schritt wollen die drei Wissenschaftler die Wasserqualität analysieren und geeignete Standorte auswählen. In einem Jahr soll dann der Aufbau der technischen Anlagen abgeschlossen sein, um in den darauffolgenden Monaten das Grubenwasser untersuchen zu können. „Das Besondere an diesem Projekt ist: Wir schauen uns nicht nur das Grubenwasser an, sondern auch die Rückstände aus der Aufbereitung und die Ausfällungsprodukte“, erläutert Melchers. Unter Ausfällung wird das Ausscheiden eines gelösten Stoffes aus einer Lösung bezeichnet. Verschiedene Verfahren – mechanische, chemische und thermodynamische – würden dann genutzt, um die Stoffe herauszulösen. Mann könne beispielsweise den PH-Wert des Wassers verändern, es beispielsweise mit Kalk basischer machen, und so Metalle „ausfällen“.

Nach der Veröffentlichung möglicher Forschungsergebnisse dürfte auch das Interesse privatwirtschaftlicher Unternehmen hoch sein, Wertstoffe aus Grubenwasser zu gewinnen. Neben Start-ups dürfte sich auch die RAG AG, die selbst das Grubenwasser fördert, dafür interessieren, erläutert Melchers. „Sobald das Verfahren wirtschaftlich ist, dürfte der Markt sehr groß sein.“

Sein Ziel ist es, dass das Grubenwasser nicht mehr nur als „Abfallstrom“ sondern mehr als „Wertstoffstrom“ verstanden wird. Ein entsprechendes Umdenken finde jetzt erst statt, so der Projektleiter. Der besondere „Charme“ des Forschungsprojekts: „Alles das, was ich aus dem Wasser heraushole, leite ich nicht in die Flüsse ein.“ Insofern könnte das Forschungsprojekt einen mehrfach positiven grünen Fußabdruck haben.