Bochum. Auf Mark 51/7, dem ehemaligen Opel-Gelände in Bochum, steht ein Bohrturm. Der zapft einen unterirdischen See an. Was hinter dem Projekt steckt.

Tiefe Bohrungen sind in einer Zechenstadt wie Bochum nichts Ungewöhnliches. Früher jedenfalls. Heute ist das anders. Viele Jahrzehnte nachdem der letzte Schacht abgeteuft wurde und schon längst wieder verschlossen ist, frisst sich auf dem Gelände der früheren Zeche Dannenbaum im Stadtteil Laer wieder ein Bohrer durch diverse Schichten weit in die Erde. Aber diesmal geht es nicht um die Jagd nach Kohle, sondern nach Wärme.

Tief unten in der Erde schlummert ein riesiger Grubenwasser-See

Der Kohlebergbau spielt dabei aber eine Rolle. Denn: Um zahlreiche Gebäude im Wissenschafts- und Technologieareal Mark 51/7, dem ehemaligen Zechen- und Opel-Werksgelände, von 2024 an mit Wärme und Kälte versorgen zu können, sind Ingenieure des Fraunhofer-Instituts und der Stadtwerke Bochum dem Grubenwasser der Zeche Dannenbaum auf der Spur. „Wir zapfen das Grubenwasser eines riesigen unterirdischen Sees an“, sagt Frank Peper, Geschäftsführer der Stadtwerke-Tochter FUW.

Auch interessant

Etwa 70 Zentimeter im Durchmesser große ist das Bohrloch an der Erde. Teleskopartig werden die Rohre zusammengefügt. Tief in der Erde hat das Bohrloch nur noch einen Durchmesser von etwa 20 Zentimetern.
Etwa 70 Zentimeter im Durchmesser große ist das Bohrloch an der Erde. Teleskopartig werden die Rohre zusammengefügt. Tief in der Erde hat das Bohrloch nur noch einen Durchmesser von etwa 20 Zentimetern. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Es geht um 500.000 Kubikmeter Grubenwasser; eine Menge, die etwa einem Sechstel des Kemnader Sees entspricht. Dabei wird das Wasser nicht verbraucht, sondern seine Energie genutzt und nach dem Hochpumpen wieder in die Erde zurückbefördert. Der Kreislauf sorgt dann für eine unerschöpfliche Energiezufuhr.

Bohrspezialisten haben Öl- und Gas-Erfahrung

Öko-Strom, so Peper, gebe es schon in beträchtlicher Menge. Öko-Wärme sei dagegen bislang kaum verbreitet. Mit dem Geothermie-Projekt auf Mark 51/7 soll sich das ändern. Mit 2,3 Millionen Euro wird das innovative und technisch anspruchsvolle Projekt von der Europäischen Union gefördert. Und: Wenn es gelingt, eröffnet es großes Potenzial gerade für die Region. Schließlich gibt es überall unter dem Ruhrgebiet Grubenwasser in schier unerschöpflicher Menge.

Auch interessant

Jährlich 3200 Tonnen weniger Treibhausgase

Die Stadtwerke-Tochter FUW und die Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG erkunden gemeinsam die Nutzung von Grubenwasser auf Mark 51/7. Sie haben gemeinsam das Wärme- und Kältekonzept für den Standorts entwickelt.

Das natürliche Energiepotenzial des Grubenwassers wird Prognosen zufolge durch diese optimale energetische Ausnutzung zu mehr als 75 Prozent den Wärme- und Kältebedarf der angeschlossenen Abnehmer decken. Der verbleibende Wärmebedarf wird aus dem Fernwärmenetz der FUW GmbH gedeckt.

Das neue Energiekonzept leistet nach Angaben der Betreiber einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Dank der Nutzung der nachhaltigen und erneuerbaren Energiequelle des Grubenwassers werden klimaschädliche Treibhausgasemissionen (CO2), verglichen mit einer konventionellen Wärme- und Kälteversorgung mit Erdgasbetrieb und elektrischen Kompressionskältemaschinen, in Summe um etwa 3200 Tonnen pro Jahr reduziert.

Windig ist es an diesem Mittwochmorgen am mehr als 40 Meter hohen Bohrturm, den Monteure der MND Drilling aufgebaut haben. Windig und regnerisch, die Gäste stapfen durch den Morast und mögen sich fühlen wie die Goldsucher in Alaska, deren Geschichten seit geraumer Zeit ein auf Männer geeichter Fernsehsender ausstrahlt. Den MND-Spezialisten kann das nichts anhaben. Sie haben Erfahrungen mit Öl- und Gas-Bohrungen, sind spezialisiert auf geothermische Brunnenbohrungen und kennen sich mit widrigen Bedingungen aus. Und da Bochum nicht Alaska ist, geht es trotz des schlechten Wetters ganz ordentlich voran.

30 Grad warm ist das Wasser tief in der Erde

Das Grubenwasser mit den Bohrungen genau zu treffen, „ist ein Kunststück“, sagt Ingenieur Dirk Börnecke vom Fraunhofer Institut für Energieinfrastrukturen (IEG). Einmal ist das auf Mark 51/7 bereits geglückt. Vor einigen Tagen wurde die erste Geothermiebohrung in etwa 340 Meter Tiefe erfolgreich abgeschlossen und ein Stollen auf der vierten Sohle der ehemaligen Zeche Dannenbaum erreicht. Von dort sollte etwa 18 Grad Celsius „kaltes“ Wasser für die Kälteversorgung gefördert werden.

Auch interessant

Ein Übersichtsplan zeigt den Weg der Bohrung. Schächte und Stollen der Zechen im Ruhrgebiet sind gut dokumentiert. Auch in Bochum-Laer. Das hilft den Ingenieuren, den besten Weg für das Bohrgestänge auf dem Weg nach unten zu finden.
Ein Übersichtsplan zeigt den Weg der Bohrung. Schächte und Stollen der Zechen im Ruhrgebiet sind gut dokumentiert. Auch in Bochum-Laer. Das hilft den Ingenieuren, den besten Weg für das Bohrgestänge auf dem Weg nach unten zu finden. © FUNKE Foto Services | Vladimir Wegener

Nun laufen die Arbeiten am zweiten Bohrloch, das 820 Meter tief in die Erde bis auf die achte und tiefste Sohle der ehemaligen Zeche Dannenbaum getrieben wird. Von dort soll etwa 30 Grad Celsius warmes Grubenwasser zutage gefördert, über Wärmepumpen auf 45 Grad Celsius erwärmt und anschließend in das Netz abgegeben werden. Für die Transformation bauen die Stadtwerke im östlichen Bereich von Mark 51/7 eine Energiezentrale.

Gebohrt wird 820 Meter tief schräg in die Erde

Gefördert wird das Grubenwasser über ein Loch, dessen Zugang eher zentral auf dem Gelände des früheren Opel-Werks liegt; nicht weit entfernt von der ehemaligen Verwaltung, dem heutigen O-Werk. „Von hier aus gibt es die besten Bedingungen, die Bohrung an den früheren Stollen vorbei genau an die gewünschte Stelle zu platzieren“, erklärt der verantwortliche Ingenieur.

Auch interessant

170 Meter Tiefe hat der mächtige Bohrer bereits erreicht. Drei Meter pro Stunde geht es momentan voran. Ein eher gemächliches Tempo, so Ingenieur Dirk Börnecke. Denn: Immer wieder müsse der genaue Verlauf ausgerichtet werden. Gebohrt wird nämlich nicht steil nach unten, sondern schräg in Richtung Westen. Der Bohrer wird tief in der Erde einige Hundert Meter entfernt vom Bohrturm sein Ziel erreichen. „In etwa drei Wochen wird das der Fall sein“ sagt FUW-Geschäftsführer Frank Peper.