Bochum. Die Lokalpolitik ist sich in der Debatte ums Straßenparken uneins. Ein Twitterkanal legt Zahlen vor: Diese Auslastung haben Bochums Parkhäuser.
Sollten Autos weiterhin am Straßenrand parken dürfen? In der Bochumer Lokalpolitik ist die Frage des Straßenparkens umstritten. Einst wollten die Bochumer Grünen das sogenannte „Onstreet“-Parken komplett abschaffen. In der Koalition mit der SPD ist die Fraktion von dem Ziel wieder abgerückt. Ob es überhaupt einen Bedarf an Straßenparkplätzen gibt, hat der Twitter-Kanal „VerkehrswatchBo“ analysiert. „Wir wollen, dass das Parken am Straßenrand gar nicht mehr ermöglicht wird“, sagen die Betreiber und legen Zahlen vor.
Bochumer Twitterkanal „VerkehrswatchBo“: Straßenparken gehöre abgeschafft
Donnerstagmorgen, 8 Uhr: „In Bochum werden aktuell 4267 von 5585 Autoparkplätzen in der Innenstadt nicht genutzt“, ist auf Twitter zu lesen. Und: „Das ist eine Flächenverschwendung von 53.337,5 Quadratmetern – circa 0,7 mal die Fläche der Harpener Teiche.“ Tweets wie diese werden auf dem Bochumer Kanal alle paar Stunden automatisch abgesetzt, stets mit der aktuellen Auslastung der Parkhäuser, die die Stadt online zur Verfügung stellt, und einem Flächenvergleich. Daniel Rempe und Marek Nierychlo haben den Twitteraccount erstellt. Sie seien zwar keine Aktivisten, hinter ihrem Twitter-Projekt stehe aber eine klare Botschaft. „Der Parkraum ist vorhanden. Die Fahrzeuge sollten eher in Parkhäusern, als an der Straße abgestellt werden“, betont Nierychlo.
„Ohne Straßenparken gibt es mehr gestaltbaren Raum.“ Es entstünde nicht nur Platz für Rad-Fahrende und den ÖPNV. Auch der Parksuchverkehr könne reduziert werden. „Parkende Fahrzeuge verdecken oft die Sicht auf die Fahrbahn und häufig geschehen Unfälle, wenn ,plötzlich‘ eine Person hinter einem geparkten Fahrzeug auf die Fahrbahn tritt. Das muss nicht sein“, führt der Betreiber von „VerkehrswatchBo“ weiter aus.
Ein öffentlicher Parkplatz koste die Stadt circa 100 Euro an Unterhalt im Jahr
„Wir sind auch der Meinung, dass die Kosten für das eigene Auto komplett vom Besitzer oder der Besitzerin selbst getragen werden muss. Ein öffentlicher Parkplatz kostet die Stadt circa 100 Euro an Unterhalt im Jahr.“ Das Abschaffen der „Onstreet“-Parkplätze für Privatleute lasse außerdem Lieferdiensten, Pflegediensten und Handwerksfirmen mehr Raum.
Ähnliche Forderungen stellt auch die „Radwende Bochum“. „Aus Sicht von Radfahrenden sind Straßenparkplätze ein großes Problem – sicherheitstechnisch und aufgrund des fehlenden Platzes“, sagt Dominik Bald von der Radwende, „Wir wollen das oberirdische Parken daher drastisch reduzieren.“ Leider würden viele Beschäftigte auf der Straße parken, um die Parkhausgebühren zu sparen – beispielsweise an der Castroper Straße.
Wie verzichtbar die Straßenparkplätze im Bochumer Zentrum sind, hängt von der Gesamtzahl und ihrer Auslastung ab. Einen Überblick darüber hat das städtische Tiefbauamt. „Bochum hat ein super Angebot an Parkplätzen aufgrund der vielen Parkhäuser“, sagt Tiefbauamtsleiterin Susanne Düwel. Zwar werde es immer auch Anwohnerparken auf den Straßen geben. Das Parkverhalten von Besucherinnen und Besuchern der Stadt werde künftig allerdings mehr über den Preis gesteuert werden.
Während die Wirtschaftsentwicklung die Nutzung der Parkhäuser im Blick behalte, lasse die Stadt die Straßen-Parkplätze durch Gutachter evaluieren – im Innenstadtbereich und Ehrenfeld, an der Klinikstraße, Bergstraße und künftig auch in Wattenscheid. „Wir verfolgen nicht den Plan, ,Onstreet‘-Parkplätze systematisch abzubauen, scheuen uns aber nicht, das bei einzelnen Projekten zu tun“, so Düwel. Das Parken im öffentlichen Raum sei ein Angebot, es gebe aber keinen Anspruch darauf.
Kommentar: Kein Recht auf einen Straßenparkplatz
Dicht bebaute, für Autos konzipierte Städte tun sich mit der Verkehrswende häufig schwer, so auch Bochum. Um den begrenzten Straßenraum im Zentrum konkurrieren hier Fußgänger, Auto- und Radfahrende sowie Gäste des ÖPNV.
Auch in den politischen Debatten tun sich immer wieder diese Fronten auf. Das ist in der Debatte um Straßenparkplätze gar nicht notwendig. Schließlich sind die Gefahren und weiteren Nachteile des Parkens an der Straße für Autofahrende ebenso offensichtlich wie für Radfahrende. An der Straße geparkte Fahrzeuge versperren nicht nur Kindern, sondern allen Verkehrsteilnehmenden die Sicht auf den Verkehr. Geparkte Autos wärmen die Umgebung auf und verhindern die effektive Nutzung des knappen öffentlichen Raums. In der Innenstadt mit den vielen Parkhäusern sind die meisten Straßenparkplätze verzichtbar, wenn wir Sonderregelungen für Gehbehinderte schaffen. Die Tiefbauamtsleiterin hat völlig recht, wenn sie uns ins Gedächtnis ruft: Es gibt keinen Anspruch auf einen öffentlichen Parkplatz.
Trotz hitziger Debatten ist sich die Lokalpolitik in einem Punkt einig: Es braucht mehr Quartiersparkhäuser. Es wird Zeit, Lösungen wie diese gemeinsam anzupacken.
Grünes Wahlprogramm: „Abseits der Tiefgaragen sollen alle Parkplätze abgeschafft werden.“
Tatsächlich stand im Kommunalwahlprogramm 2020 der Bochumer Grünen: „Bochums Innenstadt innerhalb des Rings soll autoarm gestaltet werden. Abseits der Tiefgaragen sollen alle Parkplätze abgeschafft werden.“ Nach der Wahl findet sich im Koalitionsvertrag mit der SPD dieser Satz nicht mehr wieder. Um allen Verkehrsteilnehmenden ein gefahrenfreies Vorankommen zu ermöglichen, würden die Parteien „wenn notwendig dazu auch Verkehrsflächen“ umverteilen, heißt es da. Die Koalition wolle das „Parkraumbewirtschaftungskonzept“ zügig umsetzen.
Letzteres passiere mittlerweile auch „konsequent“, erklärt Raphael Dittert (Grüne), Vorsitzender des Ausschusses für Mobilität und Infrastruktur. Der Weg von der Autostadt Bochum zu einer Stadt der Zukunft sei aber eine große Herausforderung. Immerhin würden rund 150 „Onstreet“-Parkplätze durch den Radweg-Ausbau am Südring, der Alleestraße und Castroper Straße wegfallen. Zugunsten des zweigleisigen Ausbaus der Straßenbahnstrecke in Gerthe und der Verlängerung nach Cöppencastrop würden zudem Parkplätze auf dem Castroper Hellweg wegfallen. „Für uns hat der fließende Verkehr Vorrang“, betont Dittert. Es sei politisch beschlossen, dass Straßenparkplätze den Ausbau von ÖPNV und Radwegen nicht mehr verhindern werden. „Daran müssen wir die SPD immer wieder erinnern“, sagt Dittert.
Auf Anfrage betont Martina Schnell (SPD), stellvertretende Vorsitzende des Mobilitätsausschusses, die SPD-Fraktion wolle „alle Verkehrsteilnehmenden mit ihren Interessen ernstnehmen und gegeneinander abzuwägen“. „Persönlich glaube ich, dass es gut wäre, Alternativen für das Parken auf der Straße und den Parksuchverkehr gerade in der Innenstadt und den Stadtteilzentren zu finden. Und mehr Platz zu schaffen für Fuß- und Radwege“, so Schnell. „Ich halte es aber für gefährlich, grundsätzlich zu behaupten, man könne alle Parkplätze abschaffen und dafür Radwege bauen.“ Sie plädiert für ein „gutes Mittelmaß“.
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Für die CDU in Bochum ist ein Abbau von Straßenparkplätzen nur denkbar, wenn für die Parkflächen an anderer Stelle ein Ausgleich geschaffen wird. „Insbesondere in dichten Wohngebieten ist Parkraum rar und muss daher erhalten bleiben“, sagt Stefan Jox, verkehrspolitischer Sprecher der CDU. Aufgrund des großen Angebots an Parkhäusern in der Innenstadt könnten dort „in Teilbereichen Parkplätze reduziert werden“, doch auch hier solle man mit den Interessen der Anwohner sensibel umgehen.