Bochum. Lastenräder haben in Bochum Zukunftspotenzial. Hier sprechen drei Menschen aus Bochum, die es fast täglich benutzen. Statt des Autos.

Vier Kisten Mineralwasser vorne, zwei große Bottiche mit Erde, Dünger und Stroh hinten: So und mit vielen anderen Gepäck-Variationen ist Marek Nierychlo aus Bochum-Riemke sehr oft unterwegs. Auf dem Lastenfahrrad mit und ohne Anhänger. Für den Alltagsverkehr sei dieses Ding „perfekt“, sagt der 47-Jährige. Mit einem Auto fahre er „nur noch alle paar Monate“.

Pedelecs, Fahrräder mit Motor, haben sich in Bochum nicht nur längst etabliert, sondern beherrschen inzwischen sogar den Fahrradmarkt. Lastenfahrräder hingegen sind noch in der Minderheit. Sie holen aber deutlich auf.

Jeden Tag 24 Kilometer von Bochum nach Gelsenkirchen und zurück

Nierychlo hat neben dem E-Lastenrad auch ein Trekkingrad und fährt fast jeden Tag mit diesen Zweirädern: zwölf Kilometer nach Herne zu einer Schule, in der er unterrichtet, und zwölf Kilometer zurück. Privat besorgen er und seine Familie ebenfalls fast alles auf dem Sattel: „Wir transportieren jegliche Einkäufe.“ Auch im Winter. Nur bei Gütern ab 100 Kilo wird das Auto benutzt.

Benny Klingbeil aus Bochum-Wattenscheid auf seinem Lastenfahrrad mit Lebensgefährtin Anna-Lena Schmidt und Mischlingsrüde Pol.
Benny Klingbeil aus Bochum-Wattenscheid auf seinem Lastenfahrrad mit Lebensgefährtin Anna-Lena Schmidt und Mischlingsrüde Pol. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Auch seine Kinder (12, 15) fahren mit dem Rad zur Schule. Nur noch seine Ehefrau nutzt ein Auto, weil es unverzichtbar ist. Sie arbeitet in Langendreer und hat manchmal auch Rufbereitschaft. „Von Riemke nach Langendreer gibt es keine sicheren Radwege, um zügig ans Ziel zu kommen“, sagt der 47-Jährige.

Durch Verzicht aufs Auto werden im Monat 300 Euro gespart

Durch den Verzicht auf ein eigenes Auto spart Nierychlo jeden Monat rund 300 Euro. „Für mich ist das eine Gehaltserhöhung.“ Reparaturen erledigt er selbst. Außerdem geht es ihm um Umweltschutz: „Wir können ruhigen Gewissens sagen: Ich habe etwas für die Zukunft getan, ich rede nicht nur.“

Ein weiterer Vorteil: Er braucht nicht mehr extra Sport zu treiben, um fit zu bleiben. Ebenfalls praktisch: Getränke und Pflanzen kann er direkt an die Pforte seines Schrebergartens transportieren; mit einem Auto ginge das nicht.

Mit Lastenrad und Hund zum Arbeitsplatz von Bochum nach Essen

Lastenräder kann man auch ausleihen

In Bochum gibt es mehrere Stellen, an denen man Lastenfahrräder ausleihen kann.

Zum Beispiel beim Wohnungsunternehmen VBW und bei „BoseLa“ („Bochum seine Lastenräder“).

Eine Alternative zum Lastenrad ist ein Anhänger wie ihn der Bochumer Radfahrer Carsten Kringe hat: ein leichter Anhänger, deren einarmige Deichsel einfach an der Hinterachse befestigt wird. Einige Anhänger sind auch faltbar und deshalb gut zu verstauen.

Der 34-jährige Benny Klingbeil aus Wattenscheid hat sein Auto vor fast zwei Jahren sogar ganz abgeschafft. Der Diplom-Kaufmann für Marketing fährt nur noch Lastenrad und Mountainbike. Mit dem hochwertigen E-Lastenrad , das er über seine Firma finanziert hat, fährt er auch 15 Kilometer zur Arbeit nach Essen – und vorne sitzt sein mittelgroßer Hund. Fünf Kilometer weit macht er einen Umweg. Ist sicherer und ruhiger. Zur Not nimmt er auch einen Anzug als Gepäck mit, wenn dieser dienstlich gebraucht wird.

Wesentlicher Grund für seinen Umstieg von vier auf zwei Räder waren die Kosten, die ein Auto verschlingt, obwohl es zuletzt bei ihm nur rumstand. Klingbeil spricht bei dem Fahrzeug von einem „Stehzeug“. Und das Angebot für „Car-Sharing“ (Autos mieten) sei in Bochum eher schlecht.

Sogar in den Urlaub fährt Klingbeil mit dem Lastenrad, an die holländische Küste. Mit dabei: sein Hund. Alles, was er wirklich braucht, passt auf die Ladefläche.

Ab einer Strecke von 100 Kilometern wird ein Auto geliehen

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Ganz ohne Auto kommt aber auch er nicht aus, etwa bei Strecken über 100 Kilometer. Dann leiht er sich eines im Bekanntenkreis. Klingbeil: „Wenn wir alle auf Lastenräder umsteigen würden, hätten wir ein Problem.“

Mitunter fährt auch seine Lebenspartnerin auf der Ladefläche mit, obwohl es sehr eng ist. Seiner Mutter kann er so etwas nicht zumuten. Für sie überlegt er später den Kauf einer Rikscha.

„Lastenrad bestellt, Auto verkauft“: So hieß es auch bei der Bochumerin Silke Leenders, die schon immer gerne Rad gefahren ist. Der Umstieg sei „ganz simpel“ gewesen. „Immer mehr gestaltete ich meinen Arbeitsalltag mit dem Rad. Ich arbeite bei der Diakonie, betreue erwachsene geistig behinderte Menschen, die in ihren eigenen Wohnungen leben, in ganz Bochum verstreut. Irgendwann stellte ich fest, dass das Auto eh steht. Dann entstand die Idee mit dem Lastenrad.“

Bochumerin findet das Lastenrad „unkompliziert“

Alternative zum Lastenfahrrad: Carsten Krinke aus Bochum nutzt einen leichten Anhänger für seine Alltagstransporte.
Alternative zum Lastenfahrrad: Carsten Krinke aus Bochum nutzt einen leichten Anhänger für seine Alltagstransporte. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Auch sie nutzt es zum Einkauf und manchmal auch für Ausflüge, weil sie es „bequem beladen“ kann. Manchmal bringt sie damit auch Dinge zum USB.

„Es ist unkompliziert, ich kann es überall abstellen. Ich habe den Wechsel nicht bereut.“

Die Bochumerin fährt das ganze Jahr. Bei jedem Wetter, auch bei schlechtem: „Regenkleidung, feddich...“