Bochum. Der Wohnungsbau in Bochum boomt. Die Zahl der Baugenehmigungen in 2022 ist bislang rekordverdächtig. Sozialwohnungen indes bleiben Mangelware.
„Der Wohnungsbau in Bochum boomt.“ Lange hat die Stadt Bochum auf diese Schlagzeile gewartet. Die Zahl der Baugenehmigungen im ersten Halbjahr 2022 hat laut Verwaltung einen Höchststand erreicht: Beantragt und genehmigt wurden mehr als 750 Wohneinheiten, darunter 550 im Neubau. 117 Wohnungen werden öffentlich gefördert.
Stadt Bochum genehmigt so viele Neubauten wie nie
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„Genehmigt ist aber noch nicht gebaut“, ordnet Markus Bradtke den Rekord realistisch ein. Dennoch ist die Nachricht vom Bochumer Bau-Boom dem Stadtbaurat nicht nur eine Pressemitteilung wert, sondern auch einen Vor-Ort-Termin bei fast 30 Grad im Schatten.
10 bis 20 Prozent der genehmigten Wohnungen, so schätzt Bradtke, „werden nicht oder nicht sofort gebaut“. Für die Baustelle an der Rüsingstraße im Stadtteil Werne, die als Hintergrund-Kulisse für die freudige Nachricht auserkoren wurde, gilt das nicht. Hier entstehen bis zum Sommer 2024 auf dem Gelände einer ehemaligen Grundschule drei Mehrfamilienhäuser mit 55 Wohnungen – davon 27 öffentlich gefördert – und eine Kindertagesstätte (mehr dazu in Kürze an anderer Stelle).
Für Bradtke ist dieses Projekt ein gutes Beispiel für die städtische Strategie. Von den 550 Wohnungen, die neu gebaut werden sollen, entstehen rund 430 auf Grundstücken, die zuvor bereits genutzt wurden. Man sei an vielen Stellen „relativ kleinteilig unterwegs, weil wir behutsam mit unseren Flächen umgehen“, so Bradtke.
Zehn Jahre Stillstand im Wohnungsbau scheinen überwunden
Nicht nur große Baugebiete wie beispielsweise der Ostpark in Altenbochum sollen die Wohnungsnot in Bochum beseitigen helfen, sondern auch Einfamilienhäuser in Baulücken, kleinere Quartiersentwicklungen wie die in Werne oder Aufstockungen und Dachausbauten. 800 neue Wohneinheiten pro Jahr sind das Ziel, davon 200 im sozialen Wohnungsbau.
„Als ich 2015 nach Bochum kam, wurden 60 Wohneinheiten pro Jahr neu gebaut“, so Bradtke. „In Bochum gab es keinen angemessenen Wohnraum , so dass viele Bürger in die umliegenden Städte abwanderten.“ Mit dem Handlungskonzept Wohnen von Ende 2017 sei die Kehrtwende gelungen.
Nichtsdestotrotz leidet die Stadt bis heute unter dem 2008 von SPD und Grünen beschlossenen Wohnbaulandkonzept, das fast zehn Jahre lang zu einem Stillstand im Wohnungsbau führte. Hinzu kommt ein gravierender Verlust an Sozialwohnungen. Etwas mehr als 12.000 gibt es in Bochum nur noch; es waren mal knapp viermal so viel.
Mieterverein fordert „starken kommunalen Wohnungsbau“
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„100.000 Haushalte haben einen Anspruch“, sagt Michael Wenzel. „Das soziale Wohnungsbauprogramm der Stadt ist krachend gescheitert.“ In diesem Zusammenhang lobt der Geschäftsführer des Mietervereins sogar die viel gescholtene Stadttochter VBW Bauen und Wohnen. „Außer der VBW will doch niemand mehr Sozialwohnungen bauen.“
Der Mieterverein plädiert für „einen starken kommunalen Wohnungsbau“ und fordert, dass die VBW ihre Gewinne in den Bestand investiert. Anstatt jährlich drei Millionen Euro in den städtischen Haushalt zu stecken, könnten bis zu 15 Millionen Euro zusätzlich in den Bestand fließen, rechnet Wenzel. „Dass die VBW das kann, zeigt sie an vielen Stellen mustergültig. Sie denkt in Quartieren und nimmt Rücksicht auf die Bewohnerstrukturen. Es ist halt nur zu wenig.“
CDU: Mehr Flächen für Ein- und Zweifamilienhäuser ausweisen
„Wohnungsbau in Bochum darf sich nicht nur auf den Geschoss-Wohnungsbau beschränken“, mahnt indes CDU-Fraktionsvize Roland Mitschke. „Wir benötigen auch Bauland für Menschen, die sich Ein- oder Zweifamilienhäuser leisten können.“ Insbesondere neuen Arbeitskräften, wie sie beispielsweise auf dem ehemaligen Opel-Gelände benötigt würden, müsste die Stadt ein Angebot unterbreiten können. Die CDU sei sehr gespannt auf die Fortschreibung des Handlungskonzepts Wohnen, die im Herbst präsentiert werden solle.
Stadtbaurat Markus Bradtke indes sieht sich auf dem richtigen Weg. „Die Genehmigungen zeigen, dass sich Bochum hin zu einer kompakten, nutzungsgemischten und nachhaltigen Stadt der kurzen Wege entwickelt.“ Mit Blick auf die weltpolitische Lage erwartet er für 2022 aber durchaus noch ambivalente Entwicklungen. Zum einen könnten sich Investoren zurückziehen, zum anderen aber werde es bei vielen potenziellen Bauherren eine Art „Torschlusspanik“ geben. Das wiederum würde den Bochumer Bau-Boom 2022 weiter ankurbeln.