Bochum. Erstmals in der über 100-jährigen Geschichte wird das Museum Bochum von drei Frauen geleitet. Jetzt sind die beiden Stellvertreterinnen an Bord.

Im Kunstmuseum Bochum ist gerade einiges in Bewegung – vor allem das Personalkarussell dreht sich kräftig. Nachdem Noor Mertens vor einem Jahr den Posten der Museums-Chefin übernahm, ist Ende letzten Monats der langjährige Vize Sepp Hiekisch-Picard aus Altersgründen ausgeschieden. Für ihn sind seit Juli gleich zwei neue Kuratorinnen angetreten: Eva Busch und Julia Lerch Zajaczkowska teilen sich fortan als Duo den Job der stellvertretenden Direktion.

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Neues Leitungsteam des Kunstmuseums Bochum ist komplett

Damit liegt die Leitung des Kunstmuseums erstmals in seiner über 100-jährigen Geschichte komplett in Frauenhand. Mit jeweils etwa Mitte 30 ist das neue Leitungstrio zudem recht jung. Generationenwechsel und Zeitenwende gehen in dem ehrwürdigen Haus am Eingang zum Stadtpark dieser Tage also Hand in Hand.

„Das Raunen der Sammlung“ noch bis 14. August

Noch bis 14. August ist im Kunstmuseum (Kortumstraße 147) der zweite Teil der Sammelschau „Das Raunen der Sammlung“ zu sehen, in der Zeichnungen und Grafiken aus der eigenen Sammlung gezeigt werden.

Die Ausstellung „Von den Vorfahren geleckt“ endet am 17. Juli. Öffentliche Führungen gibt es an jedem Sonntag um 15 Uhr sowie am ersten Mittwoch des Monats um 17.30 Uhr (wieder 3. August). Alle Infos: kunstmuseumbochum.de

Interessant dabei: Sowohl Eva Busch (33) als auch Julia Lerch Zajaczkowska (37) haben gar nicht unbedingt die klassische Karriere an größeren Museen hinter sich. So baute Lerch Zajaczkowska etwa das experimentelle Festivalformat „Hallo Festspiele“ in Hamburg mit auf und entwickelte die Sonderausstellung „Mobile Welten“ am Museum für Kunst und Gewerbe ebenfalls in der Hansestadt. „Ich hatte eigentlich gar nicht vor, ins Ruhrgebiet zu ziehen. Aber jetzt bin ich sehr froh über diesen Neuanfang“, sagt sie.

Mitbegründerin des Atelier Automatique

Eva Busch hingegen wohnt seit sieben Jahren in Bochum und studierte Kunstwissenschaften an der Folkwang-Uni. Bekannt wurde sie als eine der Mitbegründerinnen des Atelier Automatique an der Rottstraße, das in der freien Kunst- und Kulturszene weit über Bochum hinaus einiges Ansehen genießt. Hier realisierte sie in den vergangenen Jahren zahlreiche ambitionierte Projekte, darunter Begegnungsräume und Nachbarschaftsgespräche. „Unsere Idee, künftig auch die freie Szene in eine städtische Institution wie das Kunstmuseum mit einzubinden und offen zu sein für Neues, hat bei unserer Bewerbung wohl Eindruck gemacht“, sagt Eva Busch.

Die niederländische Kunsthistorikerin Noor Mertens leitet das Kunstmuseum Bochum seit einem Jahr.
Die niederländische Kunsthistorikerin Noor Mertens leitet das Kunstmuseum Bochum seit einem Jahr. © FUNKE Foto Services | Jakob Studnar

Erst wenige Tage im Amt, sind beide gerade dabei, sich in die Geschichte und die Strukturen des Hauses einzuarbeiten. Vor allem die eigene Sammlung, die bekanntlich nur zu kleinen Teilen in der renovierten Villa Marckhoff-Rosenstein gezeigt wird, hat es ihnen immens angetan. „Es ist eine riesige Aufgabe, die Sammlung überhaupt zu sichten und zu verstehen, weil sie viel erzählt über das Haus und die Menschen, die es geprägt haben“, meint Julia Lerch Zajaczkowska. „Wir wollen unbedingt wissen, was da noch alles in den Kisten und Archiven schlummert.“

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Das Museum als Ort für alle Bürger

Daneben beschäftigen sich beide mit grundlegenden Fragen zur zukünftigen Ausrichtung des Kunstmuseums, die auch schon ihre Vorgänger umgetrieben haben. Etwa: Wie kann das Museums stärker als bislang ein Ort für alle Bürger werden? „Die Stadt noch weiter in das Haus zu holen, ist absolut notwendig“, sagt Eva Busch. „Schließlich wird unsere Arbeit mit Steuergeldern mitfinanziert. Doch trotz aller Bemühungen ist es meist ein recht elitärer Kreis, der sich hier trifft.“

Hier gelte es, weiter zu denken als bislang: Lesungen und Konzerte könnten statt nur im Forum und auf der Dachterrasse eigentlich überall im Haus stattfinden, meint Lerch Zajaczkowska. „Vor allem sollten wir mehr Raum geben für unkonventionelle Geschichten.“

In der aktuellen Ausstellung „Das Raunen der Sammlung“ sind Zeichnungen und Grafiken aus dem eigenen Besitz zu sehen.
In der aktuellen Ausstellung „Das Raunen der Sammlung“ sind Zeichnungen und Grafiken aus dem eigenen Besitz zu sehen. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Auch am starren Konstrukt des Ausstellungsbetriebes könne gerüttelt werden. Statt eine Werkschau nach der nächsten zeitlich brav voneinander getrennt abzufahren, plädieren beide für mehr Mut zu Experimenten: „Vielleicht ändern sich Ausstellungen mal im laufenden Betrieb oder es gibt schnellere Wechsel. Da würden wir gern auch mit anderen Akteuren in NRW zusammenarbeiten“, sagt Eva Busch.

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Ideen für ein Museum der Zukunft

Ideen für ein „Museum der Zukunft“ gibt es viele: etwa die Öffnungszeiten bis in die Abendstunden hinein zu verlängern, um das Haus zu einem Ort der Begegnung zu machen. „Hier sollen sich Menschen begegnen, die sich sonst nicht treffen würden“, meint Julia Lerch Zajaczkowska und erinnert an eine Rede des früheren Direktors Peter Spielmann, der das Kunstmuseum von 1972 bis 1997 leitete. „Er sprach damals von einem ‚Haus mit Werkstattcharakter‘, was sich auch in der besonderen Architektur widerspiegelt. Das hat mir gut gefallen.“