Bochum. Frauen und Ausländer kommen bei der Förderung von Langzeitarbeitslosen zu kurz, so die AG Wohlfahrtspflege Bochum. Was sagt das Jobcenter dazu?
Mehr als 7000 Bochumerinnen und Bochumer sind langzeitarbeitslos; das sind fast 45 Prozent aller Menschen in der Stadt ohne Job. Viel zu wenige von ihnen kommen nach Auffassung der Arbeitsgemeinschaft Wohlfahrt in Bochum aber die Chance, von der über fünf Jahre geförderten Beschäftigung nach Paragraf 16i des Sozialgesetzbuches zu profitieren. Dabei trägt das Jobcenter 100 Prozent der Lohnkosten im ersten und immer noch 70 Prozent im fünften Jahr. „Vor allem bei Frauen und Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit besteht Luft nach oben“, sagt AG-Sprecher Marc Schaaf.
Förderung von Langzeitarbeitslosen: AG Wohlfahrt fordert bessere Umsetzung
Unternehmen, die vom Jobcenter zugewiesene Langzeitarbeitslose in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis einstellen, profitieren durch die Lohnkostenübernahme von der 16i-Förderung enorm. Die Arbeitslosen haben die Chance, nach langer Zeit wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. „Eigentlich ein gutes Instrument, von dem beide Seiten profitieren. Aber es hakt in der Umsetzung“, so Schaaf.
Auch interessant
Die Wohlfahrtsverbände beklagen nicht nur, dass erst Personen von dem Programm profitieren können, die seit mindestens fünf Jahren ohne Job sind und Leistungen beziehen. Sie sind überzeugt: „Es ist gesellschaftlich sinnvoller und volkswirtschaftlich auch günstiger, die Förderung viel früher einzusetzen, damit über Jahre verfestigte Arbeits- und Hoffnungslosigkeit erst gar nicht entsteht.“
Frauen und Ausländer sind in der Förderung unterrepräsentiert
Auch sei die Förderung nicht ausgewogen. Laut Statistik der Bundesarbeitsagentur profitieren vor allem deutsche Männer von dem Instrument. Mehr als die Hälfte der Langzeitarbeitslosen in NRW seien jedoch Frauen (52,4 Prozent). Nach 16i gefördert werden aber nur 36,7 Prozent.
Auch interessant
Noch eklatanter ist der Unterschied bei Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Ihr Anteil unter den Leistungsbeziehenden liegt in NRW bei 42 Prozent, nach 16 i gefördert werden nur 15,7 Prozent. „Es gibt Nachbesserungsbedarf“, so AG-Sprecher Marc Schaaf. „Ein Förderprogramm mit so viel Potenzial muss alle Menschen mitnehmen, unabhängig von Geschlecht oder Herkunft.“
956 Personen in Bochum werden bislang nach Paragraf 16i SGB gefördert
Die Kritik ist aus Sicht des Jobcenters Bochum so nicht berechtigt. „Für uns ist das ein gutes und erfolgreiches Instrument“, sagt Sprecher Johannes Rohleder. Seit Beginn 2019 haben bislang 956 Frauen und Männer in der Stadt eine über 16i finanzierte Beschäftigung für mindestens fünf Jahre begonnen. Nach jahrelanger Arbeitslosigkeit haben sie zurück in den ersten Arbeitsmarkt gefunden. Im laufenden Haushalt des Jobcenters stehen Mittel für 180 weitere Stellen bereit.
Auch interessant
Der Frauenanteil liegt in Bochum über dem NRW-Schnitt. Er liegt für die Zeit von März 2021 bis Februar 2022 bei 39 Prozent und wird nach Einschätzung des Jobcenters in diesem Jahr steigen. Dass der Wert unter dem des Anteils der Frauen an allen Langzeitarbeitlosen liegt, sei darin begründet, dass in den ersten Jahren vor allem Jobs in klassischen Männerbereichen angeboten wurden. „Wir achten beim Matching jetzt noch stärker darauf und werben auch bei den Unternehmen dafür, mehr Jobs für Frauen anzubieten“, so der Sprecher.
16i-Förderung kommt es nach mindestens fünfjähriger Arbeitslosigkeit in Frage
Auch bei den Ausländern wachse der Anteil, der mit 24,4 Prozent in Bochum schon jetzt über dem NRW-Durchschnitt liege. Dass Missverhältnis resultiere in diesem Fall vor allem daher, dass viele arbeitslose Leistungsempfänger erst 2016/17 nach Deutschland gekommen sind und noch gar nicht von dem 16i-Programm profitieren können. Denn: Das setze voraus, dass sie mindestens fünf Jahre arbeitslos sind.
AG Wohlfahrt ist eine starke Stimme
Zur Arbeitsgemeinschaft Wohlfahrt gehören: die AWO (Unterbezirk Ruhr-Mitte), der Caritasverband für Bochum und Wattenscheid, das Deutsche Rote Kreuz (Kreisverband Bochum), Der Paritätische (Kreisgruppe Bochum), die Innere Mission - Diakonisches Werk, das Diakoniewerk Gelsenkirchen und Wattenscheid und die Jüdische Gemeinde (Bochum, Herne, Hattingen).
Damit ist die AG Wohlfahrt eine starke Stimme von rund 8780 hauptamtlich Mitarbeitenden, die in den unterschiedlichsten sozialen Bereichen vor Ort tätig sind. Hinzu kommen rund 2840 ehrenamtlich Helfende, die die Verbände zusätzlich unterstützen
Die Kritik der AG Wohlfahrtspflege, die Förderung müsse schon früher einsetze, sei grundsätzlich richtig. Aber dafür gebe es andere Fördermöglichkeiten – so etwa zweijährige Maßnahmen, bei denen im ersten die Lohnkosten zu 100 Prozent und im zweiten Jahr zu 50 Prozent übernehmen werden. Rohleder: „Auch Menschen, die schon länger ohne Job sind, haben eine Chance auf dem Arbeitsmarkt verdient.“
Auch interessant
Personen mit langer Arbeitslosigkeit haben es besonders schwer
Und die wäre, gäbe es die Zugangsbeschränkung für 16i-Förderung nicht, im Vergleich zu anderen Langzeitarbeitslosen geringer. „Arbeitgeber, die jemanden einstellen können, der zwei Jahre oder fünf Jahre ohne Arbeit ist, entscheidet sich in der Regel für denjenigen mit der kürzen Arbeitslosenzeit“; so der Jobcenter-Sprecher. „Wir nennen das Creaming, die Sahne abschöpfen.“
Wie viele unter den 7265 Langzeitarbeitslosen in Bochum (Stand Mai) genau mehr als fünf Jahre am Stück nicht mehr einen Job hatte, weiß das Jobcenter nicht exakt. Bei Beginn der Förderung 2019 kamen etwa 1000 Frauen und Männer grundsätzlich dafür in Frage.