Bochum. 250.000 Kunden der Stadtwerke Bochum müssen sich auf massive Gas- und Strompreisanstieg einstellen. Was bedeutet das in Euro und Cent?
Die 250.000 Gas- und Stromkunden der Stadtwerke Bochum müssen sich auf zum Teil massive Preiserhöhungen einstellen. Im vierten Quartal dieses Jahres wird der Energieversorger den Gaspreis um bis zu 50 Prozent anheben.
Kunden müssen zwischen 300 und 390 Euro jährlich mehr bezahlen
Kunden etwa mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 7500 Kilowattstunden, die jetzt im Jahr 775,75 Euro bezahlen, müssten dann zwischen 300 und 390 Euro jährlich bzw. zwischen 25 und 34 Euro monatlich mehr bezahlen. Der neue Tarif wird voraussichtlich für Bestandskunden und Neukunden gleichermaßen gelten.
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Strom wird voraussichtlich Anfang 2023 teurer
„Wir gehen davon aus, dass wir im Mittelfeld der Preisanpassungen liegen werden und unsere Preise auch nach der Anpassung eher am unteren Ende der vergleichbaren Grundversorgungstarife liegen werden“ sagt der für den Vertrieb zuständige Stadtwerke-Geschäftsführer Frank Thiel. Der Gelsenkirchener Energieversorger Emscher Lippe Energie (Ele) hatte vor einigen Tagen eine Verdopplung des Gaspreises angekündigt.
Auch der Strompreis wird spätestens Anfang 2023 nach oben angepasst, so Thiel bei der Vorstellung der Geschäftszahlen für 2021. „Allerdings nicht in der gleichen Dimension, wie es beim Gas der Fall ist“, versichert er. Außerdem würden die Stadtwerke vom 1. Juli an die Aufhebung der EEG-Umlage in Höhe von 3,72 Cent je Kilowattstunde an die Kunden weitergeben. Vorerst konstant bleib der Wasserpreis.
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Beschaffungspreis für Gas ist auf das Sechsfache gestiegen
Die Ursache für eine Marktsituation, „die wir uns dieser Dimension nicht haben vorstellen können“, so der Geschäftsführer, seien die extremen Anstiege der Beschaffungspreise. Gas koste auf dem Weltmarkt 126 Euro je Megawattstunde statt wie noch vor ein paar Monaten 20 Euro und sei damit derzeit sechsmal so teuer. Der Strompreis sei von 50 Euro je Megawattstunde auf 250 Euro nach oben geschnellt – eine Verfünffachung. Die Stadtwerke hatten bereits vor geraumer Zeit ihren Kunden geraten, ihre monatliche Abschlagszahlung zu erhöhen, damit die drohende Nachzahlung nach der Jahresabrechnung nicht zu extrem ausfällt.
Stadtwerke rechnen künftig mit sinkenden Gewinnen
Gelsenwasser bleibt Überschusslieferant Nummer eins
Mehr als die Hälfte des Jahresgewinns in Höhe von 68,8 Millionen Euro haben die Stadtwerke mit ihren Beteiligungen erwirtschaftet, nämlich 38,6 Millionen Euro.
Am einträglichsten ist weiterhin der 50-prozentige Anteil am Energieversorger Gelsenwasser. 31,5 Millionen Euro fließen aus dessen Überschuss an die Stadtwerke Bochum. Gewinne erzielten auch: VBW (2,1 Millionen Euro), Fernwärmeversorgung Universitäts-Wohnstadt Bochum (1,7 Millionen Euro), USB (1,3 Millionen Euro), Trianel (0,7 Millionen Euro) und Telekommunikation Mittleres Ruhrgebiet (0,6 Millionen Euro).
Trotz der „herausfordernden Situation“, wie Dietmar Spohn, der Sprecher der Stadtwerke-Geschäftsführung, die aktuelle Lage auf dem Energiemarkt nennt, will die städtische Tochtergesellschaft auch in diesem Jahr ihre Ausschüttungsvereinbarung mit der Stadt einhalten. 57,5 Millionen Euro sollen für 2022 an die Holding für Versorgung und Verkehr Bochum (HVV) fließen. Geld, das u.a. dazu verwendet wird, um die strukturell bedingten Defizite im öffentlichen Nahverkehr der Bogestra auszugleichen.
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Allerdings muss sich die Stadt auf sinkende Beiträge ihrer ertragreichsten Tochtergesellschaft einstellen, die in diesem Jahr insgesamt einen Gewinn von 66,2 Millionen Euro vor Gewinnabführung erzielen möchte. „Mittelfristig wird mit einem rückläufigen Ergebnis vor Gewinnabführung geplant“, heißt es im Lagebericht der Stadtwerke Bochum Holding GmbH.
56,2 Millionen Euro Ausschüttung an die Stadt Bochum für 2021
Im vergangenen Jahr haben die Stadtwerke insgesamt einen Überschuss von 68,6 Millionen Euro erzielt. 56,2 Millionen Euro fließen in die HVV; 12,4 Millionen in die Gewinnrücklage, um Investitionen wie etwa in den Glasfaserausbau zu finanzieren. „Trotz der Corona-Pandemie und der massiven Verwerfungen auf den Energiemärkten haben wir unsere Unternehmensziele erreicht“, so Spohn. Geringere Ergebnisse im Vertrieb habe das Unternehmen durch gute Ergebnisse in der Erzeugung und im Netzbetrieb ausgeglichen. Und: Während bundesweit etliche Stadtwerke in finanzielle Schieflage geraten seien, profitierten die Stadtwerke Bochum von ihrem breit angelegten Geschäftsmodell: angefangen vom klassischen Energiegeschäft über Dienstleistungen auf dem Energiesektor bis zum Betrieb eines eigenen Telekommunikationsnetzes.
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Mehr als eine halbe Milliarde Euro in erneuerbare Energien investiert
Nicht zum ersten Mal hat Frank Thiel im Rahmen der Bilanzpressekonferenz indes betont, dass das klassische Geschäft der Stadtwerke keine Zukunft hat; das gelte vor allem für den Gasvertrieb. Investieren werden die Stadtwerke daher in die Geschäfte von morgen. Dietmar Spohn kündigt an, es würden weitere 130 Millionen Euro und damit insgesamt mehr als eine halbe Milliarde Euro in den Ausbau der erneuerbaren Energien gesteckt.
Eine Ausrichtung, die Neukunden mittlerweile automatisch betrifft. Denn: seit dem 1. März beliefern die Stadtwerke neue Kunden nur noch mit Ökostrom aus Wasserkraft. Seitdem ist die Zahl der Ökostrom-Kunden um 1600 auf etwa 37.000 gestiegen.
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Aufträge für regionale Unternehmen in Höhe von 97 Millionen Euro
Ebenso wie global trage das Unternehmen vor Ort große Verantwortung, so der Sprecher der Geschäftsführung. „Unser oberstes Ziel ist es, die Gasversorgung für die Privathaushalte in Bochum zu sichern.“ Und: Vom Erfolg des Energieversorgers profitierten Stadt und Region. Neben der Gewinnausschüttung fließt aus der Konzessionsabgabe 22,6 Millionen Euro an die Stadt Bochum. 97 Millionen Euro wurden allein im vergangenen Jahr über Investitionen und Aufwendungen für Instandhaltung und Wartung an Firmen in der Region vergeben.