Bochum-Ehrenfeld. Kinder hatten in einem Friseursalon im Bochumer Ehrenfeld das Sagen. Mutige Erwachsene konnten sich frisieren lassen. Was dahintersteckt.

"Am besten kann ich Strähnchen schneiden", sagt Leon (10). Er überlegt noch einmal. "Nein, Spitzen schneiden meine ich! So heißt das doch, oder?", fragt er. Ganz egal - am vergangenen Wochenende hatten sowieso die Kinder das Sagen.

Terminvergabe und Rezeption, Typ-Beratung und kämmen, Haare schneiden und frisieren - alles in ihrer Hand. Für das Projekt im Rahmen des "Westwind"-Festivals war eigens ein Friseursalon im Ehrenfeld angemietet worden.

Bochumer Kunden müssen mutig sein

"Ich bin bei meinen Haaren schmerzfrei", sagt Robin Plenio, der gerade auf dem Friseurstuhl sitzt. Darum, die Seiten zu kürzen, hat er Amir, Chris und Felix gebeten. "Wir haben Haare schneiden vorher in einem Workshop geübt", erzählen die Jungen, die alle die Hans-Christian-Andersen Grundschule in Bochum-Gerthe besuchen.

Das viertägige Üben hat allerdings an Puppenköpfen stattgefunden - ein Friseurmeister ist schließlich noch nicht vom Himmel gefallen. "Ein bisschen nervös war ich schon, aber jetzt macht es echt Spaß", sagt Amir. Und Chris ergänzt: "Man kann seiner Kreativität freien Lauf lassen." Gut, dass das ihr Kunde nicht gehört hat.

Erwachsene sind zufrieden

Am Ende ist der aber ganz zufrieden: "Ich habe schon deutlich schlechter frisierte Menschen gesehen", sagt er. Man müsse Kindern mehr zutrauen. Am Nachbarstuhl machen sich gerade Samira, Giulia und Vanessa im Team an die Frisur von Leonie Böhmer. Ihr Pony sollen kürzer werden. "Die Kinder haben das geübt, die können das", sagt Böhmer zuversichtlich.

Ein bisschen assistieren muss sie dann trotzdem. "Hier muss noch ein Stück ab, oder?", fragt sie die Mädchen. Schon fällt die nächste Haarsträhne. "Ich möchte lieber Architektin werden, aber es ist eine tolle Erfahrung", sagt Samira und ergänzt: "Dauerwellen können wir leider nicht anbieten."

"Haare wachsen ja nach"

Für Finja ist das nicht die erste Friseur-Erfahrung. "Ich habe mir selbst schon einmal die Haare geschnitten und es meiner Mama aber gar nicht erzählt", sagt sie und kichert. Zura und Christian schmeißen derweil die Rezeption. "Wir vergeben Termine, verteilen die Einverständniserklärungen und sagen, wo das Wartezimmer ist", erzählen die Jungen.

Kathrin Frech ist schon fertig. "Ich bin echt zufrieden", sagt sie. Anfangs seien ihre kleinen Friseure ein wenig enttäuscht gewesen, dass nur etwa fünf Zentimeter fallen dürfen und die Überredungsversuche fehlschlugen. "Sonst sind meine Haare vielleicht etwas symmetrischer geschnitten, aber das wächst nach", sagt sie.

Aufgaben werden abgewechselt

Während Amir, Chris und Felix ausdiskutieren, wer als nächstes die Schere benutzen darf, kehrt Mia die schon gefallenen Haare vom Boden zusammen. "Das macht ja hier sonst keiner. Aber das gehört eben auch dazu", sagt sie. Am meisten Spaß mache ihr, während des Haareschneidens mit den Leuten zu quatschen. "Ich glaube, meine Eltern gehen aber weiterhin zu einem echten Friseur", sagt Mia.

Was Leon gefällt: "Wir wechseln alle 30 Minuten den Beruf, jetzt gerade bin ich mit Flyer verteilen dran und danach darf ich Limonade verkaufen", sagt er. Im echten Leben gehe das natürlich nicht, so schnell den Job zu wechseln. "Aber sonst ist alles wie bei Großen", ist er sich sicher.

Die Idee dahinter

Emma Rose vom Organisationsteam erklärt, was hinter dem Projekt steckt. "Kinder haben in unserer Gesellschaft keine Macht, das Projekt ,Haircuts by children' dreht diese Verhältnisse um", erklärt sie. Das Konzept, entwickelt von dem Künstlerkollekiv "Mammalian Diving Reflex", stammt ursprünglich aus Kanada. "Es ist schon durch die ganze Welt getourt, beispielsweise auch nach Japan", erklärt Rose.

Nun ist die Idee auch in Bochum angekommen. "Wer am Friseurladen vorbeikommt, kann sich auch spontan einen Termin geben lassen", sagt sie. Man werde als Erwachsener ins kalte Wasser geschmissen und der eigene Mut und der Glaube an die Zukunft werde auf die Probe gestellt. "Kinder haben das Sagen und das ohne Tabus und Fehler", sagt sie. "Wir greifen nur in Notfällen ein - aber die gibt's gar nicht", so Rose.

Teil des Westwind-Festivals

Das Haarschneiden von Kindern war für die Erwachsenen kostenlos. Es fand im Rahmen des Westwindfestivals statt. Das Theaterfestival für ein junges Publikum wird jedes Jahr von einem anderen NRW-Theater ausgerichtet. 2022 ist das Bochumer Schauspielhaus Gastgeber.

Neben einer Auswahl von NRW-Inszenierungen gibt es internationale Gastspiele und ein Rahmenprogramm mit Workshops, Diskussionen und Gesprächen.