Bochum Süd. Haarausfall infolge der Chemotherapie ist hart, erlebte eine Bochumerin selbst. Betroffenen macht die Friseurin ein behutsames Angebot.

Sie kann sich noch genau daran erinnern: Wie sie kurz nach Beginn der Chemotherapie mit Sektflasche und Haarschere ins Badezimmer gestapft ist, und losgelegt hat. Vier Stunden hat Bochumerin Claudia Teckhaus geschnippelt, frisiert und ausprobiert. Bis am Ende die letzten Haare fielen.

Bochumerin ist selbst von Krebs betroffen

„Mir war gleich klar, dass ich nicht warten will, bis ich büschelweise Haare in der Hand habe oder sie morgens auf dem Kopfkissen liegen“, sagt die 48-Jährige. Stattdessen wollte sie selbstbestimmt in die Behandlung ihres Brustkrebses gehen.

Das passt zu der Friseurmeisterin: „Ich versuche im Leben aus jeder Situation das Beste zu machen und immer zu schauen, wofür das Ganze gut ist“, sagt sie. So also auch bei ihrer Krebsdiagnose Ende 2020.

Nachdem ihre einst langen blonden Haare im heimischen Badezimmer gefallen waren, da dachte sich Teckhaus gleich: „Eigentlich müsste es ein Angebot geben, bei dem Frauen und Männer in diesem Moment aufgefangen werden.“

Haare fallen schrittweise

Daraus entwickelt hat sie ihr Programm „Schnitt für Schnitt“ – ein einfühlsames Angebot für Menschen mit Krebs. „Wenn in einer Chemotherapie die Haare ausgehen, bleibt meist nicht lange Zeit“, weiß die Bochumerin. Den Moment, die Haare selbstbestimmt abzuschneiden, könne man leicht verpassen.

Ihren Kunden bietet die Friseurmeisterin aber an, sie an diesem Punkt abzuholen. „An einem Wochenende schneide ich Stufe für Stufe die Haare ab“, sagt Teckhaus. In ruhiger Atmosphäre ohne Zeitdruck, in eigenen Räumlichkeiten ohne andere Anwesende, mit ausreichend Platz für Gespräch und Emotion.

Mental gestärkt in Behandlung

„Wer sich selbstbestimmt die Haare abnehmen lässt, startet mental ganz anders in die Behandlung“, ist sich Teckhaus sicher. Nach einem Vorgespräch probiert sie mit ihren Kundinnen – meist sind es Frauen – fünf bis sechs verschiedene Frisuren aus. Eine Seite ganz abrasieren, die Haare von hinten nach vorne, ein gerader Pony – Teckhaus schneidet, was gewünscht ist.

„Ich möchte, dass das Ganze noch einmal Spaß bringt und man noch einmal darüber lachen kann“, sagt sie. Ein bisschen wie verkleiden mit der Klamottenkiste sei das. „Es ist aber auch deshalb hilfreich, weil man Etappenziele nach der Chemo vor Augen geführt bekommt“, erklärt die 48-Jährige. Diese Länge könnten die Haare nach sechs Monaten wieder haben, diese Frisur trage ich vielleicht Ende des nächsten Jahres – Teckhaus hält das auch fotografisch für die Frauen fest.

Besuch fängt Krebs-Patientinnen auf

„Mir ist wichtig, dass meine Kundinnen wissen: Sie sind hier keine Patientinnen, ich behandele sie wie gesunde Menschen“, sagt Teckhaus. Eine klinische Atmosphäre sucht man deshalb vergebens, ihr Friseursalon an der Friederikastraße im Bochumer Ehrenfeld ist mit warmen Farben eingerichtet.

„Wer möchte, kann auch seinen Partner oder eine andere Begleitperson mitbringen“, sagt Teckhaus. Neben den Haaren fallen bei einer „Schnitt für Schnitt“-Behandlung in aller Regel auch Tränen. Trotzdem melden ihr die Frauen zurück: Der selbstbestimmte Friseurbesuch hat mich aufgefangen.

Angebot noch zu unbekannt

„Manche setzen gleich beim Rausgehen die Perücke auf, andere tragen die Glatze“, weiß die Friseuse. Dabei lässt sie den Kundinnen ebenso viel Entscheidungsfreiheit, wie bei der Frage nach Tipps und Ratschlägen.

„Ich habe selbst eine Krebserkrankung durchgemacht und habe deshalb natürlich Erfahrungen gemacht. Wer möchte, dem gebe ich sie weiter“, sagt Teckhaus. Noch wissen aus ihrer Sicht zu wenig Frauen von dem Angebot. „Es ist sehr schwierig, die Frauen zum richtigen Zeitpunkt abzuholen“, weiß Teckhaus.

Offener Umgang mit Krebs

Sie hofft deshalb, dass sich ihr Angebot herumspricht. Das könnte einen weiteren positiven Effekt haben: „Ich bin für einen offenen Umgang mit der Krankheit“, sagt Teckhaus. Doch immer wieder hat sie mit Frauen zu tun gehabt, die aus Scham oder zum Schutz ihrer Angehörigen die Krankheit verheimlichten.

„Wenn ich das höre, macht mich das immer sehr traurig“, gibt sie zu. Ein bisschen von ihrer positiven Einstellung mitgeben will Teckhaus deshalb allemal – auch wenn die Haare zurückbleiben.

Weitere Angebote

Der Friseursalon „Edelweiß“ von Claudia Teckhaus (geb. Schega) befindet sich an der Friederikastraße 148. Das Programm „Schnitt für Schnitt“ kostet zwischen 400 und 450 Euro und wird an Wochenenden zu flexiblen Zeiten durchgeführt.

Zum Angebot im Friseursalon zählen auch Yoga, eine Vitalstoffberatung und Permanent-Make-Up. Weitere Infos unter: www.friseur-edelweiss.de