Bochum. Ein Gast (41) des „Polarize“ stirbt nach einem Konflikt mit einem Türsteher an Gewalteinwirkungen. Der Ruhrcongress hält am Security-Dienst fest.
Nach dem Tod eines Bochumers (41), der Sonntagfrüh am Einlass zum „Polarize“ mit einem Security-Mitarbeiter (42) aneinander geriet, hält der Ruhrcongress an seinem Sicherheitsdienst fest. „Bei der angeordneten Obduktion des Leichnams wurde festgestellt, dass Gewalteinwirkungen ursächlich für den Tod des Mannes waren“, hatten Staatsanwaltschaft und Polizei am Montag bekannt gegeben. Der Türsteher (42) sitzt seit Montag in Untersuchungshaft.
Streit mit Türsteher: Bochumer Gast der „Polarize“-Party im Ruhrcongress tot
Der Sicherheitsdienst, für den er im Einsatz war, teilte mit, man „bedauere den Tod des besagten Partygastes sehr, unser Mitgefühl gilt den Angehörigen“. Bei dem externen Sicherheitsdienstleister, der mit dem Ruhrcongress einen festen Vertrag hat, will man sich „mit Blick auf die laufenden Ermittlungen“ nicht äußern. Ruhrcongress-Geschäftsführer Andreas Kuchajda verwies am Dienstagmorgen auf die jahrelange „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ mit dem Sicherheitsdienstleister.
Derweil laufen laut Polizeisprecherin Gianna Isabella Kruck die Ermittlungen „auf Hochtouren“. Der zunächst vorläufig in Gewahrsam genommene Security- Mitarbeiter (42) war am Montag „auf Antrag der Staatsanwaltschaft Bochum beim Amtsgericht Bochum vorgeführt“. „Es wurde Untersuchungshaft wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeordnet“, geben Polizei und Staatsanwaltschaft an.
Der Partygast war in den frühen Morgenstunden der Techno-Party in der Bochumer Messehalle verwiesen worden. Als er gegen 2.30 Uhr erneut Einlass verlangte, sei er mit dem Sicherheitsdienst-Mitarbeiter in Streit geraten.
Nach verbalen Streitigkeiten vor der Kongresshalle sei es auch zu Handgreiflichkeiten gekommen, „welche in einer Fixierung der Person durch einen Mitarbeiter mündeten“, so die Polizei. Der Rettungsdienst der Feuerwehr Bochum – an diesem Abend zweimal an der Messehalle im Einsatz – habe daraufhin den 41-jährigen Bochumer reanimieren und anschließend in eine Klinik bringen müssen. „Dort wurde der Mann nach mehrstündiger Reanimation für tot erklärt“, so die Polizei.
Die durch den zuständigen Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann angeordnete Obduktion sollte ermitteln, ob ein Versterben aus innerer Ursache in Betracht komme. Bereits am Sonntag richtete die Bochumer Polizei eine Mordkommission ein – laut Bachmann ist dies bei einem möglichen Fremdverschulden üblich.
Trotz Todesfalls: Veranstalter und Polizei ließen Techno-Party weiterlaufen
Nachdem der Veranstalter Max Sollmann beim WAZ-Besuch vor Ort, am Sonntag um 7 Uhr, den Todesfall nicht erwähnte und ab dem Bekanntwerden am Sonntag nicht mehr erreichbar war, äußerte er sich nun am Montagnachmittag zum Verlauf der Partynacht. Er gibt an, bereits in der Nacht vom Todesfall beim Einlass zu seiner „Polarize“-Party erfahren zu haben. „Wir wurden da grob informiert und haben dann zusammen mit der Polizei vor Ort entschieden, die Veranstaltung nicht abzubrechen“, so Sollmann.
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Der Veranstalter habe befürchtet, dass die Gäste „falsch reagieren könnten“. Neben der Tatsache, dass von einem Moment auf den anderen 1400 vor die Tür gemusst hätten, habe er „unvorhersehbare Situationen“ befürchtet.
WAZ vor Ort – Polizei und Veranstalter erwähnen Vorfall vor dem Ruhrcongress nicht
Ruhrcongress-Geschäftsführer Andreas Kuchajda verwies am Sonntag auf das vorab erstellte Sicherheitskonzept. Nach Partydrogen-Konsum gefragt, betont er, bei Technoveranstaltungen seien grundsätzlich besondere Situationen zu beachten. Abgesehen von diesem Vorfall vor der Kongresshalle sei die Veranstaltung aber „durchgelaufen“.
Die Sonne ist längst aufgegangen – doch im Ruhrcongress wummert es in den Sonntagmorgenstunden noch immer – trotz des Vorfalls in der Nacht. Die Techno-Party „Polarize“ lockt rund 2000 Partygäste in die Bochumer Messehalle. Unsere Redaktion hat sich ab 6.45 Uhr vor Ort angeschaut, was die Feiernden von Samstag, 22 Uhr, bis Sonntag, 10 Uhr, wachhält. Erst gegen 9 Uhr gibt die Polizei Bochum dann den Grund für das Flatterband vor dem Foyer bekannt.
Beim Gespräch mit dieser Redaktion am Sonntagmorgen, 7 Uhr, im Ruhrcongress ließ der Veranstalter den Todesfall in der Nacht unerwähnt. Lediglich ein Partygast fragt die WAZ vor Ort „Ist es wahr, dass da draußen jemand zu Tode gekommen ist?“ – als in den frühen Sonntagmorgenstunden die Techno-Party im Ruhrcongress weitergeht.
Party von 22 bis 10 Uhr: „Polarize“-Techno lockt 2000 Bochumer
Mit stechenden Pupillen und in knappen, außergewöhnlichen Outfits wanken und tanzen gegen 6.30 Uhr einzelne Partygäste aus dem Foyer in den kalten Sonntagmorgen. Die in langer Schlange wartenden Taxifahrer freuen sich über das lukrative Geschäft: Die Partygäste kämen aus allen Ecken NRWs und würden ihnen lange Fahrten bescheren. Im Ruhrcongress macht sich Grasgeruch breit. Einige Gäste suchen fieberhaft nach ihren Jacken an der Garderobe, wieder andere – immerhin noch gut 200 – feiern energiegeladen in der großen Kongresshalle – in Glitzer-BHs, Fetisch-Masken oder Sonnenbrillen.
Um die Künstlerauswahl hat sich Jan Dahlhaus – aka DJ Ian Crank – gekümmert. „Wir haben ein total internationales Line-up – die DJs kommen aus Italien, der Schweiz, Irland der Spanien.“ Für „Polarize“ konnte er den „aufsteigenden Stern“ in der Szene, DJane Lilly Palmer, an Land ziehen. „Wenn wir noch zwei Jahre warten, ist die unbezahlbar“, so Dahlhaus, der selbst in der Zeit von 0 bis 2 Uhr auflegte. „Es ist so geil, wenn man da oben steht – und man sieht, dass es ihnen gefällt, sonst wären nicht mehr so viele hier“, sagt der DJ, neben dem ein Partygast stehen bleibt und den Daumen hebt: „Hat mir sehr gut gefallen.“
Veranstalter Max Sollmann zieht am Morgen – vor der Mitteilung der Polizei – zunächst eine positive Bilanz. Rund 2000 Gäste im Alter von 18 bis 60 hätten mitgefeiert, erwartet habe er „2000 plus“. Allerdings habe er ein paar „Geburtsfehler“ – aufgrund der neuen Location für dieses Veranstaltungsformat – festgestellt. „Wir haben zu wenig Personal an Garderobe und Theke“, so Sollmann, der während des Gesprächs immer wieder von Mitarbeitern unterbrochen wird, die murmeln: „Wir haben ein Problem – wir finden die Jacken mit diesen Nummern nicht wieder“.
Techno-Partys würden grundsätzlich recht friedlich ablaufen. „Techno ist für die Fans eine Religion“, so Sollmann. „Das ist Freisein, hier sind Dinge erlaubt, die sonst nicht erlaubt sind – ob es Outfits sind, oder die Art zu tanzen.“ Auf Drogenkonsum und Türkontrollen angesprochen, unterstreicht der Veranstalter: „Alle Taschen werden kontrolliert und stichpunktartig auch Personenkontrollen durchgeführt.“
Einige Gäste des „Polarize“ schildern einen anderen Eindruck. „Die haben da alle reingelassen. Die haben nicht mal geguckt, ob ein Gast voll auf Drogen war“, so Kathi (34) nach der Party. „Ich hätte da alles mit reinbringen können – keiner hat unsere Taschen kontrolliert.“
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Partygäste loben Musik und Lichtshow – kritisieren aber lange Warteschlangen
Das Klientel in der langen Warteschlange sei sehr aggressiv gewesen für eine Techno-Veranstaltung. „Das war das reinste Wegballern – meine Freundin und ich waren nüchtern, und gefühlt die einzig ,Normalen’ zwischen 90 Prozent vollgedröhnten Mensch.“ Insgesamt habe sie zwei Stunden in verschiedenen Warteschlangen gestanden. „Es war schlecht organisiert. Nur eine Tür für den Einlass war geöffnet“, bilanziert auch eine junge Frau, die um 8 Uhr den Ruhrcongress verlässt, „Die Schlange ging bis zum Kreisel.“
Auf die Frage, wie ihnen „Polarize“ gefällt, kommt von einem jungen Mann wie aus der Pistole geschossen: „Zu viele Drogen!“ Einer seiner Kumpels fügt hinzu: „Musik und Lichtshow top, aber Garderobe scheiße, Buchungssystem auch – und viel zu wenig Toiletten für 2000 Leute.“ Ein Dritter ergänzt: „Das, worauf es ankommt, war gut. Der Rest so mittel.“ Techno-Fan Kathi erklärt im Nachgang der Party: „Wenn wir gewusst hätten, dass da draußen ein Mensch um sein Leben ringt, und es dann auch verliert, hätten wir die Party sofort verlassen.“