Bochum. Eine Frau bricht auf einem Brachgelände in Bochum leblos zusammen und stirbt später. An sogenannten „Lost Places“ gibt es immer wieder Vorfälle.

In der Nacht zu Sonntag ist es zu einer dramatischen Rettungsaktion auf dem Brachgelände zwischen dem Westpark und der Malteserstraße in Bochum gekommen. Eine junge Frau musste wiederbelebt und anschließend durch unwegsames Gelände transportiert werden. Die 22-Jährige starb kurze Zeit später im Krankenhaus.

Gegen 1 Uhr war die Frau aus Bergheim (Rhein-Erft-Kreis), die gemeinsam mit zwei jungen Männern (21 und 22 Jahre alt aus Kerpen und Bergheim) auf dem Gelände unterwegs war, plötzlich zusammengebrochen. „Wir gehen von einem medizinischen Notfall und nicht von einem Unfall oder von einem Fremdeinwirken aus“, so Polizeisprecherin Tanja Pfeffer gegenüber der WAZ. Durch den Ort des Geschehens sei die Rettung allerdings sehr schwierig gewesen. Nach Auskunft der Feuerwehr hatte sich das Trio auf das durch einen hohen Zaun abgeriegelte, mittlerweile nicht mehr genutzte Gelände begeben.

Lost Places: Verlassene Orte bergen viele Gefahren

Warum das Trio sich in der Nacht von Samstag auf Sonntag auf dem Areal aufgehalten hat, ist noch unklar. „Möglicherweise hat es mit dem Besuch von Lost Places zu tun“, so die Polizeisprecherin. Lost Places sind verlassene Orte, nicht selten Industrieareale, die von Neugierigen oftmals widerrechtlich betreten werden.

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Orte wie dieser ziehen neugierige Besucher offenbar magisch an. Etwa 20 verlassene Industrieorte gibt es nach Einschätzung des Studienkreises Bochumer Bunker in der Stadt.
Orte wie dieser ziehen neugierige Besucher offenbar magisch an. Etwa 20 verlassene Industrieorte gibt es nach Einschätzung des Studienkreises Bochumer Bunker in der Stadt. © Andreas Rorowski

Etwa 20 solcher ehemaligen Industrieareale macht Wilfried Mähler vom Studienkreis Bochumer Bunker aus. Sie zu betreten, sei gefährlich. „Da ist viel Ahnungslosigkeit im Spiel. Das ist mittlerweile wie eine Seuche. Schatzsucher, Geocacher, Partyvolk, Kabeldiebe und andere verschaffen sich immer wieder Zugang. Wenn wir Eingänge mit Gittern, Stahl und Beton verschließen, werden sie trotzdem wieder geöffnet.“ Die Gefahren seien vielfältig: angefangen von instabilen Decken und Dächern über enge Stellen, einem zu hohen CO2-Gehalt bis hin zu Ausdünstungen von Chemikalien. Mähler: „Man muss wissen was man tut, wenn man sich an solche Ort begibt.“

Zaun und Schilder sollen Betreten des Geländes verhindern

Auch auf dem Areal rund um den Westpark. Erst im Februar war es dort zu einem Unfall gekommen. Damals war eine Frau über die sogenannte Schlackenbahn im unterirdischen System gelandet und musste dort 18 Stunden ausharren, ehe sie gerettet wurde.

Wilfried Mähler erinnert sich auch an einem Mann, der vom Dach eines der baufälligen Gebäude im Bereich der früheren Waggonfabrik und Lehrwerkstatt des Bochumer Vereins gefallen ist, weil er ungewöhnliche Fotos machen und ins Netz stellen wollte. Es ist die gleiche Fläche, in der es offenbar nun zu dem medizinischen Notfall gekommen ist. Das Areal ist dem Vernehmen nach im Besitz der Stadt. Es ist umzäunt. Auf Warnschildern steht: „Lebensgefahr. Betreten des Geländes verboten“.

Neugierige und Passanten überqueren Bahnlinie

Aber nicht nur Glücksritter und junge Leute in Feierlaune begeben sich in Gefahr. „Es gibt immer mehr Leute, die einfach über die Gleise der Abellio-Bahn in Richtung Westpark laufen. Die benutzen das als Abkürzung“, heißt es in einem Haus an der Malteser Straße. „Ich weiß gar nicht mehr wie häufig wir durch die stark bremsende Abellio-Bahn aufgeschreckt sind und wie oft Leute aus der Straße schon die Polizei informiert haben.“

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Auf einem abgesperrten, brachliegenden Gelände zwischen Westpark und Malteser Straße hatte in der Nacht vom 11. auf den 12. Juli 2020 eine 22-jährige Frau einen medizinischen Fall. Die Rettung auf dem  unwegsamen, nicht leicht zu erreichenden Gelände dauert  lange, die Frau starb später.
Auf einem abgesperrten, brachliegenden Gelände zwischen Westpark und Malteser Straße hatte in der Nacht vom 11. auf den 12. Juli 2020 eine 22-jährige Frau einen medizinischen Fall. Die Rettung auf dem  unwegsamen, nicht leicht zu erreichenden Gelände dauert  lange, die Frau starb später. © Andreas Rorowski

Tatsächlich herrscht auch an diesem Sonntagmorgen auf dem rückwärtigen Gelände der Bochumer Verein Verkehrstechnik (BVV) reger Betrieb. „Hier gehen viele Leute mit ihren Hunden her, die anders als im Westpark frei laufen können“, sagt ein Passant. Eine Mutter mit Kind, ein Radfahrer und ein Spaziergänger sind weitere Personen, die binnen 30 Minuten von der Malteser Straße entlang der nicht mehr genutzten Gleise in Richtung Westpark gehen und zuvor das befahrene Abellio-Glas überqueren. „Das Betreten des Geländes ist nicht verboten“, so die Polizei. „Aber wenn es auf den Gleisen zu gefährlichen Situationen kommt, sollten Anwohner die Polizei rufen“, so die Polizeisprecherin.

Rettungshubschrauber im Einsatz

In der Nacht zum Samstag hatte um kurz nach 1 Uhr einer der jungen Männer den Notfall über den Notruf der Polizei gemeldet. Danach folgte eine dramatische Rettungsaktion. Mehrere Streifenwagen und die Feuerwehr mit Rettungswagen sowie einem Notarzt fuhren zum Westpark. Da der Mann keine genaue Ortsangaben machen konnte und die Einsatzkräfte ihn nicht orten konnte, setzte die Polizei bei der Suche einen Hubschrauber ein.

Schwierige Rettungsaktion in Bochum dauerte zwei Stunden

Erst nachdem einer der Begleiter auf dem Weg in Richtung Westpark auf eine Streifenwagenbesatzung stieß, konnte er den Einsatzkräften den genauen Weg zum Unglücksort zeigen. „Der Weg führte durch tunnelartige Durchgänge. Die junge Frau lag aber auf einer oberirdischen Fläche“, so die Auskunft der Polizei.

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Vor Ort begannen die Rettungskräfte sofort damit, die junge Frau wiederzubeleben. Zudem wurden weitere Einsatzkräfte nachalarmiert, da sofort klar war, dass eine extrem aufwendige Rettung bevorstand. Mit einem Motortrennschleifer, einem Bolzenschneider sowie einem Spreizgerät mussten mehrere Zäune und Bahnen von Stacheldraht entfernt werden. Zudem bestand an der Einsatzstelle durch alte Schächte akute Absturzgefahr.

Polizei ermittelt nun zur Ursache des tragischen Ereignisses

Mit vereinten Kräften gelang es nach rund zwei Stunden, die Frau mit einer Trage über mehrere hundert Meter durch das unwegsame Gelände zum bereitstehenden Rettungswagen zu bringen. Anschließend wurde die Frau ins Krankenhaus gebracht. Dort starb sie kurze Zeit später. Auch die beiden Begleiter mussten vom Rettungsdienst sowie von einer Notfallseelsorgerin betreut werden. Beide wurden ebenfalls in ein Krankenhaus gebracht.