Bochum Weitmar. An der Karl-Rawitzki-Straße in Bochum-Weitmar soll ein Mehrfamilienhaus entstehen. Doch Anwohner wehren sich - wegen der Zuwegung.

Der Ordner, den der Schriftwechsel mit Bauträger, Grünflächenamt und Bauordnungsamt inzwischen füllt, ist schon mehrere dutzend Seiten dick. Petra Husemann hat seit 2019 alles abgeheftet. Genau wie zahlreiche weitere Anlieger an der Karl-Rawitzki-Straße in Weitmar ist die Bochumerin sauer, der geplante Neubau ein Dorn im Auge

"Früher hat in Hausnummer 30 ein alter Mann gewohnt. Erst wurde er pflegebedürftig, dann verstarb er", denkt Husemann zurück. Es dauerte nicht lange, bis Bagger und Walzen anrückten. "Das Grundstück wurde dem Erdboden gleichgemacht, keine Hecke blieb mehr stehen", erinnert sie sich. 

21 Wohneinheiten geplant

Grund genug für Husemann damals, sich ans städtische Grünflächenamt zu wenden. Verstöße gegen die Baumschutzordnung gab es allerdings keine, wie man ihr mitteilte. Kurze Zeit später trudelte bei den Anwohnern jedoch ein Brief ins Haus: Eine Information für die Nachbarn über die geplante Baumaßnahme - ein Neubau mit 21 Wohneinheiten und Tiefgarage. Der Schock bei den Weitmarern war groß. 

"Das Mehrfamilienhaus soll in einen Grüngürtel hineingebaut werden, unsere massiven Bedenken gegen einen solchen Bauklotz stoßen nicht auf Gehör", sagt Husemann, die für viele Anlieger an der Karl-Rawitzki-Straße spricht. Weder beim Bauträger "Architektur & Ingenieurbüro Öner Ünal" noch bei der Stadt war die Nachbarschaft mit ihren Bedenken erfolgreich. 

Erschließung unklar

Die drehen sich vor allem um die Zuwegung zum geplanten Neubau. "Ein Fußweg soll dafür in eine Straße verwandelt werden, eine Spielstraße in eine Durchgangsstraße", klagen die Anwohner. Der Weg werde von Kindergartenkindern, Schulkindern, Gemeindemitgliedern und vielen weiteren genutzt. "Auch zum nahegelegenen Spielplatz dient die fußläufige Verbindung", ergänzt Husemann. 

Dass die Erschließung eines 21-Parteien-Hauses über einen drei Meter breiten Fußweg erfolgen soll, können die Anwohner kein Stück weit nachvollziehen. "Ich habe außerdem nachgemessen: Die Fahrbahn ist nur 2,17 Meter breit, die Bordsteinbegrenzung weitere 30 Zentimeter", sagt Husemann. Wie dort im Notfall Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr durchkommen sollen, kann sich Husemann nicht vorstellen.

Verkehr macht Sorge

Für die Anwohner fühlt es sich so an, als sei die Baugenehmigung bei der Stadt einfach "durchgewunken" worden. "Wenn der Bau so umgesetzt wird, wie geplant, hat das für uns fatale Folgen", sagt auch Anwohnerin Heidi Flader.

Ihre Treppe zur Haustür grenzt direkt an den jetzigen Fußweg. "Ich stünde also mitten im Verkehr", sagt sie. Wie der Verkehr bei so vielen weiteren Autos, die das Mehrfamilienhaus unweigerlich mit sich bringen wird, fließen soll, kann auch Flader sich nicht vorstellen. "Ich sorge mich um das erhöhte Fahrzeugaufkommen", sagt sie. 

Stadt äußert sich

Die Anwohner fragen sich, warum eine Baugenehmigung trotz ihrer Einwände erteilt wurde. Für die Stadt Bochum antwortet Nina Klein darauf: "Sobald ein Bauvorhaben den öffentlich rechtlichen Vorschriften entspricht, hat der Bauherr einen Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Baugenehmigung".

Im Hinblick auf die Zufahrt sei festzustellen, "dass die notwendige Breite der Erschließung von 3m öffentlich rechtlich durch eine Baulast gesichert ist", sagt Klein. Der Bauherr müsse sie in der Örtlichkeit entsprechend herstellen. "Private Belange, wie zum Beispiel Eigentumsverhältnisse, sind aus öffentlich rechtlicher Sicht unerheblich", sagt die Stadt.

Anwohner wollen klagen

Die Anwohner wollen eine solche Begründung nicht hinnehmen. Sie haben Widerspruch eingereicht und behalten sich den Klageweg vor. "Einen Bau generell werden wir wohl kaum verhindern können, aber vielleicht das Ausmaß", sagt Husemann. Sie hat sich bereits juristischen Rat eingeholt.

Bauträger Öner Ünal informiert: "Die Zuwegung wurde durch einen öffentlichen Vermesser mit 3m bestätigt". Baubeginn auf dem knapp 2000 Quadratmeter großen Grundstück soll im Herbst 2022 sein, geplante Fertigstellung Ende 2023. Die Mietwohnungen sollen überwiegend Seniorenresidenzen werden - Quadratmeterpreis zwischen 13 und 15 Euro. 

Rechtslage bei Zufahrten

Wer ein Gebäude errichten möchte, muss eine rechtlich dauerhaft gesicherte Zufahrt nachweisen.

Damit soll sichergestellt werden, dass das Grundstück für Fahrzeuge der Polizei, der Feuerwehr, von Rettungsdiensten und der Ver- und Entsorgung erreichbar ist. 

Bei geradlinigen Zufahrten gilt eine Breite von mindestens 3 Metern als ausreichend, grenzt die Zufahrt an Bebauung, muss sie breiter sein.