Bochum-Stiepel. Der zurück gebauter Spazierweg sorgt in Bochum-Stiepel für Ärger. Ein Radweg darf durchs Naturschutzgebiet führen, ein Fußweg aber nicht.

Claus Giewer weiß es noch ganz genau: Wie er, heute 82 Jahre alt, einst als kleiner Junge mit seiner Großmutter an der Ruhr Kuchen essen war und danach zum Verdauen einen Spaziergang machte. "Tortenweg" hieß der asphaltierte und von Auwald gesäumte Weg deshalb nicht nur bei den Giewers.

Heute hat der einstige Spazierweg ein völlig neues Gesicht: Die Asphaltierung ist aufgehoben, der Fußweg wurde zurück gebaut. Geschehen ist das im Zuge der Optimierung des Ruhrtalradwegs. Bei der Neugestaltung des städtischen Wassergewinnungsgebiets wurde das damalige Landschaftsschutzgebiet zum Naturschutzgebiet hochgestuft.

Fußweg zurückgebaut

"Deshalb dürfen Scharen von Fußgängern hier jetzt nicht mehr spazieren gehen", ärgert sich Giewer. Gerade zeigt er, wo er früher regelmäßig entlangflanierte, da kommt Jürgen Emmerich vorbei. "Ich kann nicht verstehen, warum der Weg zurück gebaut wurde", sagt er.

"Wir Stiepeler verstehen nicht, warum ein Radweg durch das Naturschutzgebiet führen darf, der Fußweg aber zurückgebaut werden musste", sagt Giewer. Er hat bereits einen dicken Ordner zum Rückbau seines geliebten Spazierwegs angelegt. "Das Thema schwelt seit 2016, seit die Planungen für den Radweg begonnen haben", erinnert sich Giewer.

Ankündigung von Ordnungsgeld

Doch damals sei bei Informationsveranstaltungen nie die Rede davon gewesen, dass der Fußgängerweg zurück gebaut werden würde. "Wir haben 2019 Unterschriften gesammelt, um den Fußweg zu erhalten", sagt Giewer.

Doch das Vorhaben war nicht erfolgreich. "Die Aufhebung der Asphaltierung begrüße ich sogar, weil Entsiegelungen gut für die Umwelt sind", sagt der 82-Jährige. Von der Grünen Ratsfraktion wurde ihm aber mitgeteilt, er habe mit einem Ordnungsgeld zu rechnen, wenn er eine Legalisierung des Fußwegs über einen Trampelpfad erreichen wolle.

Trampelpfad entstanden

Der aber ist längst entstanden, beim Vor-Ort-Termin kommen dutzende Spaziergänger vorbei. "Der 180 Meter lange Weg, der hier aufgehoben wurde, ist ein Naherholungsgebiet, das das Pech hatte, zum Naturschutzgebiet zu werden", sagt Giewer. Anstatt den ehemaligen Rundweg zu gehen, könne man jetzt nur auf die befahrene Brockhauser Straße oder den hügeligen Leinpfad ausweichen.

"Der Weg verläuft direkt am Rand des Naturschutzgebietes, es ist völlig irrsinnig, dass man ihn nicht nutzen darf", meint Giewer und zeigt den Weg auf einer Karte. Er können nicht nachvollziehen, welche artenschutzrechtlichen Bedenken es geben solle.

Hochwertige Flora und Fauna

Für die Stadt Bochum hat der Ruhrtalradweg nicht nur eine besondere Bedeutung für das Stadtgebiet, sondern begegnet auch dem weiter steigenden "Erholungsdruck auf die bestehende Wegeinfrastruktur" der Stadt, teilt Sprecherin Charlotte Meitler mit.

"Jedoch ist das Ruhrtal gleichzeitig auch aus Sicht des Naturschutzes als besonders wertvoll zu klassifizieren", betont sie. Das Wasserschutzgebiet sei in der Vergangenheit größtenteils eingezäunt gewesen, sodass sich eine hochwertige Flora und Fauna entwickelt habe, die es zu schützen gelte. Es sei Heimat etwa von Teichrohrsängern, Geburtshelferkröten, Wasserrallen, Rehen und Dachsen.

Unabhängiges Gutachten

Dafür seien Gutachten durch ein unabhängiges Büro angefertigt worden - mit dem Ergebnis, dass eine naturverträgliche Rad- und Fußwegenutzung nur mit einem partiellen Rückbau des ursprünglichen Ruhrtalradwegs möglich sei. "Würden die Wegeabschnitte bestehen bleiben, würden diese trotz aller möglichen Verkehrslenkungsmaßnahmen weiterhin erheblichen Störungswirkungen, insbesondere auf zahlreiche schützenswerte Vogelarten, auf das Naturschutzgebiet bedeuten", erklärt die Sprecherin.

Der Wegerückbau sei eine zwingende artenschutzrechtliche Maßnahme und Teil der naturschutzrechtlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zur Kompensation der durch den Radweg bedingten Auswirkungen auf Natur und Landschaft. Meitler kündigt dennoch an: "Die Stadt Bochum wird im Rahmen der künftigen Entwicklung des Naturschutzgebietes die Wegesituation erneut prüfen."

Hochwertige Biotopstrukturen

Für die Planung und den Bau des Radwegs war der Regionalverband Ruhrgebiet zuständig. Vor der Festsetzung des Naturschutzgebietes „Ruhraue-Stiepel" wurde ein Pflege- und Entwicklungsplan erarbeitet.

Bei der Bewertung des Bestandes wurden qualitativ hochwertige Biotopstrukturen nachgewiesen. Dazu zählen streng geschützte Sumpf- und Wasserpflanzen, Brut- und Zugvögel, Libellen, Heuschrecken und Fledermäuse.