Bochum-Mitte. Josef Noack ist Orthopädieschuhmacher in Bochum. Das Handwerk hat den Sprung in die Moderne gemacht - kämpft aber mit Nachwuchsmangel.

Eins hat sich nicht verändert: Der Geruch. An der Brückstraße riecht es seit über 60 Jahren nach Leder und Kleber. Auch Schuhleisten hängen hier wie schon vor Jahrzehnten, Beißzangen, Hammer und Raspel aller Art säumen die Holzwerkbank.

Vor zwei Jahren hat Orthopädieschuhmacher Josef Noack (34) das Geschäft vom vorherigen Inhaber Kruck übernommen, schon die Welt des Vaters und Großvaters drehte sich um Schuhe. "Als kleiner Junge habe ich ihnen im elterlichen Betrieb über die Schulter geschaut", erinnert sich der Orthopädieschuhmacher. Das Geschäft in der Innenstadt "Arnold Kruck" ist seit den 70 Jahren Bestandteil in Bochum.

Immer mehr Bürokratie

Dass auch er Bochumern mit orthopädischen Leiden weiterhelfen, ihre Lebensqualität verbessern möchte, war Noack schnell klar. "Allerdings ist es eine ganz schöne Hürde, einen eigenen Betrieb zu eröffnen", sagt er. So unbürokratisch wie noch vor Jahrzehnten ist der Beruf des Orthopädieschuhmachers nämlich längst nicht mehr. 

Hinter dem Begriff "Präqualifizierung" steckt ein aufwändiger Kriterienkatalog, der bei Betriebseröffnung zu erfüllen ist - von barrierefreien Eingang bis zur behindertengerechten Toilette mit Notruf. "Auch die Materialrückverfolgung und die Beratungsdokumentation sind sehr aufwändig, ich habe dafür extra eine Bürokraft eingestellt", sagt Noack.

Patientenzeit wird kürzer

Auch dem Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik ist diese Entwicklung bestens bekannt: "Die sogenannte Patientenzeit wird immer kürzer und die Verwaltungszeiten immer länger", sagt dort Kirsten Abel.

Weil jede Krankenkasse andere Formblätter fordere, müssten mehrere hundert Verträge verwaltet und aktuell gehalten werden. "Die Betriebe würden sich über eine entsprechende Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen mehr als freuen", so Abel. 

Digitalisierung überall

Einiges ist im Vergleich von früher und heute allerdings auch leichter geworden: "Die Digitalisierung hat in unser Handwerk ziemlich Einzug gehalten", sagt Noack. Während sein Vater noch mit Blau-Abdruck oder Tritt-Schaum-Abdruck die Füße der Kunden vermaß, muss man bei Noack heute nur noch auf eine Glasplatte steigen. 

Dort analysiert modernste Technik dann den Fuß. "Wir können mit modernen Geräten auch den Druck des Fußes auf eine Einlage messen, das ist etwa bei Diabetes wichtig", erklärt Noack. Auch die aufwändige Kleinarbeit bei der Herstellung von Maßschuhen und Einlagen gibt es in der damaligen Form nicht mehr. "Wir fräsen Einlagen mit hochtechnologischen Maschinen", sagt Noack.  

Traditionelles Handwerk

Rund 30.000 Euro müsse man investieren, um sich technisch zu rüsten. "Ich hoffe, irgendwann auch mal mit einem 3D-Drucker zu arbeiten", sagt er. Sein Betrieb funktioniert inzwischen fast papierlos, das E-Rezept soll ebenfalls zeitnah kommen. Die traditionelle Handwerkskunst eines Schuhmachers samt Schleifen, Nageln, Sägen und muss man aber dennoch beherrschen.

Die Tatsache, im Handwerk etwas zu erschaffen, reizt Noack an seinem Beruf besonders. Trotzdem hat das Handwerk Nachwuchsprobleme. "Man sollte die schulische Ausbildung nicht unterschätzen, der Latein-Anteil ist hoch und die Anatomie umfangreich", sagt Noack.

Keine Ausbildungskapazität

Auch für Frauen ist das Handwerk aus seiner Sicht bestens geeignet: "In meinem Jahrgang waren etwa ein Drittel Frauen. Ihnen kommt zugute, dass es weniger um Kraft und mehr um Technik geht", sagt Noack. Er selbst sieht für sich zu wenig zeitliche Kapazitäten, um Lehrlinge auszubilden.

Dabei hat der Job aus seiner Sicht definitiv Zukunft: "Leider haben die Schuhe heute immer weniger Stabilität und Qualität", sagt Noack. Spreizfüße und Knickfüße sieht er deshalb immer häufiger. Noack beobachtet einen weiteren Trend: "Auch bei uns geht es immer mehr um Nachhaltigkeit", sagt er. Er setze bereits jetzt auf Materialien, die in Europa nachhaltig produziert wurden. "Allerdings herrscht aktuell eine Lederknappheit auf dem Markt", sagt er. Ein Grund dafür sind zurückgehende Schlachtzahlen. 

>>> INFO: Dreieinhalbjährige Ausbildung

Die dreieinhalbjährige Ausbildung zum Orthopädieschuhmacher läuft dual ab: In der Berufsschule lernen Azubis alles über den menschlichen Bewegungsapparat, Sicherheit am Arbeitsplatz, Umgang mit Materialien, Patientenakten, Auftragsabwicklung.

Orthopädieschuhmacher helfen bei Fußfehlstellungen, Gehbehinderungen oder der Optimierung des Bewegungsapparates. Fast jeder Dritte in Deutschland hat eine Fußfehlstellung, die zu Knie- und Rückenschmerzen führen kann.