Bochum. Zu Jahresbeginn ließ die Corona-Krise das Handwerk erzittern. Doch mancher Betrieb zeigt sich jetzt erstaunlich robust. Wir haben uns umgeschaut.
Das lokale Handwerk präsentierte sich jahrzehntelang als lokale Jobschmiede. Gerade als in Bochum gigantische industrielle Arbeitgeber ihre Werke dichtmachten, zeigte sich das Handwerk als verlässliche Größe. Bergbau, Stahl, Nokia, Opel – tausende ehemalige Industriearbeiter fanden neue Arbeit bei kleinen und mittleren Handwerksbetrieben. Heute schaffen knapp 20.000 Männer und Frauen im Bochumer Handwerk. Doch zu Jahresbeginn schlug die Corona-Krise brutal zu. Johannes Motz ist Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft und er nimmt kein Blatt vor den Mund: „Ich sag es ganz offen. Für manche Betrieb, wie etwa Autohäuser, Bäcker, Metzgereien oder auch Friseure, war 2020 ein Scheißjahr.“
Die WAZ wollte es etwas genauer wissen und schaute sich bei einigen Schlüsselbranchen um. Der Dachdecker und Obermeister seiner Innung, Reimund Weinand, spricht offen. „Ich sag es ehrlich. Seit ich 1986 eingestiegen bin, habe ich noch nicht einen einzigen Tag Leerlaufgehabt, auch nicht in der Corona-Zeit.“ Die knapp 50 Bochumer Dachdeckerbetriebe hätten gut zu tun. „Wir haben ganz andere Probleme: Es fehlt an jungen Leuten, die unseren Beruf ausüben möchten. Dabei sind die Mitarbeiter gerade im Dachdeckerhandwerk unser wertvollstes Gut.“
Zehn Prozent weniger Auszubildende
Johannes Motz rechnet für alle Handwerksbetriebe in Bochum für dieses Jahr einen Verlust von rund zehn Prozent der Auszubildenden . Mitte des Jahres sah es noch finsterer aus. Gab es im Vorjahr 977 Ausbildungsverträge im Handwerk, kamen im Juli gerade einmal gerade 406 Verträge zusammen, deutlich weniger als 2019. Und dabei hatte Bochum im Vergleich zu den Nachbarstädten hervorragend ausgesehen.
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Übel erwischte die Buchbinderei von Maik Beckmann die Pandemie. Sein Betrieb in Laer ist eine der wenigen Buchbindereien, die nicht direkt an eine Institution angedockt sind. Er weiß, dass etwa die Buchbinderei im Druckzentrum der Ruhr-Universität zeitweise komplett geschlossen war. „Zu Anfang des Jahres musste ich für meine acht Mitarbeite rund drei Auszubildenden Kurzarbeit anmelden“, so Beckmann.
Ein großer Digitalisierungsschub
Der Buchbinder-Meister beobachtet nun, dass es einen weiteren großen Digitalisierungsschub gibt, mit fatalen Auswirkungen für seine Branche. „Gebundene Reader, Seminarunterlagen etwa für die Hochschulen werden derzeit kaum nachgefragt. Auch Notizbücher, die wir sonst etwa für die Messepräsentation von Firmen hergestellt haben, will gerade niemand haben.“ Zwar habe das Geschäft wieder etwas angezogen und für Weihnachten erhofft er sich wieder mehr Bestellungen, doch der Blick in die Zukunft bleibt skeptisch.
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Im Vorstand der Bochumer Gebäudereiniger-Innung ist Rüdiger Elias. Sein Betrieb hat rund 40 Mitarbeiter. Zunächst habe er wie viele andere Unternehmen auch, Kurzarbeit beantragt. „Später habe ich meine ganze Logistik umgestellt, jetzt läuft es im Großen und Ganzen wieder.“ Vor allem durch die Hygieneauflagen in Corona-Zeiten gebe es viele Aufträge: „In regelmäßigen Abständen müssen Klingeln, Handläufe oder Lichtschalter desinfiziert werden. Da gibt es vor allem in Krankenhäusern oder Altersheimen sehr viel zu tun.“
Eine wahre Wirtschaftsmacht
Das Bochumer Handwerk gilt als sehr widerstandsfähig . So sind etwa in den 110 Betrieben das Kfz-Handwerks (Handel und Reparatur) rund 1500 Menschen beschäftigt.
Eine andere große Branche ist die SHK (Sanitär, Heizung, Klimatechnik ) - Innung. Hier arbeiten in den den 84 zur Innung gehörenden Betrieben rund 1200 Männer und Frauen.
Wer sich über das Handwerk in Bochum informieren möchte, und möglicherweise noch auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz ist, kann dies auch im Internet tun: Hier geht es zur Kreishandwerkerschaft-Ruhr: www.handwerk-ruhr.de
Viel weniger Unfallschäden zu reparieren
Ein kurzer Blick geht noch zu den beiden großen Innungen des Kfz-Gewerbes und dem Sanitär- und Heizungshandwerk. Während es beim Handel mit Neu- oder Gebrauchtfahrzeug empfindliche Einbrüche vor allem während des Lockdowns im Frühjahr gab, läuft das Reparaturgeschäft beinahe normal. Obermeister Michael Dittmar: „Wir spüren aber schon, dass wegen der Homeoffice-Situation weniger gefahren wird. Auch die Zahl der Unfallschäden ist um bis zu 30 Prozent zurück gegangen.“
++ + Hier geht es zu den stets aktuellen Corona-Regeln für Bochum +++
Albert Landsberger ist Obermeister der Sanitär-, Heizung- und Klimatechnik- Innung. „Viele Leute haben sich in dieser Zeit ganz offensichtlich Gedanken über Heim gemacht.“ So werde etwa das lange aufgeschobenen Projekt „Neues Badezimmer“ endlich umgesetzt. Und bei Reparatur oder Wartung kommt der Klempner auch – aber mit Mund- und Nasenschutz.
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