Bochum. Fast vier Stunden lang zeigt die Bochumer Kulturszene im Schauspielhaus ihre Solidarität mit der Ukraine. Es gibt Musik, Literatur – und Witze.
Glücklich kann sich schätzen, wer eine solch lebendige Kulturszene in seiner Stadt weiß: Mit einer fulminanten Benefiz-Show unter dem Titel „Bochum für die Ukraine“ sammelten Bochumer Künstlerinnen und Künstler am Sonntagabend im Schauspielhaus Bochum Spenden für die Opfer im Kriegsgebiet. Innerhalb kürzester Zeit wurde der Abend unter Federführung des Comedian Sebastian 23 organisiert – und ebenso schnell war er ausverkauft.
Knapp 530 Besucher im coronabedingt schon recht ordentlich gefüllten Haus waren dabei, jeder von ihnen zahlte zehn Euro Eintritt plus einen freiwilligen Beitrag als Spende. Frei- oder Ehrenkarten gab es nicht. Dabei kamen über 13.000 Euro zusammen, die jetzt an Bochumer Hilfsorganisationen fließen. Als Lohn für die große Spendenbereitschaft durften die Zuschauer dafür dann auch extra lang im Saal sitzen bleiben…
Hier fließen die Ukraine-Spenden hin
Beim großen Benefiz „Bochum für die Ukraine“ im Schauspielhaus kam ein Spendenbeitrag in Höhe von 13.145,45 Euro zusammen. 5290 Euro durch den Kartenverkauf, weitere 7855,45 Euro bei der Spendensammlung im Foyer.
Mit dem Geld werden Bochumer Hilfsorganisationen unterstützt: darunter die Gesellschaft Bochum-Donezk, der Verein Bochum hilft und die Medizinische Flüchtlingshilfe. Darüber hinaus sammelt das Ensemble jeweils nach den Vorstellungen für die Menschen in der Ukraine, was bislang rund 5000 Euro einbrachte.
Benefiz-Abend für die Opfer des Krieges im Schauspielhaus Bochum
Fast vier Stunden (mit einer Pause) dauerte die Gala, länger als manche Wagner-Oper. Doch das Ergebnis war dann immerhin so unterhaltsam und kurzweilig, dass die opulente Spiellänge, die auch manchen hinter den Kulissen überraschte, nicht wirklich störte. Minutiös durchgetaktet wurde der Abend zuvor wohl nicht.
Schauspielhaus, Symphoniker, Kunstmuseum, Folkwang-Uni, Urbanatix, daneben diverse Gäste aus Politik und Unterhaltung: Alle zogen sie an einem Strang, um ihre Solidarität mit den Menschen in der Ukraine auf vielfältige Weise zu bekunden. Mit Musik, Literatur, Comedy, Tanz – und mit ganz persönlichen Einblicken: So schilderte die Sozialarbeiterin Cansin Köktürk eindrucksvoll, was sie mit ihrem Freund bei einem spontanen Hilfseinsatz an der polnisch-ukrainischen Grenze erlebte.
Nachdenkliche, aber auch heitere Töne
Für die nachdenklichen Töne waren vor allem die Mitglieder des Ensembles zuständig. Abwechselnd lasen sie aus Texten der gefeierten deutsch-ukrainischen Literatin Katja Petrowskaja, deren Stück über die Nuklearkatastrophe in Tschernobyl 1986 mächtig schaudern ließ.
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Doch allzu bierernst sollte der Abend nicht werden, so die eindringliche Bitte der Moderatoren Sebastian 23 und Stephan Hunstein. Für etwas Heiterkeit zuständig war vor allem der Kölner Comedian Nikita Miller: Als Kind russischer Eltern zog er zu Beginn der 1990er Jahre von Kasachstan nach Deutschland und hat aus seinen Erlebnissen in einem Wohnheim ein eigenes Comedy-Format entwickelt. „Jede Familie hatte elf Quadratmeter, das war schon stressig“, scherzte er.
Mit einem beißend sarkastischen Text bewies Frank Goosen kurz nach der Pause, warum man ihn noch immer zu den führenden Kabarettisten des Landes zählen sollte. In seinem energischen, fast wütenden Redeschwall über die Lage in der Ukraine fanden sich überraschend viele Schimpfwörter: „Aber das sind auch harte Zeiten“, merkte Goosen zerknirscht an. Und alle bekamen ihr Fett weg: von der FIFA bis zum „Putin-Pudel Gerhard S. aus H.“.
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Symphoniker in mehreren Formationen dabei
Musikalisch sorgten die Bochumer Symphoniker für Glanzlichter, die in mehreren kleinen Formationen antraten. Der neue Generalmusikdirektor Tung-Chieh Chuang spielte gemeinsam mit dem Quartett „Da Capo“ ein Stück von Kurt Weill, wunderbar gesungen von Veronika Nickl. Besonderen Beifall gab’s fürs wie entfesselt aufspielende Violine-Duo Vlada Berezhnaya und Marco Genero.
Und dann ging dieser denkwürdige Abend gegen kurz vor elf unter stehenden Ovationen tatsächlich zu Ende. Torsten Kindermann und seine Band spielten dazu den Beatles-Klassiker „All you need is love“ in einer besonders melancholischen Version. „Love is all you need“, summte der ganze Saal. Wenn’s doch nur so einfach wäre.