Bochum. Bochums neuer Generalmusikdirektor Tung-Chieh Chuang will das Orchester national bekannter machen. Die neue Aufgabe sieht er als „große Ehre“.

Über sich selbst zu sprechen, ist dem zurückhaltenden Asiaten kein großes Anliegen. Und doch siegte Tung-Chieh Chuang nicht zuletzt als Dirigenten-Persönlichkeit, da Bochums Symponiker einen neuen Generalmusikdirektor suchten. Lars von der Gönna traf den Maestro vor dessen Amtsantritt in der kommenden Saison.

Bei Ihrer Vertragsunterzeichnung haben Sie den Ruf nach Bochum eine „große Ehre“ genannt. Was bedeutet diese Ehre für Sie?

Tung-Chieh Chuang:_Ich stand ja zuvor nur ein einziges Mal am Dirigentenpult der Bochumer Symphoniker – Tschaikowskys Fünfte. Die Freude, dass aus dieser Begegnung nun eine echte Beziehung wird, ist ungeheuer groß. Schon damals habe ich gespürt, dass der Kontakt zum Orchester stimmt, zugleich gab es die Zugewandtheit dieses enthusiastischen Publikums in einem tollen Saal. Das alles dauerhaft vertiefen zu können, ist eine große Ehre.

Tung-Chieh Chuang: „Die BoSy haben mein Herz erobert“

Sie haben in Bochum fast 60 Konkurrenten aus dem Feld geschlagen. Um Ihnen einen Moment der Unbescheidenheit abzuringen: Womit haben Sie gepunktet?

Über mein Können zu sprechen, kommt mir wirklich immer ein bisschen komisch vor. Aber gut: Ich glaube, das Orchester und ich haben rasch bemerkt, dass die „Chemie stimmt“: Wenn man für ein Werk nicht zu einem gemeinsamen Blickwinkel findet, dann kommt man nicht sehr weit. Und ich glaube, die hohe musikalische Qualität ist in beide Richtungen wahrgenommen worden. Die BoSy jedenfalls haben mein Herz erobert.

Sie haben viele Orchester auf dieser Welt geleitet. Was ist Ihr Schlüssel, die Tür zum gemeinsamen Musizieren zu öffnen?

Es sind viele, aber Aufrichtigkeit rangiert bei mir sehr weit vorn. Aufrichtigkeit gegenüber dem Werk, aber auch gegenüber dem, was ich weiß oder eben nicht weiß. Und aufrichtig wahrzunehmen, was das Orchester zu bieten hat – und ich ihm – und wie man das zusammenführt.

Ihre Heimat ist Asien, später studierten Sie in USA, dann in Weimar. Hat aus so verschiedenen Kulturen etwas auf Sie abgefärbt?

Ich will es anders sagen: Verschiedene Länder, verschiedene Kulturen sehe ich als Stationen einer Lebensreise, die mir hilft, zu verstehen, wer ich wirklich bin. Erkenntnis also: Was bedeutet es für mich als Mensch, Teil der amerikanischen oder deutschen Kultur zu sein? Es ist, als würde man sich vor einem anderen Spiegel betrachten.

„Absolut großartiges Musizieren in einer absolut positiven menschlichen Atmosphäre“

In Taiwan genießt Klassik eine hohe Wertschätzung. Dazu stammen Sie aus einer Musikerfamilie. Gibt es Werke, die sich Ihnen schon als Kind eingebrannt haben?

Ganz klar! Mozarts drittes Hornkonzert und – das hat mit meiner Mutter zu tun, die Cello-Professorin ist – das Cello-Konzert von Saint-Saëns. Die sind aus meinem Leben einfach nicht wegzudenken.

Dürfen wir die Stücke unter Ihrer Leitung im Musikforum hören?

Eines Tages ganz bestimmt!

Was täten Sie ohne diesen Beruf?

Ich glaub’, ich würd gern fliegen. Das hat mich immer fasziniert, aber nicht so sehr bequeme Linienflüge, dann schon eher sowas Verwegenes wie einen F-22 Raptor. (lacht).

Wo möchten Sie hin mit den Symphonikern?

Ich denke, es ist Zeit, noch weit mehr Menschen hören zu lassen, was in Bochum für großartige Musik gemacht wird. Ich wünsche mir weit über die Region hinaus für dieses wunderbare Orchester, nationale, ja bestenfalls internationale Beachtung. Dahin führt nur ein einziger Weg: absolut großartiges Musizieren in einer absolut positiven menschlichen Atmosphäre zwischen mir und dem Orchester. Darin sehe ich meine Aufgabe.

Also eine Art „City of Birmingham“-Wunder an der Ruhr?

Ganz genau!

Tung-Chieh Chuang zieht für die neue Stelle von Berlin nach Bochum

Als Nachfolger Steven Sloanes tritt der in Taiwan geborene Tung-Chieh Chuang in Bochum an. Anfang September wird er sich in Konzerten dem Publikum als Generalmusikdirektor der Symphoniker (und als Intendant des Musikforums) im Konzert vorstellen.

Für die neue Stelle verlegt der 38-jährige Vater einer Tochter seinen Wohnsitz von Berlin nach Bochum.