Bochum. Zwei Jahre Corona haben der Friseur-Branche zugesetzt. Die Nöte sind aber noch größer, heißt es in Bochum: Es gebe Clans und wenige Kontrollen.

Harte Zeiten liegen hinter den Friseurbetrieben in Bochum. Zwei Jahre Corona-Pandemie mit vielen Wochen Lockdown haben ihre Spuren hinterlassen. „Wir haben Umsatzeinbußen von 40 Prozent, bei einigen Betrieben sind die Rückgänge sogar noch stärker“, sagt Obermeister Edgar Pferner.

Friseur-Innung beklagt zahlreiche Verstöße von Betrieben

Die Nöte der Branche, von der etwa 90 Betriebe und damit die Hälfte aller Friseurgeschäfte in Bochum in der Innung organisiert sind, gehen aber noch darüber hinaus. Von Wettbewerbsverzerrung ist die Rede, von „schwarzen Schafen“, die Bestimmungen unterlaufen, Dumpingpreise aufrufen, Minijobber in Vollzeit und damit weit unter dem Mindestlohn beschäftigen sowie keine kontrollierbaren Kassen verwenden. Dabei gehe es um einen Teil der etwa 90 Betriebe, die nicht in der Innung organisiert seien. Sogar Vorwürfe von Clanstrukturen stehen im Raum. „Ja, es gibt in Bochum Clans in der Friseurbranche“, heißt es beim Gespräch mit der Innungsspitze und mit Friseuren. Der Vorwurf: Zu wenig werde dagegen getan.

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Nicht nur gegen die vermeintlichen Clans, sondern grundsätzlich gegen Verstöße gegen Bestimmungen. Tatsächlich sind „Dumpingpreise, Schwarzarbeit und die Hinterziehung von Sozialleistungen ein Riesenthema in der Branche“, bestätigt Jörg Müller, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes des Deutschen Friseurhandwerks. Aber dank des „Bündnisses Schwarzarbeit“, das der Verband mit dem Bundesfinanzministerium und der Gewerkschaft Verdi geschlossen habe, gebe es seit 2016 große Erfolge. Allerdings habe es in der Corona-Zeit weniger Kontrollen gegeben, räumt Müller ein.

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Zoll hat 2020 nur sechs Friseurbetriebe kontrolliert

Nach Auskunft des Hauptzollamts Dortmund hat die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Standorts Gelsenkirchen, die für Bochum, Herne, Bottrop und den Kreis Recklinghausen zuständig ist, im Jahr 2020 sechs Friseurbetriebe in Bochum kontrolliert. Für das Vorjahr liegen noch keine Zahlen vor. Aus Sicht der Bochumer Friseur-Innung ist das ein deutlicher Beweis für ihren Vorwurf, es werde zu wenig hingeschaut. Das Hauptzollamt räumt ein: In den vergangenen Jahren lag der Fokus auf anderen, ebenfalls besonders von Schwarzarbeit betroffenen Branchen, wie z.B. Baugewerbe, Gebäudereinigungsgewerbe, Speditions-, Transport- und damit verbundenem Logistikgewerbe, Fleischwirtschaft, Wach- und Sicherheitsgewerbe, Imbiss- und Auslieferungsfahrer.“

Höherer Mindestlohn und Rückzahlung der Soforthilfe

Zwei weitere Hürden beschäftigen die Friseure. Die Anhebung des Mindestlohns wird Folgen haben. Nicht zuletzt weil sich dadurch das Gehaltsgefüge in den Betrieben verändert. Zwangsläufig werde ein höherer Mindestlohn sich auch auf die Löhne von Gesellen und Meistern auswirken, so der Zentralverband der Deutschen Friseurhandwerks. Allein 55 Prozent der Kosten eines Friseurbetriebs entfallen auf die Löhne.

„Und dann muss auch noch die Corona-Soforthilfe zu einem Teil zurückgezahlt werden“, so die Spitze der Bochumer Friseur-Innung. Davon sei zu Beginn der Hilfen, als zwischen 9000 und 15.000 Euro je Betrieb ausbezahlt wurden, nicht die Rede gewesen. Auch hätten die Betriebe die Mindereinnahmen nicht kompensieren können.

„Den April 2021 haben wir ausgleichen können, weil wir den Wochen danach bis zum Umfallen gearbeitet haben“, sagt Anita Fegin, die ein Friseurgeschäft in Gerthe betreibt. Da dann aber ein Großteil der Kunden bedient worden sei, habe das Geschäft in den Monaten Mai und Juni stark nachgelassen.

Überhaupt habe sich die Besucherfrequenz in den Läden verändert. „Die Kunden kommen seltener.“ Oder, was noch schwieriger wiege, sie schneiden sich selbst die Haare und lassen graue Haare nicht mehr färben.

Keine Antwort hat die Redaktion von der Financial Intelligence Unit (FIU) der Generalzolldirektion in Bonn erhalten. Sie ist zuständig für Vergehen gegen das Geldwäschegesetz.

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Polizei hat Barbershops im Blick

Seit längerem bekannt ist, dass sich Clans neue Betätigungsfelder suchen. Friseurläden liegen nach der Berichterstattung dieser Zeitung dabei im Trend. Auch die Bochumer Polizei hat das im Blick. „Das Phänomen der sogenannten Barbershops ist der Polizei bekannt“, so Jens Artschwager, Sprecher der Polizei Bochum. „Wir beobachten die Entwicklungen aufmerksam. Konkrete Ermittlungsverfahren in diesem Kontext gibt es jedoch im Bereich unserer Behörde derzeit keine.“ Die Essener Polizei hatte Anfang 2020 angekündigt, Barbershops ins Visier zu nehmen.

Ordnungsamt registriert acht Verstöße

Aber nicht nur Zoll und Polizei müssen genauer hinschauen, so die Friseur-Innung. Auch das städtische Ordnungsamt arbeite zu lax. Bei der Stadt heißt es dazu: „Nur von dem Hintergrund von Corona wurden 46 Kontrollen in Friseurgeschäften durchgeführt, wobei dort acht Verstöße festgesellt wurden. Der Fokus wurde auf andere Bereiche gesetzt, da Friseure oft von Ausnahmen bei den körpernahen Dienstleistungen nach der Coronaschutzverordnung profitiert haben“, sagt Stadtsprecherin Charlotte Meitler. Teilweise seien die Kontrollen nur durch die Sicht ins Schaufenster durchgeführt worden. Diese würden nicht dokumentiert. „Wenn zum Beispiel nur zwei Kunden bedient werden und alle eine Maske tragen, dann besteht kein Erfordernis, das Geschäft zu betreten.“ Zwischen 150 und 200 Kontrollen habe es außerdem durch den Gewerbeaußendienst gegeben.

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Zwei Runde Tische verliefen erfolglos

Auch diese Zahlen bestätigten die Friseur-Innung in ihrer Kritik. . „Es müsste vielmehr kontrolliert werden“, sagt Peter Legsding (78), der seit 50 Jahren sein Friseurgeschäft betreibt und stellvertretender Obermeister der Innung ist.

Vorschläge zur Bekämpfung der Missstände habe die Innung gemacht. „Ich habe eine Fortbildung für Minijobber angeregt“, so Legsding. Ohne Erfolg. Und auch die beiden Runden Tische, die die Innung initiiert und dazu Ordnungsamt, Zoll und Berufsgenossenschaft eingeladen habe, seien ergebnislos geblieben.

Frustration macht sich breit. Gegen Wettbewerb, so Obermeister Edgar Pferner, sei nichts einzuwenden. „Aber die Bedingungen müssen für alle gleich sein.“