Bochum-Süd. Sabine Kleemann verteilt selbst gekochtes Essen an Bochumer Obdachlose - von Hühnersuppe bis Leberkäse. Was sie antreibt und wo sie wütend wird.
In der Küche von Sabine Kleemann liegt der Duft von Mettwürstchen. Sie nimmt den Deckel vom Topf und rührt zweimal im Bohneneintopf. "Ist auch Tomate und Porree drin", sagt sie und legt den Löffel in die weiße Keramikspüle. Auf dem Balkon steht bereits ein 40 Liter Topf mit Eintopf.
Immer mittwochs und freitags kocht Kleemann für eine riesige Mannschaft. Mengen wie 100 Bratwürste, mehrere 12-Liter-Behälter voll mit Nudelsalat und kannenweise Kaffee sind dann keine Seltenheit. "Wir verteilen das Essen an Wohnungslose in Bochum", sagt die 53-Jährige. "Wir", das sind hauptsächlich ihr Mann Frank Blumreiter und sie selbst.
Kochen für Obdachlose in Bochum
"Auf die Idee gekommen bin ich schon vor einigen Jahren", sagt die Bochumerin, die seit 1996 in der Obdachlosenhilfe aktiv ist. Als vor zehn Jahren der Winter mit zweistelligen Minusgraden ausbrach, zog Kleemann mit einem Bollerwagen und Tee los, um wärmende Getränke zu verteilen. "Ich habe dann immer wieder gehört: Was würde ich um ein selbst gekochtes Essen geben", erzählt sie.
Aus dem Tee wurden selbst geschmierte Stullen, aus den Butterbroten Eintöpfe aller Art. Inzwischen bekocht Kleemann die Obdachlosenszene in Bochum seit zwei Jahren zweimal wöchentlich. Verteilt wird das Essen am Buddenbergplatz hinter dem Bochumer Hauptbahnhof. Manchmal reicht die Schlange bis zum Hotel "Ibis".
70 bis 80 Besucher kommen regelmäßig
"Da kommen immer 70 bis 80 Leute", sagt Kleemann. Schon als Kind empfand sie Unbehagen, als sie nahe ihrem Wohnhaus Obdachlose sah, die auf Parkbänken mit Zeitungspapier zugedeckt lagen. "Mein Vater hat mir diese soziale Ader mitgegeben", sagt Kleemann bescheiden.
In der Szene ist sie bekannt wie ein bunter Hund. "Bine" heißt die 53-Jährige, die hauptberuflich im sozialen Bereich arbeitet, dort nur. Berührungsängste hat sie nicht. "Ich gebe den Menschen die Hand, umarme sie und kenne alle mit Namen", sagt sie.
Highlight sind Spaghetti Bolognese
Wenn "Bine" mit einer Ladung Spaghetti Bolognese zum Buddenbergplatz kommt, bricht besonders große Freude aus. "Das könnte ich immer kochen", sagt sie und lacht. Aber auch mit Hühnersuppe, Kartoffellauchsuppe, Braten oder Leberkäse kann Kleemann ihre Gäste beglücken.
"Besonders rührend ist es immer, wenn man einen Wunsch erfüllen kann, der eine Kindheitserinnerung ist", sagt sie. Warmer Pudding, Kakao mit Sahne und Streuseln oder Hühnersuppe wie einst von der Oma. "Teilweise haben die Besucher geweint, weil sie sich so gefreut haben", sagt Kleemann.
Finanziert aus eigenen Mitteln
So auch an Weihnachten. Eine Freundin von Kleemann sponserte 50 Mahlzeiten vom Restaurant "Schreiners", an Klapptischen mit Tannengrün wurden dann Sauerbraten, Rotkohl und Klöße verspeist. "Die Freude in solchen Momenten zu sehen, das gibt alles zurück", sagt das Ehepaar.
Die Mahlzeiten finanzieren sie fast komplett aus der eigenen Tasche. 50 bis 80 Euro sind das pro Kochtag, also mehrere hundert Euro im Monat. "Manchmal bekommen wir eine private Geldspende für die Lebensmittel", sagt Sabine Kleemann. Auch von Pizzerien wurde sie schon unterstützt: "Bambino" (Karl-Friedrich-Straße), "Angelo" (Brenscheder Straße) und "La Diva" (Markstraße) sagten sofort "Ja klar!", als die Bochumer nach einer Essensspende fragten.
Hilfe bei Wohnungssuche
Kleemann hilft nicht nur mit einer warmen Mahlzeit: Sie sucht gemeinsam Wohnungen, Kleidung, Hausrat, wendet Strafbefehle ab und beantragt Ratenzahlung. Wenn man Kleemann sagt, es müsse in Deutschland doch niemand auf der Straße leben, wird sie wütend. "Ohne Personalausweis bekommt man keine Sozialhilfe und der kostet schon 37 Euro. Ohne festen Wohnsitz lädt kaum ein Vermieter zur Wohnungsbesichtigung ein", sagt sie.
Viele Menschen kämen mit den Anträgen nicht zurecht. "Da klaffen Theorie und Lebensrealität weit auseinander", sagt sie. Von der Kommunalpolitik erwartet Kleemann mehr Engagement für die Obdachlosenhilfe. "Wir suchen schon seit langem ein Gebäude, in dem ich besser kochen kann und wir vielleicht auch eine Kleiderkammer anbieten können", sagt sie.
Möglichkeiten mitzumachen
Kleemann hat den Verein "Menschen ohne Bleibe e.V." gegründet und ist erste Vorsitzende. Wer Geld oder Materielles spenden möchte, mitwirken will oder eine Anregung für eine geeignete Immobilie hat, kann sich melden: 0172 / 2839933 oder menschen-ohne-bleibe-e.v@web.de
Eindrücke postet Sabine Kleemann auch auf der Facebookseite des Vereins. Das Essen wird immer ab 18.30 Uhr verteilt.