Bochum. Menschen ohne Wohnung können während Corona nicht einfach zu Hause bleiben. Ihnen helfen Sozialarbeiter wie Lisa Stephanblome über die Runden.
Zu Hause bleiben kann nur, wer ein Zuhause hat. Für all jene, die auf der Straße leben, ist die Coronakrise weitaus schwieriger zu bewältigen. Ihnen zur Seite steht die Sozialarbeiterin Lisa Stephanblome (28), die seit diesem Jahr die Beratungsstelle für wohnungslose Männer der Diakonie leitet.
Ihr schwieriger Job ist es, die Menschen durch die Pandemie zu begleiten und ihnen gleichzeitig die Rückkehr in ein halbwegs geordnetes Leben zu ebnen. „Es gibt viele, die sich in der Corona-Zeit allein gelassen fühlen“, sagt sie. „Ihnen wollen wir zeigen: Keine Panik, wir sind für euch da.“
Einrichtung für wohnungslose Männer in Bochum gut gefüllt
Um 11 Uhr ist die Beratungsstelle an der Henriettenstraße gut gefüllt. Nur zehn statt zuvor 30 Wohnungslose finden derzeit hier Einlass, so verlangt es die Corona-Schutzverordnung. So bleibt den Übrigen vor der Tür keine andere Wahl, als geduldig zu warten, bis einer seinen Platz räumt. Hinein kommt man nur mit negativem Schnelltest und nach namentlicher Registrierung. Im großen Aufenthaltsraum sitzen die Männer weit verstreut an den Tischen, zwischen ihnen stehen Wände aus Plexiglas.
„Es ist ruhiger als sonst“, so fasst es Lisa Stephanblome zusammen. Dabei sei es nicht so einfach gewesen, jedem ihrer Klienten das Hygienekonzept zu erklären, das jetzt seit gut einem Jahr bei der Diakonie greift. „Aber mittlerweile funktioniert das überraschend gut“, sagt sie. „Maske tragen und Abstand halten ist für viele Wohnungslose etwas vollkommen Befremdliches. Wir müssen sie oft dran erinnern. Die meisten halten sich aber dran.“
Wenig Zeit für duschen, Wäsche waschen und Kaffee trinken
45 Minuten hat jeder Bedürftige Zeit, um sich etwas aufzuwärmen, einen Kaffee zu trinken, zu duschen und die Wäsche zu waschen. Sogar WLAN und einen Netflix-Anschluss gibt es hier. Wenn der Andrang groß ist, dann ist nach Ablauf der Zeit Schluss. „Doch manchmal sind wir gar nicht voll belegt, dann können die Klienten natürlich auch länger bleiben“, sagt Stephanblome. Danach geht es wieder raus auf die Straße – und auch dort ist das Leben seit Corona ein härteres als zuvor.
„Den Wohnungslosen macht zu schaffen, dass so viel geschlossen hat“, sagt die Sozialarbeiterin. So stehe etwa die Bank im Einkaufszentrum, die bisher für eine Rast gut war, während des Lockdowns nicht mehr zu Verfügung. Treffen in der Gruppe sind verboten, auch die nächtliche Ausgangssperre ist für Obdachlose ein Problem. „Die Kälte im Februar war für viele echt schlimm“, erinnert sich Lisa Stephanblome. So sei das Fliednerhaus, die Notschlafstelle der Diakonie am Ruhrstadion, meist gut besucht: Hier finden 40 Wohnungslose eine Unterkunft für die Nacht.
Hilfe bei der Wohnungssuche und bei Problemen mit den Ämtern
273 Menschen werden derzeit nach Auskunft der Stadtverwaltung regelmäßig "ordnungsbehördlich untergebracht", wie es heißt. Dabei dürfte die Dunkelziffer der obdachlosen Menschen weitaus höher sein. Damit gar nicht erst so viele in diese Notlage geraten, wird an der Henriettenstraße viel Zeit für Beratungsgespräche verwendet. Lisa Stephanblome und ihr Team helfen bei der Wohnungssuche und bei Problemen mit Behörden und Ämtern.
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Denn die Gründe, auf der Straße zu landen, sind vielfältig: „Wohnungslos wird man schneller als man denkt“, sagt sie. „Die meisten, die zu uns kommen, haben vorher ein normales, bürgerliches Leben geführt.“ Arbeitslosigkeit, die Trennung vom Partner, körperliche und psychische Erkrankungen sowie Suchtprobleme führen häufig dazu, dass man plötzlich ohne eigenes Dach über dem Kopf dasteht.
Dazu gesellt sich ein scheinbar kleineres Problem, das aber große Folgen haben kann: Denn wer ohne Wohnung lebt, ist auch postalisch nicht erreichbar. So können wichtige Briefe etwa von den Ämtern oder vom Jobcenter schlichtweg nicht mehr zugestellt werden. In diesen Fällen bietet die Beratungsstelle der Diakonie eigene Postfächer an. „Es gibt welche, die holen bei uns nur ihre Post ab“, erzählt Stephanblome.
Info: Kalender zeigt das Leben von Obdachlosen
Über das Leben von Obdachlosen in Bochum ist ein beeindruckender Fotokalender erschienen: In „Drehbuch Leben“, den die Diakonie herausgibt, schlüpfen wohnungslose Menschen in ungewöhnliche Rollen. Eingefangen wurden die Bilder von der Bochumer Fotografin Anja Micke.
Der Kalender ist gegen eine Spende von mindestens 15 Euro bei der Bahnhofsmission am Bochumer Hauptbahnhof (am Fenster neben der Radstation) erhältlich. Bewusst wurde er ohne Jahreszahlen angelegt, sodass er auch 2022 noch gut zum Einsatz kommen kann.
In unserer Serie „Corona-Helden“ porträtieren wir Menschen, die sich während der Corona-Krise besonders um andere verdient gemacht haben, aber nur selten im Mittelpunkt stehen, etwa Busfahrer, Supermarkt-Angestellte, Erzieher und Altenpfleger.