Bochum. Ein Streit um einen Schlafplatz von Obdachlosen endete in Bochum mit einer entsetzlichen Bluttat. Der Täter (38) bekam 6,5 Jahre Haft.

Ein Streit unter drei Obdachlosen um einen trockenen Schlafplatz war im Mai in einem äußerst blutigen Gewaltexzess eskaliert. Der Täter (38) wurde am Mittwoch vom Schwurgericht wegen gefährlicher Körperverletzung zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt. Staatsanwalt Philipp Rademacher hatte acht Jahre gefordert.

Am 17. Mai, kurz vor Mitternacht, hatten sich zwei Wohnungslose (44, 52) in einer Fensternische zwischen dem Gebäude der ehemaligen Post und dem Hauptbahnhof in Schlafsäcken hingelegt.

Obdachlose nächtigten in einer kleinen Fensternische am Bochumer Hauptbahnhof

Der Angeklagte, ein Lette, kannte die beiden seit kurzem von gemeinsamen Zechereien. Auch er hatte dort eine Fensternische als Schlafplatz, doch der war nass, anders als der der anderen beiden. Also wollte er sich zu ihnen ins Trockene legen. Doch der 44-Jährige unter seinem Schlafsack wollte den sehr engen Platz nicht teilen und stieß den 38-Jährigen mit dem Bein leicht weg. Der Zurückgewiesene wollte sich aber nicht vertreiben lassen. Mit unsagbarer Mitleidlosigkeit und voller Wucht schlug er auf den Mann mit der Faust und einer leeren viereckigen Wodkaflasche ein, „um ihn zu bestrafen, dass er ihm einen trockenen Schlafplatz verwehrte“, wie Richter Josef Große Feldhaus sagte.

Den Trieb, seine Wut abzureagieren, hatte der 38-Jährige aber noch nicht gestillt. Mit Fäusten und der Wodkaflasche richtete er auch den anderen in seinem Schlafsack ganz übel im Gesicht zu.

Opfer erlitten entsetzliche Verletzungen im Gesicht

Die Verletzungen bei beiden, vor allem beim 44-Jährigen, waren katastrophal: Er war am Kopf und Hals derart schwer durch Brüche, Knochenverschiebungen und monströse Blutergüsse verwundet, dass er intubiert werden musste, weil er sonst hätte ersticken können. Es schwebte in akuter Lebensgefahr. Einen Monat lag er im Krankenhaus und verfiel zeitweise in ein Delirium, weil er keinen Alkohol mehr hatte. Beide Opfer haben bis heute Metallplatten im Gesicht.

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Gleisarbeiter alarmierten damals den Rettungsdienst. Noch in der Tatnacht nahm die Polizei den Täter am Tatort fest, er hatte sich nach kurzer Flucht in seinen Schlafsack verkrochen.

Zur Tatzeit hatte er – ähnlich wie die Opfer – 2,64 Promille intus. Trotzdem hielt ihn das Gericht für voll schuldfähig; er war noch Herr seiner Sinne und voll steuerungsfähig.

Angeklagter bat vor dem Bochumer Gericht um Entschuldigung

Er ist wegen Körperverletzung bereits vorbestraft, weil er an einer Essensausgabe für Obdachlose einen Mann mit einem Mülleimer schwer verletzt hatte. Jetzt droht ihm nach der Hälfte der Haftstrafe die Abschiebung nach Lettland.

Vor Gericht bat er um Entschuldigung. Über den 44-Jährigen sagte er über eine Dolmetscherin: „Es wäre nicht geschehen, wenn er mich nicht provoziert hätte; ich habe meine Kraft angewendet, um ihn zu beruhigen.“ Er habe sich gefürchtet, von den beiden angegriffen zu werden. Dieser Art Notwehr-Version folgte das Gericht aber nicht.