Bochum/Gelsenkirchen. Dieser Drogenprozess in Bochum sprengt den Rahmen: 78 Menschen sitzen im Verhandlungssaal trotz Corona-Gefahr. Es geht um Riesenmengen Rauschgift.

Dieser Prozess stellt das Bochumer Landgericht vor eine sehr große Herausforderung: nicht nur wegen der Anklagevorwürfe (Handel mit mehreren 100 Kilo Drogen), sondern auch wegen Corona. Im Sitzungssaal saßen zum Auftakt am Dienstagmittag 56 Verfahrensbeteiligte – und zusätzlich 22 Zuschauende. Kein Platz war mehr frei.

Die Hauptverhandlung findet zwar im größten Saal des Justizzentrums statt, aber auch er hat nicht mehr Fläche als ein Tennisplatz. Den Sitzungsbereich teilen sich acht Angeklagte (alle U-Haft) mit jeweils zwei bis drei Verteidigern, 16 Wachtmeister, sieben Menschen auf der Richterbank, Dolmetscherinnen und Dolmetscher, ein Protokollführer und eine Staatsanwältin. Diese kommt einem etwas verloren vor in der Menschenmenge; sie sitzt am äußeren Ende der Richterbank, weil ihr Stammplatz von einem Teil der Angeklagten und ihren Anwälten belegt ist.

Bochumer Richter: „Wir sind in einer relativ schwierigen Situation“

Bochum- Razzia gegen organisierten Drogenhandel – Festnahmen„Wir sind hier sehr, sehr viele und in einer relativ schwierigen Situation – Corona!“, sagt Vorsitzender Richter Volker Talarowski, der trotz allem tiefenentspannt wirkt. Aber auch er wird wissen, dass Corona dem Verfahren jederzeit große Probleme bereiten könnte. Er bat um „gegenseitige Rücksichtnahme“. Allerdings gab es zum Prozessauftakt zum Beispiel einen Verteidiger, der mittendrin saß und keine Maske trug.

Der Sitzungssaal in Bochum, noch bevor er komplett gefüllt war. Rechts wie links sitzen Angeklagte und Verteidiger.
Der Sitzungssaal in Bochum, noch bevor er komplett gefüllt war. Rechts wie links sitzen Angeklagte und Verteidiger. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

Auch die Anklage hat es in sich: Zwischen April 2020 und Anfang Oktober 2021 sollen die Angeklagten (35 bis 55 aus Bochum, Gelsenkirchen, Duisburg, Bremen und aus den Niederlanden) als bandenmäßig strukturierte Organisation mit Marihuana im dreistelligen Kilo-Bereich gedealt haben. Laut Anklage kam das Rauschgift aus Spanien (Tarragona) und wurde von instruierten Lkw-Fahrern über Frankreich, Luxemburg und Belgien bis nach Deutschland geschmuggelt, wo es weiterverteilt wurde. Teilweise soll das Rauschgift in Straßenwalzen, eingeschweißt gewesen sei.

Angeklagte sollen 1,9 Millionen Euro mit Drogen umgesetzt haben

78 Kilo Marihuana verkauft- Lange Haft für Brüder aus BochumImmer wieder fällt in der Anklage der Name einer Adresse in Gelsenkirchen, auch Bereiche vor Discountern und einem Drogeriemarkt in Gelsenkirchen und in Essen als Drogenumschlagplatz, ebenso Tatorte in Hattingen und Herne. Rund 1,9 Millionen Euro sollen die Angeklagten umgesetzt haben.

22 Sitzungstermine bis Ende Mai

Die 9. Strafkammer hat 22 weitere Sitzungstage bis 24. Mai terminiert. Ob das reicht, ist völlig offen.Die Staatsanwaltschaft Bochum hat vor einiger Zeit eine Schwerpunktabteilung gegen die Organisierte Kriminalität gegründet hat und kann, wie in diesem Fall, damit auch örtlich viel weiträumiger agieren als bisher.

Angeklagt ist auch ein versuchter Handel: Es geht um 300 Kilo Kokain (Kilopreis fast 30.000 Euro). Ein solches Geschäft soll aber nicht zustande gekommen sein. Indes: Auch der Versuch ist strafbar.

Häufig wird in der Anklage auch der damalige Messengerdienst „EncroChat“ genannt, dessen Verschlüsselung häufig von Kriminellen genutzt worden ist.

In dieser Sache hatte die Staatsanwaltschaft Bochum mit einem SEK der Polizei, und Diensthunden am frühen Morgen des 4. Oktober eine große Razzia an 14 Objekten in Bochum und anderen Orten gestartet. Parallel zur Razzia in NRW wurden sechs Objekte in Spanien durchsucht, unterstützt von der Mossos d’Esquadra, der katalanischen Polizei.