Essen/Düsseldorf. Bei Razzien im Zuge der Encrochat-Ermittlungen hat die Polizei bislang 187 Haftbefehle vollstreckt. Innenminister Reul: „Falle für Kriminelle.“

Was die französischen Ermittlungsbehörden ihren deutschen Kollegen im Sommer vor anderthalb Jahren zur Verfügung stellten, war wie eine Schatzgrube: Im Juni 2020 sichtete das Landeskriminalamt (LKA) erstmals Datensätze aus dem Netzwerk des Krypto-Anbieters Encrochat, einer Art „WhatsApp“ für Kriminelle, dessen Verschlüsselung die Franzosen geknackt hatten. Für Staatsanwaltschaft und Polizei in NRW ein Quantensprung im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität. Es geht dabei um Taten quer durch das Strafgesetzbuch mit einem klaren Fokus: „Der Schwerpunkt der Verfahren liegt im Handel von Betäubungsmitteln“, heißt es aus dem LKA, bei dem die Encrochat-Fäden zusammenlaufen.

Eine Zwischenbilanz nach anderthalb Jahren auf Anfrage dieser Redaktion fördert beeindruckende Zahlen zu Tage: Die Polizeibehörden in NRW haben im Zeitraum von Mitte 2020 bis Jahresende 2021 im Encrochat-Komplex insgesamt 1026 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Insgesamt vollstreckten die Behörden bislang 187 Haftbefehle. Häufig kommen bei den Razzien gegen die Dealer Spezialeinheiten der Polizei zum Einsatz - aus gutem Grund. Bei den Durchsuchungen fanden die Beamten insgesamt 76 Schuss- und 37 Hieb- oder Stichwaffen. Großangelegte Aktionen gegen mehrere Banden gab es in letzter Zeit unter anderem in Gelsenkirchen, Duisburg, Oberhausen oder Hagen.

Die Menge sichergestellter Drogen fasst das LKA so zusammen:

  • Kokain: ca. 15,6 Kilogramm
  • Heroin: ca. 1,5 Kilogramm
  • Marihuana: ca. 1,4 Tonnen
  • Haschisch: 156,5 Kilogramm
  • Cannabis-Pflanzen: ca. 17.000 Stück
  • Amphetamine: 54,7 Kilogramm
  • Metamphetamin: 1,3 Kilogramm
  • MDMA (Ecstasy-Tabletten): ca. 17.000 Stück

Den Kriminellen geht es auch finanziell an den Kragen. 5,3 Millionen Euro konnten im Zuge der Razzien bislang vorläufig sichergestellt werden. Zudem will die Staatsanwaltschaft Vermögensarreste in Höhe von circa 26 Millionen Euro einziehen lassen.

Reul: „Encrochat ist zur Falle für Schwerkriminelle geworden“

Ein Diensthundeführer der Polizei bei der Durchsuchung eines Hauses in Essen.
Ein Diensthundeführer der Polizei bei der Durchsuchung eines Hauses in Essen. © dpa | JUSTIN BROSCH

Entsprechend positiv fällt die Bilanz von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) aus: „Encrochat ist zur Falle für Schwerkriminelle geworden. Bei unseren Durchsuchungen finden wir regelmäßig große Mengen an Drogen, Waffen und Bargeld.“ Reul weiter: „Die Entschlüsselung dieser kryptierten Kommunikation und die Auswertung der Daten stellt uns zwar vor enorme personelle Herausforderung, hat uns aber im Kampf gegen Organisierte Kriminalität einen großen Schritt nach vorne gebracht.“

Beendet ist dieser noch lange nicht: Etliche Verfahren dauern an. Die Behörden ermitteln auf Basis der Encrochat-Daten weiter auch verdeckt im Umfeld der Dealer-Gruppierungen. Die nächste Razzia dürfte nur eine Frage der Zeit sein.