Bochum. Er kennt die Organisierte Kriminalität wie keiner in Bochum. Nach 34 Jahren geht Oberstaatsanwalt Dr. Christian Kuhnert (65) in Pension.

34 Jahre war Oberstaatsanwalt Dr. Christian Kuhnert von Bochum aus allen Sorten von Straftätern und Verbrechern auf der Spur. Sein Schwerpunkt war die Organisierte Kriminalität wie Schutzgelderpressung, Drogenhandel, Falschgeld und Betrug. Mit 65 Jahren geht er jetzt in Pension. Seine Erfahrung als Chefermittler ist legendär. Quasi nebenbei war er jahrzehntelang Pressesprecher seiner Behörde.

WAZ: 34 Jahre bei der Staatsanwaltschaft Bochum und immer ganz vorne weg im Kampf gegen schwere Kriminalität: Sie gelten aufgrund Ihrer Erfahrung als Ermittlerlegende. Was sagen Sie dazu?

Christian Kuhnert: Ob ich eine Legende bin, beurteile ich nicht. Ich hatte den großen Vorteil, auf viele Jahre zurückblicken zu können, das erleichtert vieles. Und ich konnte auf viele Kollegen zurückgreifen, die ebenfalls langjährig in meinem Metier tätig sind.

Täter in der Organisierten Kriminalität sind mobiler und technisch versierter geworden

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WAZ: Was schätzen Sie: Wie viele Ermittlungsverfahren haben Sie selbst geführt?

Mehrere Hundert werden es auf jeden Fall gewesen sein. Wobei ein einziges Verfahren mit vielen Taten und Beschuldigten und auch Nebentätern sehr umfangreich sein kann. Wenn man zum Beispiel eine Tat mit hochwertiger Beute hat, hat man auch Leute, die sich um den Absatz der Beute kümmern.

WAZ: Sie haben seit dem Jahr 2000 die Abteilung Organisierte Kriminalität geleitet. Was hat sich in dieser Zeit auf Täterseite wesentlich geändert?

Die Täter sind weitaus mobiler und technisch versierter geworden. Und sie nutzen die neuesten technischen Kommunikationsmittel wie zum Beispiel Krypto-Handys. Das sind Handys, die mit bestimmter Software alle Daten verschlüsseln.

Angeklagter brach vor dem Urteil aus dem Gericht aus – „Hat mich sehr geärgert“

WAZ: Vor kurzem wurde in Bochum eine Schwerpunktstaatsanwalt zur Bekämpfung der OK gegründet, die Sie ebenfalls leiten.

Wir sind ähnlich jetzt wie die Bochumer Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität örtlich breiter aufgestellt. Wir können nun weit über den ohnehin schon großen Bezirk des Landgerichts Bochum hinaus agieren.

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WAZ: Hat die Gewaltbereitschaft in der Kriminalität zugenommen?

Sie ist nicht weniger geworden, hat aber auch nicht eklatant zugenommen.

WAZ: Gibt es einen besonders schweren Fall, der ungelöst geblieben ist, den Sie aber unbedingt noch hätten aufklären wollen?

Im Jahr 2016 ist der Chef einer großen georgischen Einbrecherbande aus dem Gebäude des Landgerichts geflohen, während der laufenden Hauptverhandlung in einer Mittagspause. Bis heute ist er auf der Flucht. Das Verfahren gegen zehn Angeklagte war sehr aufwendig. Sozusagen fünf Minuten vor Schluss ist es ihm gelungen, sich der Strafverfolgung zu entziehen. Das hat mich sehr geärgert.

Elend und Gewalt in den Fällen sollte man nicht an sich heranlassen

Nachfolgerin ist Oberstaatsanwältin Ute Haas

Die Nachfolge von Christian Kuhnert steht bereits fest.

Die Leitung der Abteilung Organisierte Kriminalität übernimmt Oberstaatsanwältin Ute Haas.

Sie arbeitet ebenfalls bereits seit sehr vielen Jahren für die Staatsanwaltschaft Bochum.

Bei der Staatsanwaltschaft Bochum arbeiten 88 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie – für kleinere Strafsachen – 19 Amtsanwältinnen und Amtsanwälte.

WAZ: Sie haben naturgemäß in Ihrer Laufbahn viel Elend, viel Gewalt und viel Kaltblütigkeit erlebt. Blieb einiges davon bis heute in den Kleidern hängen? Wenn ja, haben Sie ein Beispiel?

Man muss versuchen, dem mit einer gewissen Professionalität zu begegnen. Man sollte das nicht an sich heranlassen, damit man objektiv bleiben kann. Wenn Sie mich jetzt hier fragen, fällt mit spontan nichts ein.

WAZ: Einige Richter und Polizeibeamte tun sich schwer, bei Ihrer Pensionierung loszulassen. Wie halten Sie es?

Das ist eine zwiespältige Angelegenheit. Bei der Staatsanwaltschaft Bochum habe ich mich immer sehr wohl gefühlt, weil dort eine tolle Kollegialität herrscht. Aber irgendwann muss auch gut sein.

Endlich kein Termindruck mehr

WAZ: Was machen Sie zukünftig, wozu Sie bisher keine Zeit hatten?

Es ist sicher schön, nicht mehr unter Termindruck zu leben. Ich habe genug zu tun, deshalb mache ich mir um meine Zukunft keine Sorgen.