Bochum. Zum „Tag der Stadtnatur“ in Bochum hat Förster Hannes Rüge durch einen jungen Birkenwald geführt. Ein Wald, der auf Industrieschutt wächst.

Im Wald ist es wie in den Bergen ab 2000 Höhenmetern: Da sagt man Du zueinander, auch wenn man sich gar nicht kennt. Stadtförster Hannes Rüge jedenfalls fragte seine Gäste am Freitag zu Beginn eines Spazierganges durch einen kleinen Wald in Bochum-Hordel, ob man sich duzen könne.

Einstimmiges Ja.

An zwei Tagen hat die Stadt wieder zum „Tag der Stadtnatur“ mit vielen Veranstaltungen geladen, und eine war eine „Waldführung“. Es handelte sich diesmal aber um keinen gewöhnlichen Buchen- oder Mischwald, wie er in Bochum üblich ist. Rüge stellte einen „Vorwald im urbanen Raum“ vor. Sechs Interessenten kamen, ausschließlich junge oder relativ junge Leute. Der Wald ist ihnen sehr wichtig.

„Der Wald breitet sich von ganz allein aus“

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„Warum ist das Ruhrgebiet eigentlich so grün?“ lautete der Titel der Führung. Die Antwort lautet: Weil es hier so viele verlassene Halden und Industriebrachflächen gibt, auf denen sich binnen weniger Jahrzehnte von ganz allein, ohne menschliches Zutun, viele Waldgebiete entwickelt haben.

Dieser namenlose Wald in Hordel ist so einer. Er ist erst rund 40 Jahre alt – ein Wimpernschlag in der Waldzeitrechnung. „Hier wurde nie aufgeforstet, aber der Wald breitet sich von alleine aus“, sagt Rüge.

Der Boden dort ist karg und nährstoffarm: Industrieschutt, Steine vor allem, überwachsen lediglich von Moosen und anderen Kleinstgewächsen. Ein eigentlicher Waldboden hat sich hier noch gar nicht entwickelt, weil sich noch kaum Biomasse angesammelt hat von herabgefallenen und zersetzten Blättern und Ästen und milliardenfachen Organismen wie Käfern, Insekten, Würmern und Pilzen.

Birke ist die dominierende Baumart in dem Wald, aber nicht die einzige

Stadtförster Hannes Rüge zeigt eine Eibe, ein Nadelgewächs.
Stadtförster Hannes Rüge zeigt eine Eibe, ein Nadelgewächs. © FUNKE Foto Services | Gero Helm

Eine Buche – die meist vertretene Waldbaumart in Bochum – hätte dort keine Chance. Wohl aber sind viele Tausend Birken gewachsen und dominieren alles um sie herum. Birken kommen auch mit wenig Nährstoffen klar.

„Hier auf dem kargen Boden hat es die Birke geschafft“, sagt Rüge. Sie würde hier aber „am Existenzminimum“ leben. Deshalb ist der Wald – anders als die bekannten Bochumer Wälder – mit rund 15 Metern Höhe nur relativ niedrig und weist viele Lichtungen auf, auf denen fast nichts wächst, jedenfalls kein Baum.

Neben und unter ihr wachsen auch der Bergahorn, der Feldahorn, die Rot- und die Stieleiche, die Esche, der Hartriegel, die Eibe, der Holunder, die Brombeere, der Weißdorn und ganz am Boden auch die Walderdbeere. Und zwischen allem sprießt überall das Moos. Ein Wald im Anfangsstadium.

„Ein Förster guckt vor allem auf den Boden“

Waldgebiet ist leicht zugänglich

Der nur einige Hektar große Wald südlich der Hüller-Bach-Straße ist leicht zugänglich, etwa von der Straße Im Zugfeld aus, am Friedhof in Hordel. Dort befindet sich auch ein Parkplatz.

Durch den Wald führen zahlreiche Trampelpfade.

In direkter Nähe befindet sich auch das Naturschutzgebiet „Blumenkamp“, Bochum tiefstgelegener Punkt.

Im Programm zum „Tag der Stadtnatur“ standen 59 Akteure und 59 Veranstaltungen für Jung und Alt: zum Beispiel Angebote zum Forschen und Entdecken, Führungen, Gartenbesichtigungen, Infostände, Mitmach-, Spiel- und Bastelangebote, naturkundliche Wanderungen, Pflanzaktionen, Radtouren, Rallyes, Vorträge und Verkostungen.

In 100 bis 150 Jahren, schätzt der Förster, wird der Wald sich so weit entwickelt haben, dass er den anderen, ausgewachsenen Wäldern in Bochum „in nichts nachstehen“ wird. Dann habe sich genug Waldboden entwickelt, der elementar wichtig sei. Der Wald sei ein Ökosystem, ein Kreislauf, nicht nur eine Ansammlung von Bäumen. „Ein Förster guckt vor allem auf den Boden“, sagt Rüge einmal.

Interessiert hört die Gruppe zu und stellt Fragen. Auch eine nach dem Klimawandel kommt. Einzelne Baumarten könnten Schaden nehmen, durch Käferbefall wie jetzt die Fichten oder auch klimatische Veränderungen. Der Wald insgesamt aber werde nicht verschwinden. „Da sehe ich keine Gefahr.“

Er achte immer auf eine gute Durchmischung der Wälder mit verschiedenen Baumarten und entnehme immer nur einzelne Exemplare. „Wir nehmen nur das weg, was auch wieder nachwächst.“