Bochum. Das Naturschutzgebiet (NSG) Blumenkamp ist der tiefste Punkt Bochums. Ein Bergsenkungssee. Das ist auch das NSG Hofsteder Weiher.

Dieses kleine Gewässer an der Grenze zwischen Hordel und Günnigfeld hat zwei Besonderheiten: Es ist der tiefste Punkt der Stadt Bochum (43 Meter über NN). Außerdem ist das Wasser das Herzstück eines Naturschutzgebietes, des kleinsten und ältesten, das es in Bochum gibt. Es heißt „Blumenkamp“ und misst nur 3,7 Hektar Fläche.

Ohne den Bergbau hätte es dieses Naturschutzgebiet nicht gegeben. Das Gelände liegt so tief, weil es Bergsenkungen gab. Die Mulde füllte sich später mit Regenwasser – und wurde zu einer Heimat für Amphibien vielerlei Art, vor allem Erdkröten. Sie kommen zum Beispiel aus dem Kruppwald und passieren Krötentunnel unter der Blücher-straße, um im Blumenkamp-Wasser zu laichen. Auch die seltenen Geburtshelferkröten und Kammmolche leben dort; beide stehen auf der Roten Liste bedrohter Arten. Graureiher und Teichhühner fühlen sich hier ebenfalls wohl. „Und Stockenten haben wir jede Menge“, sagt Landschaftsarchitektin Sina Friedrich vom Umwelt- und Grünflächenamt. Nur: „Einen Schwan haben wir hier nicht.“

Völlig ausgetrocknet nach diesem Hitzesommer: der Hofsteder Weiher. Nur wenige Meter entfernt donnern täglich Zehntausende Pkw über die Dorstener Straße.
Völlig ausgetrocknet nach diesem Hitzesommer: der Hofsteder Weiher. Nur wenige Meter entfernt donnern täglich Zehntausende Pkw über die Dorstener Straße. © Dietmar Wäsche

Schon seit 1985 steht dieses Gewässer, das auf der einen Seite von der Blücherstraße und von der anderen von der steilen, heute von Radfahrern genutzten Erzbahn-Trasse flankiert wird, unter strengstem Schutz. Ein engagierter Bürger soll dafür gesorgt haben. Auf dem von Rubinien bewachsenen Bahnkörper kriechen zum Beispiel Zauneidechsen. „Bahndämme sind ein typischer Lebensraum für Eidechsen, zumindest in Ballungsräumen“, sagt die Naturschützerin. Wegen der Hohlräume im Schotter als Rückzugsort und weil die Steine sich sehr schnell aufheizen.

Aktuell ist der Wasserstand wegen der langen Trockenheit extrem niedrig, er liegt rund einen Meter unter dem Normalpegel. Viel Schlamm liegt jetzt frei. Teile des Wurzelwerkes der vielen Erlen, die mitten im Gewässer stehen, hängen frei in der Luft herum.

Sonnenbadeplatz für Wasserschildkröten

Wie die vielen Erlen, aber auch Weiden, dort mitten im Wasser stehen, hat etwas Mystisches und Verwunschenes. Sie muten wie ein sumpfiger Mangrovenwald an. Viel Totholz liegt quer auf der Wasseroberfläche; ein super Landeplatz für Vögel und Sonnenbadeplatz für Wasserschildkröten. Aktuell leben dort kleine Fische, Schnecken und Libellenlarven. Aus dem Wasser ragen zahlreich die Stümpfe uralter Baumstämme heraus, die die Nässe nicht überlebt haben. Sie sind Zeugen, wie sich im Laufe der Jahrzehnte eine nutzlose Brachfläche in ein kleines wertvolles Naturparadies verwandelt hat.

Ein junger Grasfrosch sitzt auf einer Holzbole am Ufer des NSG Hofsteder Weiher.
Ein junger Grasfrosch sitzt auf einer Holzbole am Ufer des NSG Hofsteder Weiher. © Dietmar Wäsche

Sina Friedrich wird die „Ebbe“ nutzen, um die Erlen zurückschneiden zu lassen. Sie werfen zu viel Schatten. Amphibien und andere wassergebundene Tiere wie etwa Wasservögel oder Libellen brauchen aber besonnte Gewässer.

Umlaufen kann man das NSG Blumenkamp nicht. Es gibt nur einen öffentlichen Weg – „Am Blumenkamp“ – auf nur einer Seite. Zu erreichen ist er von der Blücherstraße, gegenüber der Kirchstraße. In allen NSG ist das Verlassen der Wege verboten, und Hunde müssen an die Leine. Trotzdem sind hier und da Trampelpfade zu erkennen.

Natur und Krach prallen aufeinander

Das Gleiche gilt für ein weiteres kleines Naturschutzgebiet (5,6 Hektar), das ebenfalls ein Bergsenkungsgewässer mit Regenwasser ist: der Hofsteder Weiher. Dieses NSG liegt an der östlichen Seite der Dorstener Straße, hart an der Grenze zu Herne. Fast unberührte Natur und hektischer Großstadtkrach prallen hier mit unglaublicher Direktheit aufeinander.

Dieses NSG hat ein Alleinstellungsmerkmal in Bochum: Es ist von keiner einzigen Seite öffentlich zugänglich, es hat keinen einen einzigen Weg. Trotzdem führen Trittspuren durch einen wilden Mischwald zum Weiher, wo der schilfartige Röhricht am Ufer wächst. Dort, wo früher gern geangelt und gebadet wurde, herrscht zurzeit ein trauriges Bild: Der komplette Weiher, ein Stillgewässer, auf dem sonst Schwimmblattteppiche, Wasservögel und seltene Insekten leben, ist total ausgetrocknet. Es sieht aus wie eine Steppe mit Rissen im Boden. Müll von Besuchern, die es sich am Ufer haben gut gehen lassen, liegt massenhaft offen herum, nachdem er zuvor unter Wasser nicht sichtbar war. Mitten in einer Naturschutzzone.

Munter hüpft ein junger Grasfrosch über den Schlamm. Weil alle Fische im Weiher tot sind und im nächsten Frühjahr keine Laich mehr fressen werden, wird er bald besonders viele neue Artgenossen bekommen. „Er und seinesgleichen haben im nächsten Jahr beste Bedingungen“, sagt Sina Friedrich.

>>Naturschutzserie ist eine Reaktion auf Leserwünsche

In unserer Befragung zum Start von ProBO, dem lokaljournalistischen „Projekt Bochum“, haben Leser an erster Stelle Berichte über Natur und Umwelt vermisst. Auf den Wunsch haben wir mit der Serie „Naturschutz in Bochum“ reagiert. Bei der Befragung kritisierten 41,4 Prozent der 1157 Teilnehmer, in der Lokalausgabe werde zu wenig über Natur und Umwelt berichtet (alle Ergebnisse: waz.de/leser).

Die Wasserschildkröten im Blumenkamp sind ein Problem. „Weil sie alles fressen, was uns wichtig ist: Amphienlaich, Kaulquappen, Libellenarten, kleine Fische“, so Sina Friedricht. Ausgesetzt wurden die Schildkröten von Terrarienbesitzern.