Bochum. Gymnasium oder Hauptschule? Welche Schulformempfehlung es gibt, hängt in Bochum oft vom Stadtteil ab. Zahlen zeigen gravierende Unterschiede.

Mehr als jede zweite Schülerinnen und jeder zweite Schüler in den Bochumer Stadtteilen Hamme, Westenfeld, Kruppwerke, Werne und Wattenscheid-Mitte bekommt eine Schulempfehlung für die Haupt- oder maximal eingeschränkt für die Realschule. Das ergeben Zahlen der Stadt Bochum, auf die die Wählergruppe „Die Stadtgestalter“ hinweist. Auffällig: Gerade in diesen Stadtteilen gibt es besonders viele Arbeitslose. Woanders ist die Entwicklung gegensätzlich.

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Um vergleichen zu können, welche die Schulempfehlungen Kinder durchschnittlich in den einzelnen Bochumer Stadtteilen bekommen, berechnet die Stadt den „Index der Schulformempfehlungen“ (s. Infobox). Dieser kann zwischen eins und drei liegen – und macht deutlich, wie groß die Unterschiede verteilt über das Stadtgebiet sind:

Schulempfehlung in Bochum: Große Unterschiede in Stadtteilen

Was ist der „Index der Schulformempfehlungen“?

Der Index der Schulformempfehlungen gibt an, für welche Schulform Kinder im jeweiligen Stadtteil eine Empfehlung haben. Die Werte liegen zwischen eins und drei.

Für eine Hauptschulempfehlung gibt es einen Punkt, für eine Hauptschulempfehlung mit eingeschränkter Realschulempfehlung 1,5 Punkte. Eine Realschulempfehlung wird mit zwei, eine Gymnasialempfehlung mit drei Punkten gewichtet.

Den niedrigsten Wert hat mit 1,77 Hamme, gefolgt von Westenfeld (1,79). Auch Kruppwerke, Werne und Wattenscheid-Mitte haben einen Indexwert unter zwei. Stiepel hingegen liegt bei 2,89 – ein sehr großer Anteil der Schülerinnen und Schüler erhält hier die Empfehlung für das Gymnasium. Auch in Wiemelhausen (2,66) und Weitmar-Mark (2,64) erhält mehr als die Hälfte alle Kinder mindestens die eingeschränkte Gymnasial-Empfehlung.

Insgesamt fällt auf: Im Süden (2,43) und Südwesten (2,47) der Stadt bekommen deutlich mehr Schülerinnen und Schüler Empfehlungen für das Gymnasium. Niedriger liegt der Wert im Stadtbezirk Mitte (2,23), noch deutlich niedriger im Norden (2,17), Osten (2,12) und Wattenscheid (2,05).

Doch wo liegen die Gründe? Eine mögliche Ursache: Hamme, Westenfeld, Kruppwerke, Werne und Wattenscheid-Mitte gehören zu den sieben Stadtteilen in Bochum, in denen die Arbeitslosigkeit am höchsten ist. „Sozialer Aufstieg ist in Bochum weiterhin viel zu wenigen Menschen möglich, Bildungsgrad und gesellschaftlicher Stand werden in der Regel vererbt“, erklären hierzu die Stadtgestalter. Entsprechend ist in den Stadtteilen, in denen die Zahl der Menschen, die von Transferleistung

Wo viele Arbeitslose leben, bekommen Kinder oft die Hauptschulempfehlung

Der Anteil der Menschen, die von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld leben, liegt demnach bei über 20 bis fast 30 Prozent und ist in den vergangenen 15 Jahren stark angestiegen. In Hamme beispielsweise um fast 8 Prozent, in Wattenscheid-Mitte um mehr als 30 Prozent.

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„Die beschriebene Entwicklung wird bisher von der Stadtpolitik mehr oder weniger achselzuckend hingenommen“, kritisieren Stadtgestaltern. Das sieht man bei der Stadt anders: Sie versuche, „durch vielfältige Maßnahmen eine größere Bildungsgerechtigkeit herbeizuführen. Gemeinsam arbeiten das Jugendamt und das Regionale Bildungsnetzwerk daran, (...) engagiert einer wachsenden Bildungsungleichheit entgegenzuwirken“, so Stadtsprecher Thomas Sprenger auf Anfrage.

Das Regionale Bildungsnetzwerk, angesiedelt in der Schulverwaltung, nehme dabei auch den Übergang von Jahrgang vier in die weiterführenden Schulen in den Fokus – mit verschiedenen Projekten und Kooperationen. „Diese Maßnahmen sind vielfältig und bindet viele Partner in der Region ein. Zum einen werden konkrete Projekte an Schulen umgesetzt und zum anderen Aufklärungsarbeit durch Veröffentlichung vorangetrieben“, so Sprenger.

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Schlechte Schulempfehlungen – Schulleitungen äußern sich nicht

Trotz vieler Projekte – die Unterschiede an den Schulen sind da, das belegen die Zahlen. Gerne hätte unsere Redaktion auch mit den Leitungen der Grundschulen in den Stadtteilen Hamme, Westenfeld, Kruppwerke, Werne und Wattenscheid-Mitte gesprochen. Wie erklären sich die Pädagogen die Zahlen? Was muss ihrer Meinung nach getan werden, um gegenzusteuern? Trotz Anfrage haben wir leider keine Antworten bekommen.

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Ob die Ideen und Projekte der Stadt helfen und wie sich die Zahlen entwickeln, wird die Zukunft zeigen. Eine Einschätzung möchte die Stadt Bochum nicht abgeben: „Eine belastbare Prognose lässt sich insbesondere vor den noch nicht genau abschätzbaren Auswirkungen der Corona-Epidemie nicht abgeben“, so Stadtsprecher Thomas Sprenger. Grundsätzlich gehe die Stadt Bochum aber davon aus, dass die vorgenannten zahlreichen Maßnahmen dauerhaft positive Auswirkungen haben werden.