Bochum. 30 oder mehr Kinder sitzen in manchen Bochumer Grundschulklassen. Die Schülerzahlen wachsen, doch konkrete Ideen, die helfen, bleiben bisher aus.
„Meine Enkelin besucht zurzeit die zweite Klasse einer Wattenscheider Grundschule mit mehr als 30 Mitschülern. Nach den Sommerferien startet mein Enkel – Stand heute mit 31 Kindern in seiner Klasse“, schildert ein Großvater aus Bochum in einem Brief an unsere Redaktion. Er befürchtet, dass viele Eltern von Lernanfängern in ein paar Wochen böse überrascht werden. Doch: „Diese Information darf laut Lehreraussagen nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Ein schlechter Ruf der Schule wird befürchtet?“, mutmaßt der Großvater.
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Wie steht es um die Größe der Grundschulklassen im Stadtgebiet? „Auf Basis der aktuellen Schulstatistik für das Schuljahr 2020/2021 gibt es an fünf städtischen Grundschulen insgesamt sechs Klassen mit 30 oder mehr Kindern“, teilt Nina Christin Menken, Sprecherin der Stadt Bochum auf Anfrage mit. Perspektivisch werden die Schülerzahlen in den nächsten Jahren steigen.
Große Grundschulklassen in Bochum: „Schwierig, Kindern wirklich gerecht zu werden“
Eine Abfrage bei den Leitungen der Grundschulen zeigt aber, dass es in Bochum auch einige Schulklassen mit annähernd 30 Schülerinnen und Schülern gibt. „Da etliche Kinder Förderbedarf haben, ist es in solch einer großen Klasse äußerst schwierig, den Kindern wirklich gerecht zu werden“, berichtet die Leitung einer Grundschule, die anonym bleiben möchte.
Eine andere Grundschule in Bochum besuchen pro Klasse im Schnitt 26 oder 27 Mädchen und Jungen. „In großen Klassen ist eine individuelle Förderung eine deutlich größere Herausforderung. Es fällt schwer noch alle Kinder im Blick zu behalten und differenziert zu fördern“, berichtet die Schulleitung, die ebenfalls nicht namentlich genannt werden möchte. Für sie liege der Schwellenwert bei circa 24 bis 25 Kindern, darüber hinaus merke man die Belastung deutlich.
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Die Größe der Eingangsklassen zum kommenden Schuljahr könnten zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht verlässlich bestimmt werden, heißt es von der Stadt. Bis zum tatsächlichen Schuljahresbeginn ergeben sich u. a. durch Zu- und Wegzüge noch zahlreiche Veränderungen. „Es gibt derzeit keine Stadtteile, in denen die Entwicklung (Klassen mit 30 oder mehr Schülerinnen und Schülern) besonders zu beobachten ist. Es handelt sich eher um einzelne Schulen“, so Sprecherin Menken.
Eltern aus Bochum schätzen Vorzüge von kleinen Klassen
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Die Eltern in Bochum sind besorgt: „Es sind zu viele in einer Klasse, die Lehrerin ist oft überfordert, da sie sich nicht um 28 Kinder gleichzeitig kümmern kann. Daraufhin sind viele Schüler benachteiligt“, schildert ein Vater aus Bochum. Mutter Miriam Burmann weiß um die Vorzüge der kleineren Klassen: „Wenn man mal die Corona-Zeit nimmt und die geteilten Klassen betrachtet, war ein zügiges Arbeiten für die Lehrer viel mehr möglich. Es konnte viel besser auf jedes Kind eingegangen werden.“
Immer mehr Schüler in Bochum – was plant die Stadt?
Neben der Schaffung von Schulraum soll auch durch verbesserte Nutzungskonzepte der Entwicklung größerer Klassen entgegengewirkt werden, heißt es von der Stadt Bochum.
Parameter für die Größe einer Klasse seien allerdings nicht nur die zur Verfügung stehenden Raumkapazitäten, sondern maßgeblich auch die personellen Ressourcen, also die Menge der verfügbaren Lehrkräfte.
„Hier ist nicht die Stadt Bochum, sondern das Land gefragt“, so Sprecherin Nina Christin Menken.
Doch leerer wird es in vielen Klassen erst einmal nicht: Einen Höhepunkt in Sachen Schülerzahlen erwartet die Stadt für das Schuljahr 2024/2025, konkrete Pläne für den Umgang damit gibt es aber noch nicht. Sie arbeite aktuell an der Fortschreibung der Schulentwicklungsplanung Grundschulen, die erstmalig um Pläne für außerunterrichtliche Betreuungsangebote ergänzt werde. Zudem gebe es eine vom Ausschuss für Schule und Bildung eingesetzte Arbeitsgruppe, die entsprechende Maßnahmen plane.
Differenziertes Arbeiten – auch in großen Klassen möglich?
Die Grundschulen in Bochum haben mittlerweile ihre Wege gefunden, mit großen Schulklassen umzugehen: „Natürlich ist es einfacher in kleinen Klassen Kinder individueller zu begleiten, zu unterrichten und zu fördern“, erklärt zum Beispiel Stephan Vielhaber, Schulleiter der Köllerholzschule, wo im Schnitt 25 bis 26 Kinder in einer Klasse sind.
Trotzdem sei es möglich, auch in größeren Klassen differenziert zu arbeiten, wenn die Anlage des Unterrichts stimme, dieser Selbstorganisation und Schülerzentrierung zulasse und durch passgenau rhythmisierte Ganztagsangebote unterstützt werde. „Dabei ist das Arbeiten in Jahrgangsteams unerlässlich, weil es Feedback gibt, Kinder nicht aus dem Blick geraten und der Teamgedanke den Lehrkräften Kraft und Ruhe gibt“, so Vielhaber.