Bochum/Finnland. Ance Schneider wuchs in Bochum auf, aber in ihrer Brust schlugen schon immer zwei Herzen. 1989 entschied sie sich, ihre Heimatstadt zu verlassen.

Als das Telefon an der finnischen Süd-Ost-Küste in Hamina klingelt, läuft bei Ance Schneider das Radio. „Gerade spielt der VfL Bochum“, sagt Schneider. Obwohl sie mehr als 2000 Kilometer von Bochum entfernt wohnt, genug Zeugnisse von ihrer einstigen Heimat gibt es noch: „Ich habe zum Beispiel mit Fördertürmen und typischen Symbolen der Ruhrkultur dekoriert“, verrät die 53-Jährige.

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In Bochum wohnt sie bereits seit 1989 nicht mehr. Von langer Hand geplant war die Auswanderung nicht. Aber 1986 verbrachte Schneider die Weihnachtsferien – wie so oft – bei ihren Großeltern in Finnland. „An Silvester habe ich eine Freundin dann auf eine Feier begleitet“, erinnert sie sich. Eigentlich wollte sie gar nicht mitgehen, entschied sich dann aber doch dafür. Und wer weiß – wäre sie daheim geblieben, vielleicht wäre sie am Ende nie nach Finnland ausgewandert. Auf der Party lernte sie den „netten jungen Mann“ kennen, den sie vier Jahre später heiraten sollte.

Nach dem Abitur am Ostring in Bochum nach Finnland ausgewandert

Weihnachten 1986 war Schneider aber noch Schülerin, musste zunächst zurück nach Deutschland. „Nach dem Abitur am Ostring bin ich dann nach Finnland ausgewandert“, sagt Schneider, die zweisprachig aufgewachsen ist und die Friederika-Grundschule besuchte. Zunächst arbeitete sie in Hamina, 150 Kilometer östlich von der Hauptstadt Helsinki, in wechselnden Gelegenheitsjobs, dann entschied sie sich, Lehrerin zu werden. „Ich arbeite heute an der Volkshochschule und unterrichte Finnisch für Migranten“, sagt die Mutter einer Tochter.

Ance Schneider aus Bochum ist nach Finnland ausgewandert. Sie lebt dort an der Süd-Ost-Küste – etwas das das Ruhrgebiet nicht bieten kann.
Ance Schneider aus Bochum ist nach Finnland ausgewandert. Sie lebt dort an der Süd-Ost-Küste – etwas das das Ruhrgebiet nicht bieten kann. © Ance Schneider

Wirklich schwer fiel ihr der Schritt nach Finnland nicht. „Durch meine Ferienbesuche bei den Großeltern kannte ich die Stadt und die Kultur. Ich hatte hier auch einen Freundeskreis und konnte finnisch sprechen“, sagt Schneider. Inzwischen sei Finnisch ihre starke Sprache geworden – dabei hatten die Großeltern noch zu Schulzeiten gefürchtet, sie könne es ganz verlernen. An das neue Leben musste sie sich trotzdem. „Die Finnen sind etwas ruhiger und vorsichtiger im Kontakt“, vergleicht sie. Habe man sie aber erst einmal kennengelernt, seien sie besonders herzlich und gute Freunde.

Bochumer Auswanderin: „Man hat immer Heimweh“

Zurückkommen nach Bochum – das ist immer eine Option geblieben. „Wenn ich schlecht drauf bin, dann habe ich immer solche Gedankenspiele“, sagt die Emigrantin, die in Bochum einst Jazz in der Tanzschule Sostarich tanzte und in der Theater-AG am Ostring spielte. Doch sie ist sich sicher: „Wenn ich nach Bochum ziehen würde, würde ich die finnische Kultur wieder vermissen. Das ist das Schicksal all jener, die in zwei Kulturen hineingeboren werden: Man hat immer Heimweh.“

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Es seien vor allem Kleinigkeiten aus dem Bochumer Alltagsleben, die ihr heute fehlten – Geräusche wie Kirchenglocken, Gerüche in der Bochumer Innenstadt oder die direkte Art der Ruhrpottler. So sehr sie sich auch die Finger nach einem Döner aus Bochum lecken könnte – beim Zurückkommen fehlten wohl die karelischen Piroggen und frischer, selbstgeangelter Fisch. „Auch die finnische Sauna würde ich vermissen“, sagt Schneider, die im Winter Eisschwimmen geht.

Bochumerin hat in Finnland deutsche Sitten eingeführt

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Sie liebe es an der Küste zu wohnen, das könne das Ruhrgebiet einfach nicht bieten. Ein paar deutsche Sitten hat sie in Finnland trotzdem eingeführt: „Wir feiern beispielsweise Nikolaus, das kennen die Finnen nicht“, sagt sie. In ihrer Bochumer Zeit ist die 53-Jährige immer besonders gerne im Bermudadreieck unterwegs gewesen und in ihrer alten Wohngegend: Am Steinring und der Oskar-Hoffmann-Straße.

Immer in Ance Schneiders Herzen und dekorativ in Finnland dabei: das Ruhrgebiet.
Immer in Ance Schneiders Herzen und dekorativ in Finnland dabei: das Ruhrgebiet. © Ance Schneider

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Einmal im Jahr besucht die Deutsch-Finnin ihre alte Heimatstadt noch. „Meine Eltern wohnen noch in Bochum“, sagt sie. Wegen der weltweiten Corona-Pandemie musste ihr Besuch 2020 ausfallen, auch für 2021 steht noch nicht fest, ob sie kommen kann. Wenn sie dann aber das nächste Mal im Flieger sitzen wird, dann weiß sie schon: „Es wird sich wie nach Hause kommen anfühlen“.

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