Bochum/Kanada. Lion Budraß zog für das Studium aus Bochum fort, nach Schottland und dann nach Kanada. Warum schnell fest stand, dass er nicht mehr zurückkommt.

In Bochum ist gerade der Winter eingebrochen, als Lion Budraß auf der anderen Seite des Atlantiks den Hörer abnimmt. Ungewohnte Minusgrade halten die Bochumer in Schach, die Stadt ist im Schnee versunken. Budraß kann das nicht schocken. „Hier sind gerade minus 36 Grad. Die kanadische Regierung rät, das Haus nicht zu verlassen, weil man wegen der Kälte innerhalb einer Stunde erfrieren kann“, sagt der 26-Jährige, der in der Stadt Edmonton, Hauptstadt der kanadischen Provinz Alberta, wohnt.

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© funkegrafik nrw | Denise Ohms

Den Tag wird er deshalb größtenteils zuhause verbringen. „Ich muss aber auch noch in die Uni ins Labor“, sagt der Student der Neurowissenschaften, der aktuell an Alzheimer-Erkrankungen forscht. Das Studium, mittlerweile im Master, ist es, welches Budraß aus Bochum führte. Erst ins schottische Aberdeen, schließlich ins kanadische Edmonton. Lust auf das Ausland bekam der einstige Weitmarer aber schon in der elften Klasse, als sein Vater – Wirtschafts- und Technikhistoriker an der Ruhr-Universität Bochum – ihn für einen Forschungsaufenthalt ein halbes Jahr mit nach Michigan nahm.

Auswanderer vermisst Bochum Total

„Da habe ich mir irgendwann in den Kopf gesetzt, dass ich einmal in Kanada leben würde“, erinnert sich Budraß, der erst die Neuling Grundschule und später das Albert-Einstein-Gymnasium (heute Neues Gymnasium) besuchte. Warum fiel die Wahl auf Kanada? „Es sollte englischsprachiges Ausland sein. Im Vergleich zur USA haben mir außerdem die politischen Werte und die Offenheit besser gefallen“, sagt Budraß.

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Auch die kanadische Natur habe ihn gereizt, sagt Budraß und berichtet von Edmontons Skyline nahe von Berglandschaften, durch die sich der North Saskatchewan schlängelt. „Ich habe das Gefühl, dass man hier an der Universität hinsichtlich seiner Talente mehr gefördert wird“, beschreibt der ehemalige Bochumer die Vorzüge seiner neuen Heimat. Die Kanadier seien offene und herzliche Menschen. Dennoch gibt es Dinge, die er an Bochum vermisst: Etwa Bochum Total und das Bermuda-Dreieck. „So etwas wie eine ganze Straße mit Bars gibt es hier überhaupt nicht und auch die dazugehörige Kultur, draußen zu sitzen und gemeinsam etwas zu trinken, fehlt“, sagt der 26-Jährige.

Bochums Skyline hängt in Kanada

Auch das Weitmarer Holz und die Dachterrasse der Ruhr-Universität vermisst er manchmal – sie zählen zu seinen Bochumer Lieblingsorten. „Bei meiner Abreise haben mir Freunde ein Frühstücksbrettchen mit Bochumer Skyline geschenkt, das hängt hier in meiner Wohnung“, erzählt Budraß. In seinem Umfeld habe sein Wegzug erst nach Schottland und dann nach Kanada für gemischte Reaktionen gesorgt. „Manche waren traurig und haben gefragt, warum ich das mache. Andere haben sich gefreut, ein so tolles Reiseziel zu haben, an dem sie mich besuchen könnten“, sagt Budraß, der in Bochum im Christlichen Verein Junger Menschen (CVJM) in Form von Tanz, Gesang und in einer Band aktiv war.

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„Auch hier in Kanada singe ich wieder in einem Chor“, erzählt Budraß. Dort hat er außerdem seinen jetzigen Partner – einen gebürtigen Kanadier – kennengelernt. Der arbeitet im städtischen Autismus-Zentrum von Edmonton. Dass Budraß nicht mehr nach Bochum zurückkehren würde, stand deshalb schnell fest. „Es ist am einfachsten, über ein Studentenvisum dauerhaft nach Kanada zu ziehen, sonst ist es gar nicht so einfach, hier länger wohnen zu können“, erklärt er.

Bochumer backt deutsches Brot in Kanada

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Zu Besuch wolle er natürlich trotzdem noch nach Bochum kommen. Edmonton soll nicht die letzte Station bleiben. Zwar ist sie nach Toronto, Montreal, Vancouver und Calgary die fünftgrößte Stadt in Kanada, liegt aber im Inland. „Ich würde lieber einmal an der Ost- oder Westküste wohnen“, verrät Budraß, der in Bochum in einer Lateinformation getanzt hat.

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Ein neues Hobby hat er in Edmonton derweil entdeckt: typisch deutsches Sauerteigbrot backen. „Es gibt zwar eine recht große deutsche Community und ein deutsches Lebensmittelgeschäft hier, aber 12 Dollar für ein Brot auszugeben, sind mir dann doch zu viel“, sagt er. Brot selbst backen mache außerdem viel mehr Spaß. Und nach Heimat schmeckt das Ganze dann auch noch.

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