Bochum. Der Strukturwandel ist Bochum bislang gut gelungen. Allerdings wachsen die Vorbehalte gegen Bauprojekte und Gewerbeansiedlungen.

Bochum boomt. Firmenansiedlungen,mehr Arbeitsplätze, grundsätzlich steigende, wenn auch gerade Corona-bedingt sinkende Gewerbesteuereinnahmen. Das sind gute wirtschaftliche Rahmendaten. Allerdings gibt es auch Anzeichen für eine gewisse Ansiedlungsskepsis.

Hans-Hermann Hüttemann nimmt das so wahr. Für die Ecosoil Nordwest GmbH sucht der Geschäftsführer einen neuen Standort. In etwa zwei Jahren muss seine Firma für Boden- und Bauschuttaufbereitung in Riemke wegen der Erweiterung des benachbarten Lidl-Zentrallagers weichen. Eigentlich scheint mit Hilfe der Bochum Wirtschaftsentwicklung schon ein neues Zuhause gefunden zu sein. Es geht um das frühere Gelände der Philippine GmbH an der Gerther Straße im Stadtteil Gerthe an der Stadtgrenze zu Castrop-Rauxel. Aber dort regt sich massiver Widerstand gegen eine Ansiedlung von Ecosoil.

Ecosoil-Geschäftsführer ist frustriert

Aus Sicht von Hans-Hermann Hüttemann ist das frustrierend. Dass bei der Aufbereitung Lärm und Staub entstehen, verhehlt er nicht. "Und natürlich auch Verkehr. Aber wir verkaufen doch keine Kalaschnikows. Heute reicht es eben nicht, eine Nachfrage zu erfüllen. Man man sich auch noch moralisch rechtfertigen." Nicht nur gegenüber Anwohnern, oft auch gegen Verwaltungen und Wirtschaftsförderern. In Bochum werde Ecosoil unterstützt, so Hüttemann. Aber bevor die Firma vor einigen Jahren nach Riemke kam, hat sie auch bei anderen Städten angeklopft. "Da hieß es schon zu gleich zu Anfang, wir wollen sie hier nicht."

Den Protest in Gerthe nehme er gar nicht persönlich. "Das ist eine Zeiterscheinung. Die ablehnende Haltung richte sich vielerorts gegen lästige Tätigkeiten, "die man nicht gerne in seiner Umgebung hat".

Vorbehalte bei Bürgern wachsen

Auch Eric Weik nimmt das so wahr. "Das ist definitiv ein Riesenproblem", sagt der Hauptgeschäftsführer der IHK Mittleres Ruhrgebiet mit Sitz in Bochum. "Dabei brauchen wir hier jeden Arbeitsplatz." Die Vorbehalte richten sich nach seiner Einschätzung allerdings nicht nur gegen Industrie- und Gewerbeansiedlungen, sondern auch "gegen Wohnbebauung und überhaupt jede Infrastrukturmaßnahme. Ich kenne noch keine Bürgerinitiative, die sich für einen Wirtschaftsstandort eingesetzt hat."

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"Das ist aber kein Bochumer, sondern ein Ruhrgebietsphänomen", sagt Roland Mitschke, stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender im Rat der Stadt und Fraktions-Chef im Ruhrparlament. Die Schwierigkeiten bei der Aufstellung des neuen Regionalplans machten das deutlich. Noch stärker als bei Gewerbeansiedlungen nimmt er in Bochum Widerstände bei der Planung und beim Bau neuer Wohnquartiere wahr. "Es gibt doch kein Wohnprojekt, das nicht Proteste hervorruft."

CDU fordert mehr Entwicklungsflächen

Dem müsse sich die Politik stellen und "den Mut finden, aufzuzeigen, wo Entscheidungen im Interesse des Ganzen notwendig sind". Von Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD) fordert er, dort, wo Bürger protestieren, persönlich Überzeugungsarbeit für die von ihm propagierte "Ermöglicher-Stadt Bochum" zu leisten.

Aber nicht nur Vorbehalte von Anwohnern und Kritikern drohen aus Mitschkes Sicht die Entwicklung Bochums aufzuhalten. Er gehört zu denjenigen, die eine deutlich stärkere Ausweisung potenzieller Gewerbeflächen fordern.Seit Jahren wird in der Stadt darum gerungen, wie groß dieses Potenzial sein soll. Die Bochum Wirtschaftsentwicklung arbeitet nach eigenen Angaben gerade an einer aktuellen Aufstellung. Sie soll zeigen, wo und wie viele Flächen, mit und ohne Restriktionen wie etwa Altlasten im Boden, überhaupt noch zur Verfügung stehen.

Wirtschaftsentwicklung wünscht sich klare Perspektive

„Auch wir beobachten ein größer werdende Konkurrenz beim Thema Flächen. Nicht nur der Bedarf an Gewerbeflächen ist weiter hoch und das Angebot wird immer geringer, es gibt auch einen steigenden Flächenbedarf in den Bereichen Wohnen und Erholung", sagt Rouven Beeck, Geschäftsführer der Bochum Wirtschaftsentwicklung. "Die Diskussion wird mittlerweile insgesamt emotionaler geführt, weil hier zahlreiche widerstrebende und zum Teil auch persönliche Interessen aufeinander prallen." Wichtig sei daher eine "verlässliche politische Perspektive, damit wir Unternehmen und Investoren auch weiterhin attraktive Angebote am Wirtschaftsstandort Bochum machen können.“

Hans-Hermann Hüttemann hält derweil an dem Plan fest, die Ecosoil Nordwest GmbH von Riemke nach Gerthe zu verlegen - trotz eines Alternativplans, der einen Umzug wenige Hundert Meter weiter nach Herne vorsieht, und trotz eines Votums der Bezirksvertretung Nord gegen eine Ansiedlung. "Die Bauvoranfrage dafür wird weiter von uns vorangetrieben", sagt er. Allerdings sei die seit mittlerweile einem Jahr schon in Bearbeitung der Stadt.

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