In Coronazeiten kommen deutlich weniger Bochumer in Notaufnahmen und Arztpraxen. Das entlastet Klinikärzte. Die sehen das aber nicht nur positiv.

In der Coronakrise begeben sich wesentlich weniger Menschen in Arztpraxen und Notaufnahmen in den Bochumer Kliniken. Die Zahl der Rettungsdiensteinsätze geht allerdings nicht signifikant zurück.

Seit Januar verzeichnet die Notaufnahme des Knappschaftskrankenhauses einen Rückgang von „gesichteten und behandelten Patienten“ um etwa 15 bis 20 Prozent. „Die Zahl der Patienten, die in die Notaufnahme kommen ohne ein ,echter’ Notfall zu sein, hat tatsächlich abgenommen“, erklärt Geschäftsführer Hans-Peter Jochum.

Weniger Besuche in der Notaufnahme aus Bequemlichkeit

„Ich begrüße es aber keinesfalls und zu keinem Zeitpunkt, wenn Patienten, die einer echten Notfallbehandlung bedürfen, diese nicht bekommen und da ist mir auch die Arbeitsbelastung egal“, so Jochum. Er begrüße es aber ausdrücklich, „wenn die durch einige wenige Patienten wahrgenommene ,bequemlichkeitsinduzierte Inanspruchnahme’ der Notaufnahme nachlässt“.

Die Klinik würde weiterhin Patienten erst entlassen, „wenn es aus medizinischer Sicht möglich, geboten ist“, so Jochum. Dass sich Patienten aus Angst vor Ansteckungsgefahr nicht in die Notfallbehandlung begeben, sei ihm nicht bekannt. Allerdings hätte Patienten, „wegen der unklaren Gefahrenlage durch die Corona-Pandemie und vor dem Hintergrund der Bilder aus Italien“ ihre elektiven Eingriffe verschoben, so Jochum.

Die wenigen Patienten warten in den Bochumer Notaufnahmen mit Gesichtsmasken, so auch im Wartebereich der Notaufnahme des Katholischen Klinikums Sankt Josef-Hospital.
Die wenigen Patienten warten in den Bochumer Notaufnahmen mit Gesichtsmasken, so auch im Wartebereich der Notaufnahme des Katholischen Klinikums Sankt Josef-Hospital. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

„Die Zahl der Notfälle ist gesunken“, erklärt auch Jürgen Frech vom Katholischen Klinikum. Zwar kämen noch rund 75 Patienten täglich in die Notaufnahme des St. Josef-Hospitals. Davon hätten rund zehn Prozent einen Corona-Verdacht, der sich in den meisten Fällen nicht bestätige.

Warnsignale des Körpers sollten nicht ignoriert werden

Das Team der Notaufnahme würde durch die sinkende „Zahl der leichten Fälle, die in normalen Zeiten am besten durch den niedergelassenen Arzt versorgt werden“, entlastet, so Frech. Er warnt aber davor, Warnsignale des Körpers zu ignorieren. „Es gibt durchaus die Gefahr, dass vermeintlich geringe Beschwerden auf die leichte Schulter genommen werden und sich verschlimmern. In solchen Fällen wird wertvolle Zeit verloren“, erklärt Frech.

Auch in die Notaufnahme im Bergmannsheil kommen deutlich weniger Menschen wegen kleinerer Probleme. „Grundsätzlich kommen derzeit vor allem Patienten mit ernsthaften Verletzungen oder Erkrankungen in die Notaufnahme, beispielsweise mit Sturzverletzungen oder Verkehrsunfallverletzungen“, erklärt Robin Jopp vom Universitätsklinikum Bergmannsheil.

Er befürchte aber, dass Menschen „in einer ernsthaften Notfallsituation, bei Herzproblemen oder Schlaganfallsymptomen, Diabetes-Entgleisung“ aus Angst vor einer Corona-Infektion, die Notaufnahmen der Kliniken meiden könnten. Das Bergmannsheil habe schon zu Beginn der Krise Absagen von Patienten erhalten, die stationär aufgenommen werden sollten.

30 bis 40 Prozent werden wegen Corona-ähnlicher Symptome separiert

Markierungen weisen die Patienten in der Zentralen Notaufnahme des St. Josef-Hospitals in Bochum darauf hin, dass sie Abstand zu den anderen Patienten halten sollen.
Markierungen weisen die Patienten in der Zentralen Notaufnahme des St. Josef-Hospitals in Bochum darauf hin, dass sie Abstand zu den anderen Patienten halten sollen. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

In den Augusta-Kliniken habe die Zahl der in der Notaufnahme ankommenden Patienten insbesondere in den letzten zwei bis drei Wochen „spürbar“ abgenommen, erklärt Hendrik Schöpper, Referent der Geschäftsführung der Augusta-Kranken-Anstalt.

Die Zahl Patienten, die sich selbst in der Notaufnahme vorstellen, sei seit Januar um ein Viertel bis ein Drittel gesunken. In den letzten vier Wochen würden sich weniger Menschen in der Notaufnahme vorstellen, die ohne einen wirklichen Notfall vorbeikommen. Das schaffe „Ressourcen für die zeitlich intensivere Betreuung der (Verdachts-) Patienten“, so Schöpper. Etwa 30 bis 40 Prozent der in der Notaufnahme ankommenden Menschen würden aufgrund ihrer Symptome vorsichtshalber in einem separaten Bereich behandelt. „Aus dieser Gruppe kommen aber nicht unbedingt alle mit einem konkreten Coronaverdacht zu uns“, sagt Schöpper.

Patienten würden nach wie vor erst entlassen, wenn es ihr medizinischer Zustand zulässt. „Durch strengere Auflagen bei Entlassungen in Pflegeeinrichtungen oder aufgrund Corona häuslich eingeschränkter Betreuungsmöglichkeiten, verlängern sich eher stationäre Aufenthalte“, erklärt Schöpper.

Massiver Rückgang der Patientenzahlen in Arztpraxen

„Die Patientenzahlen bei den niedergelassenen Ärzten haben sich in der Corona-Krise halbiert“, sagt Dr. Michael Tenholt, Vorsitzender des Medizinischen Qualitätsnetzes (MedQN) Bochum mit 150 angeschlossenen Haus- und Fachärzten. Persönliche Kontakte zwischen Arzt und Patient seien auf ein Minimum zurückgefahren worden – „auch, weil die Kollegen das so wollen, um das Infektionsrisiko zu verringern“, erklärt Tenholt. Alternativen seien Telefon- und Videosprechstunden. Die wirtschaftlichen Folgen seien gleichwohl immer deutlicher spürbar.

„Es gibt einen massiven Rückgang der Patientenzahlen in den Praxen“, bestätigt Dr. Birgitta Behringer, Allgemeinmedizinerin in Werne. Vor allem ältere Menschen trauten sich kaum mehr vor die Tür. Arztbesuche werden möglichst vermieden, obwohl in den Praxen strikt auf die Einhaltung der Hygieneregeln geachtet werde.

Große Schilder kleben an den Türen zur Rettungswagen-Einfahrt der Notaufnahme des St. Josef-Hospitals in Bochum. Einen signifikanten Rückgang der Einsätze belegen die Zahlen nicht.
Große Schilder kleben an den Türen zur Rettungswagen-Einfahrt der Notaufnahme des St. Josef-Hospitals in Bochum. Einen signifikanten Rückgang der Einsätze belegen die Zahlen nicht. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

„Vielfach ist der Betrieb heruntergefahren, Hausbesuche sind eingeschränkt, Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, einzelne Praxen bleiben nach positiven Corona-Tests wochenlang geschlossen“, so Behringer. Auch die Kliniken hätten reagiert und würden ihre Patienten früher als sonst entlassen, um Kapazitäten für Corona-Fälle bereit zu halten – „nach meiner Einschätzung allerdings immer medizinisch verantwortbar“, betont Behringer.

Rettungsdienst-Einsätze nehmen nicht ab

Die niedergelassenen Ärzte richten einen dringenden Appell an die Bürger. Routine- und Kontrolluntersuchungen könnten verschoben werden. Mit schweren körperlichen Beschwerden dürfe aber keinesfalls fahrlässig umgegangen werden. „Holen Sie zumindest den telefonischen Rat ihres Arztes ein. Der entscheidet dann, ob eine Untersuchung erforderlich ist“, sagt Michael Tenholt.

Der Rettungsdienst verzeichnet allerdings keinen signifikanten Rückgang bei den Einsätzen. Im Januar und Februar lag die Zahl der Einsätze bei rund 4300, im März bei 4000 und im April bisher schon bei rund 2000. „Die Zahlen sind auch nicht signifikant anders im Vergleich zum Vorjahr“, sagt die stellvertretende Rettungsdienst-Leiterin Dr. Cordula Kloppe.

Weitere Entwicklungen zum Coronavirus in Bochum gibt es im Newsblog.

Eine Echtzeitkarte zu Corona-Infektionen in NRW gibt es hier.