Bochum. Ein Arzt in Bochum berichtet von Angst und Verzweiflung. Die Schutzausrüstung für Ärzte und Pflegepersonal reiche bei weitem nicht.

Sie gehören zu den Helden des Alltags. Ärzte und Pflegepersonal werden mit abendlichen Gesängen von Balkonen bedacht, auf großen öffentlichen Transparenten wird ihnen für ihre unermüdliche Arbeit im Kampf gegen das Coronavirus gedankt, sogar in Fernsehspots werden sie auf ein Podest gehoben. „Aber wir haben das Gefühl, uns nicht schützen zu können“, sagt der Mediziner Peter R. (Name von der Redaktion geändert) aus Bochum. Er berichtet von erschreckenden Zuständen im Krankenhaus.

Schichtende in einer großen Bochumer Klinik. Peter R. hat sich an die Redaktion gewendet, weil die Stimmung gedrückt sei angesichts der Umstände, unter denen Mediziner und Pflegepersonal arbeiten. Er spricht von „Verzweiflung bei Kollegen“ und schildert Umstände, unter denen sie ihre im Moment gefährliche Arbeit ausüben.

Ein Mundschutz für eine Woche

Beispiel Masken: Eigentlich sollte das Krankenhauspersonal mit „echten“ Schutzmasken ausgestattet sein. „Und ich weiß, dass unsere Klinikleitung händeringend versucht, Schutzmaterial zu bekommen. Aber das klappt nicht.“ Was zur Folge habe, dass Ärzte derzeit mit einem Mundschutz ausgestattet werden, der gegen Infektionen wie Durchfallerkrankungen schützen soll. „Eine Maske pro Mann und Woche, nach Dienstende sollen sie aufgehängt und getrocknet werden.“ Zustände wie einem Entwicklungsland, aber Teil des Alltags in einer Bochumer Klinik.

Das heiße nicht, dass Ärzte, die mit bestätigt positiven Corona-Infizierten in Berührung komme, nicht ausreichend geschützt sein, so Peter R. Noch gebe es dafür Schutzmaterial. Allerdings nur fünf FFP-2-Masken, die das Personal gegen Hustenstöße von Patienten schützen, für das gesamte Wochenende auf der gesamten Infektionsstation.

Auch interessant

Angst unter Medizinern

„Fünf Masken, um die zu schützen, die an vorderster Front kämpfen“, so der Mediziner. „Was, wenn die Zahl der infizierten Personen, die stationär behandelt werden müsste, dramatisch ansteigen? Diese Welle kann in wenigen Wochen oder Tagen kommen.“ Er wisse von Hausärzten, die keine Schutzmasken haben und die sich Sorgen machen. Es herrsche Angst. Ja, Mediziner sei verpflichtet, Menschen zu helfen. Und das würden sie auch tun. „Aber auch Ärzte haben ein Recht auf Gesundheit.“

Ein ordentlicher Schutz des Personals ist zwingend für die Behandlung von coronainfizierten Patienten.
Ein ordentlicher Schutz des Personals ist zwingend für die Behandlung von coronainfizierten Patienten. © dpa | Marcel Kusch

In Reihen der Standesvertretungen sorgt der anonyme Appell für Erstaunen. „Ich bin überrascht. Bei der Kammer ist noch kein Hinweis darüber eingegangen, das sich Ärztinnen oder Ärzte gefährdet fühlen“, sagt Prof. Rüdiger Smektala, Chefarzt am Knappschafts-Krankenhaus in Langendreer und als Vorsitzender der Ärztekammer Bochum der Interessenvertreter aller Klinikärzte. Momentan seien Ärzte und Pflegepersonal mit ausreichend Schutzmaterial ausgestattet. Allerdings räumt der Chefarzt ein: „Der Nachschub ist ein Problem. Sollte uns in ein oder zwei Wochen eine Welle an infizierten Personen in den Krankenhäusern ereilen, könnte es kritisch werden.“

Arztpraxen erstmals mit Schutzmaterial versorgt

„Schutzmaterial ist knapp“, bestätigt Dr. Eckhard Kampe, Regionalvertreter der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und damit Sprecher von Haus- und Fachärzten. Notdienstpraxen und Behandlungszentren seien ausgestattet mit Mundschutz und Kitteln. „Und erstmals hatte die KV diese Woche auch die Praxen mit einer Grundausstattung versorgt.“ Die indes fällt nicht üppig aus. Zehn bis 15 FFP-2-Masken, Kittel und Handschuhe je Praxis. „Aber es kann nachbestellt werden“, so Kampe, räumt allerdings auch ein: „Wie lange der Vorrat reicht, hängt von den Lieferfristen ab.“

Klinikarzt Peter R.` ist empört über den Wucher mit den Masken, die vor Wochen noch für Cent-Beträge zu haben gewesen seien und nun bis zu 20 Euro kosteten. Sein Appell richtet sich an die Politik, die dringend viel mehr tun müsse, um das Personal in Kliniken, Praxen und Pflegeeinrichtungen zu schützen.

Appell an die Bochumer

Er appelliert aber auch an die Bochumer: „Bitte helfen Sie uns. Bitte zeigen Sie ihr Bochumer Herz. Bitte geben Sie Ihre FFP-2-Masken in einem Krankenhaus oder einer Arztpraxis ab. Nur so können wir möglichst vielen Menschen das Leben retten. Wir brauchen diese Hilfe im Moment mehr als jeden noch so gut gemeinten Applaus.“

Er sehe Menschen in Supermärkten und auf der Straße mit FFP-2-Masken, die sie eigentlich nicht benötigten, die sie mitunter sogar falsch tragen würden oder an der Außenseite berühren. Händewaschen und soziale Kontakte vermeiden, das sei die Maßgabe und der beste Schutz im Alltag. „Wenn wir unsere ‘Helden’ in einen Kampf gegen CoViD ohne Schutz schicken, dann haben wir alle schon jetzt verloren.“

Zumindest in einem Punkt teilt Bochums Ärztekammer-Chef Prof. Smektala die Einschätzung von Peter R. „Dass draußen Menschen mit FFP-2-Masken herumlaufen, das ist Quatsch. Da muss ich dem Arzt Recht geben.“

Weitere Nachrichten aus Bochum lesen Sie hier.