Berlin. An diesem Donnerstag wird das Skandal-Spiel des VfL in Berlin verhandelt. Bekommt Bochum die Punkte? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Fall.
- Union Berlin gegen VfL Bochum - die Partie am 14. Dezember wurde zum Skandal-Spiel
- Das Spiel an der Alten Försterei im Dezember endete 1:1, der VfL Bochum hat gegen die Spielwertung Einspruch eingelegt
- Ein Berliner Fan traf VfL-Torwart Patrick Drewes mit einem Feuerzeug am Kopf - Bochum will deshalb die Punkte
- Stimmen, Zeugen, Wertung, Hintergründe: In diesem Text behandeln wir alle Fragen und liefern Antworten
Nach dem Skandal-Spiel bei Union Berlin (1:1) hat der VfL Bochum beim DFB-Sportgericht Einspruch eingelegt. Das DFB-Sportgericht verhandelt den Fall an diesem Donnerstag (9. Januar/ab 13.30 Uhr) mündlich am DFB-Campus in Frankfurt. Der Schiedsrichter hätte die Partie abbrechen müssen, so die Meinung des VfL. Sie wurde aber fortgesetzt.
Wir haben die wichtigsten Ereignisse, Aussagen, Reaktionen noch einmal zusammengefasst (Hinweis der Redaktion: Der Ursprungstext erschien am Sonntag, 15. Dezember, und wurde nun noch einmal aktualisiert und ergänzt).
Was war passiert?
VfL-Torwart Patrick Drewes ging nach einem Treffer am Kopf durch ein aus dem Union-Fanblock geworfenes Feuerzeug in der Nachspielzeit zu Boden. Lange musste er im Strafraum vor der Union-Fankurve behandelt werden, wurde dabei von Union-Fans übel beleidigt („Steh auf, Du Sau“). Es flogen weitere Gegenstände aus dem Union-Block.
Die Partie wurde unterbrochen, die Mannschaften gingen in die Kabine, Schiedsrichter Martin Petersen setzte das Spiel nach knapp einer halben Stunde fort. Bochum hatte sein Wechselkontingent ausgeschöpft, spielte nur noch zu neunt, weil Koji Miyoshi früh die Rote Karte gesehen hatte. Stürmer Philipp Hofmann stand im Tor, weil Drewes nicht mehr weitermachen konnte. Die Teams hatten sich aber auf einen Nichtangriffs-Pakt verständigt, schoben sich in den verbliebenen gut zwei Minuten Nachspielzeit nur den Ball hin und her. Die Partie endete mit 1:1.
Wie läuft die Verhandlung ab?
Das DFB-Sportgericht hatte sich nach dem Vorliegen aller Stellungnahmen dazu entschieden, den Fall mündlich zu verhandeln. Die Verhandlung ist öffentlich, Medienvertreter sind zugelassen, eine Live-Berichterstattung ist in keiner Weise erlaubt.
Die Sitzung leitet Stephan Oberholz, der Vorsitzende des DFB-Sportgerichts. Seine beiden Beisitzer sind Dr. Marcus G. Tischler (DFB-Beisitzer) und Maik Franz (DFL-Beisitzer), so der DFB auf Anfrage. Anwesend sind zudem die Anwälte der Parteien.
Zudem hat das Gericht die Zeugen Martin Petersen (Schiedsrichter), Horst Heldt (Union Berlin) sowie Patrick Drewes, Dieter Hecking und Felix Passlack (alle VfL Bochum) geladen. Hecking und Passlack werden nach bewilligtem Antrag des VfL per Videoschalte zugeschaltet. Drewes muss vor Ort erscheinen. Der VfL Bochum hat zudem seinen Mannschaftsarzt Mark Sandfort als Zeugen benannt, er ist vor Ort (Bericht: hier). Ferner wird Schiedsrichter-Lehrwart Lutz Wagner seine Sicht schildern.
Nach dem Urteil kann eine Partei mit einer Frist von einer Woche in Berufung zum DFB-Bundesgericht gehen.
Wie erging es Torwart Patrick Drewes?
„Er war benommen“, sagte VfL-Trainer Dieter Hecking nach dem Spiel. Der Torwart wurde vom Mannschaftsarzt ins Krankenhaus gebracht. Drewes klagte über Kopfschmerzen, Übelkeit und Unwohlsein, in der Klinik wurden mehrere Tests durchgeführt, erklärte der Verein einen Tag nach dem Spiel.
Eine Gehirnerschütterung erlitt er durch den Feuerzeug-Treffer nicht, weshalb er mit dem Mannschaftsarzt des VfL die Heimreise antreten durfte. Vorsichtshalber setzte er am Sonntag dennoch mit dem Training aus, nach dem trainingsfreien Montag arbeitete er zwei Tage nur individuell. Auch aus mentalen Gründen, wie Trainer Dieter Hecking erklärte.
Drewes kehrte dann ins Mannschaftstraining zurück und stand beim Heimspiel gegen Heidenheim, acht Tage nach dem Feuerzeug-Treffer, wieder im VfL-Tor. Er wurde von den eigenen Fans gefeiert, der VfL gewann mit 2:0.
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Was passierte in der Zeit der Unterbrechung?
Die Mannschaften hielten sich überwiegend in der Kabine warm. Es gab einen Austausch in der Schiedsrichter-Kabine mit den Trainern Dieter Hecking und Bo Svensson, mit Union-Geschäftsführer Horst Heldt sowie der Polizei. Zudem holte sich Petersen die Meinung von DFB-Regelexperte Lutz Wagner ein.
Warum wurde die Partie nicht abgebrochen?
Aus zwei Gründen: Die Sicherheit der Spieler sei gewährleistet gewesen, zudem hätte man das Spiel ordnungsgemäß zu Ende führen können. „Von allen Seiten kam die Bestätigung: Die Sicherheit der Spieler ist gewährleistet“, sagte Schiedsrichter Petersen bei Sky.
Der DFB lobte ihn. Petersen habe richtig und stringent gehandelt. „Aus unserer Sicht waren seine Entscheidungen rund um den Vorfall korrekt“, teilte der Verband am Sonntag auf Anfrage des sid mit. „Er hat nach dem Vorfall richtigerweise beide Teams zunächst einmal in die Kabinen geschickt, um dem Ordnungspersonal die Gelegenheit zu geben, die Situation im Stadion zu beruhigen“, heißt es in der DFB-Stellungnahme. „Anschließend hat er sich auch mit der Polizei und dem Sicherheitsbeauftragten kurzgeschlossen, um deren Einschätzung zur Lage in Erfahrung zu bringen. Auch dieses Vorgehen war richtig und notwendig.“
Die Frage einer ordnungsgemäßen Durchführung bzw. Weiterführung des Spiels sei ebenso wichtig wie die Einschätzung, ob die Sicherheit der Beteiligten gewährleistet sei. Der Verband: „Martin Petersen hat beide Fragen auf der Grundlage des Regelwerks und der ihm vorliegenden Informationen bejaht und die Partie deshalb zu Ende geführt. Zudem hat er in der Spielunterbrechung die Kommunikation mit beiden Mannschaften gesucht.“
Ähnlich äußerte sich bereits am Spieltag DFB-Schiedsrichter-Lehrwart Lutz Wagner, bei dem sich Petersen auch in der Unterbrechung Rat eingeholt hatte. „Der Schiedsrichter hat sich korrekt verhalten“, sagte er. „Alles andere ist Sache des DFB-Sportgerichts.“
Welche Position bezieht der VfL Bochum?
Geschäftsführer Ilja Kaenzig äußerte sich bereits unmittelbar nach der Partie vor TV-Kameras und im Journalisten-Kreis in der Interviewzone auch gegenüber dieser Redaktion. „Aus unserer Sicht hätte der Schiedsrichter das Spiel abbrechen müssen. Das ist nicht geschehen. Wir haben mitgeteilt, dass wir das Spiel mit Protesthinterlegung zu Ende bringen werden“, sagte Kaenzig in den Katakomben des Stadions in der Alten Försterei. Einzig der Schiedsrichter darf in solch einer Situation entscheiden, ob eine Partie weitergespielt wird. Auch Stürmer Philipp Hofmann und Trainer Dieter Hecking betonten, dass sie nur „unter Protest“ die Partie zu Ende brachten.
VfL-Chef Ilja Kaenzig: „Das Regelwerk ist ganz klar“
„Wir sind der Meinung, dass das Spiel laut Regelwerk hätte abgebrochen werden müssen“, sagte Kaenzig. „Es kann ja nicht der Maßstab sein, ob jemand verletzt, schwer verletzt, ohnmächtig oder sonst was ist“, meinte der VfL-Geschäftsführer. „Das Regelwerk ist ganz klar. Wir hatten unser Wechselkontingent ausgeschöpft, der sportliche Nachteil war schon gegeben.“
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„Wir haben uns in der Schiri-Kabine zusammengesetzt. Wir haben einen Nicht-Angriffs-Pakt geschlossen und es war klar, dass wir nur unter Protest zu Ende spielen“, erklärte Bochums Coach Dieter Hecking.
Was sagt Union Berlin?
Geschäftsführer Horst Heldt verurteilte das Verhalten „eines Einzelnen“ und erklärte den Nichtangriffs-Pakt. „Der VfL konnte nicht mehr wechseln, die waren nur noch zu neunt. Die Empfehlung war, dass wir das Spiel zu Ende bringen, damit es einen Schlusspfiff gibt. Da ist es selbstverständlich, dass wir nicht gegen neun Mann anrennen, um ein Tor zu machen.“
Welche Vorwürfe gab es gegen den VfL Bochum?
In sozialen Medien wurde neben Drewes auch der Verein attackiert, er habe die Situation ausgenutzt, um sich zwei zusätzliche Punkte am Grünen Tisch zu holen. VfL-Chef Ilja Kaenzig wehrte sich gegen diese Kritik im Gespräch mit dieser Redaktion vehement, sprach von einer Täter-Opfer-Umkehr. „Wir haben den Konflikt nicht gesucht. Wir wären mit dem einen Punkt, den wir uns mit zehn Mann hart erkämpft haben, zufrieden gewesen“, betonte Kaenzig. „Aber nicht wir haben das Feuerzeug geworfen, sondern jemand aus dem Fanblock von Union Berlin. Patrick Drewes wurde getroffen. Punkt. Und dann gibt es ein Regelwerk, das angewandt werden muss.“
Warum entschuldigte sich Union Berlin nicht bei Drewes?
Zudem vermisste der VfL eine Entschuldigung von Union Berlin. Union-Sprecher Christian Arbeit nahm dazu vor dem letzten Spiel im alten Jahr Stellung. „Wir haben am Sonnabend direkt, unmittelbar und auf absolut eindeutige Weise zum Ausdruck gebracht, dass das absolut inakzeptabel ist. Dass es keine Entschuldigung dafür gibt, dass so etwas passiert. Wir können uns aber nicht für jemanden entschuldigen, der etwas anderes tut“, erklärte er.
Welche Strafen drohen dem Täter?
Der Feuerzeugwerfer wurde auf der Unioner Fankurve „Waldseite“ schnell identifiziert und der Polizei übergeben. Gegen ihn laufen Ermittlungen. „Es hat es leider schon häufiger gegeben, dass ein Einzelner sich zu solch einer Tat hinreißen lässt. So möchte das keiner zu Ende bringen“, erklärte Union-Geschäftsführer Horst Heldt.
Bereits vor Weihnachten verhängte Union Berlin ein dreijähriges, bundesweites Stadionverbot gegen den mutmaßlichen Täter. Zudem wurde Anzeige gegen ihn erstattet.
Welches Urteil kann das DFB-Sportgericht fällen? Eine Einschätzung
Der VfL Bochum hofft, dass die Partie mit 2:0 für Bochum gewertet wird. Möglich, aber unwahrscheinlich ist auch ein Wiederholungsspiel. Oder dass es beim 1:1 bleibt.
Sportanwalt Markus Buchberger, Professor für Sportrecht an der Hochschule Koblenz, schätzt die Chancen auf einen Bochumer Erfolg als realistisch ein, erklärte er dieser Redaktion. Buchberger verweist auf Paragraf 17, Satz 2, b in der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB, in dem Einsprüche gegen Spielwertungen geregelt werden. Demnach rechtfertige eine „Schwächung der eigenen Mannschaft durch einen während des Spiels eingetretenen Umstand, der unabwendbar war und nicht mit dem Spiel und einer dabei erlittenen Verletzung im Zusammenhang steht“ einen Einspruch (Bericht: hier).
Welche Strafen drohen Union Berlin?
Unabhängig vom Einspruch des VfL Bochum hat der DFB-Kontrollausschuss wegen des Feuerzeug-Wurfs ein Ermittlungsverfahren gegen Union Berlin eingeleitet. Klar ist, dass Union Berlin eine Strafe erhält, weil es als Gastgeber für die Sicherheit zuständig und für das Verhalten seiner Fans verantwortlich ist. Welche, ist offen. Neben einer Geldstrafe ist auch ein Teilausschluss von Fans bei Heimspielen oder sogar ein Totalausschluss möglich. Aber auch, dass Berlin mit dem Auftrag für künftig bessere Sicherheitsvorkehrungen davonkommt. Wann das Urteil gefällt wird, ist noch offen.
Gab es ähnliche Fälle?
Nein. Es ist ein Präzedenzfall. Es gab aber Wertungen nach Spielabbrüchen aufgrund ähnlicher Vorfälle. Hier entschied das DFB-Gericht zugunsten der Gastvereine. So bei einem Zwischenfall mit Schiedsrichter Martin Petersen, der auch am Samstag das Spiel leitete. 2015 wurde er in der DFB-Pokal-Begegnung zwischen dem VfL Osnabrück und RB Leipzig selbst mit einem Feuerzeug aus dem Heimblock am Kopf getroffen. Das Spiel wurde abgebrochen – und am Grünen Tisch für die Sachsen gewertet.
Auch in Bochum gab es im März 2022 einen Abbruch, als Schiedsrichter-Assistent Christian Gittelmann von einem Bierbecher am Kopf getroffen worden war. Die Partie wurde mit 2:0 für Mönchengladbach gewertet. Zudem erhielt der VfL eine Geldstrafe (100.000 Euro) sowie einen Teilausschluss von Fans für die Saison 2023/24, dies aber auf Bewährung.
Allerdings: In beiden Fällen waren die Partien abgebrochen worden. Und es waren Mitglieder des Schiedsrichter-Teams betroffen. Diesmal war ein Spieler der Leidtragende.
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