Bochum. Der VfL Bochum hat erneut einen Fehlstart hingelegt. Kolumnist Michael Eckardt erklärt, warum die Probleme hausgemacht sind.
- Der VfL Bochum hat im Sommer nicht nur viele Wechsel in der Mannschaft vorgenommen - auch das Trainer-Team kennt die Bundesliga nicht. Ein Problem
- Schindzielorz hatte als Sportchef einen klaren Plan für die Transfers. Hat diesen der aktuell Sportdirektor Marc Lettau auch?
- Der VfL Bochum könnte mit seiner Strategie, die er in diesem Sommer eingeschlagen hat, zu viel gewollt haben. Ein Absturz droht nun.
In der vergangenen Woche hat die Bochumer WAZ-Redaktion eine Datenanalyse präsentiert, die eine Menge darüber aussagt, warum die Mannschaft des VfL Bochum von bisher sieben Pflichtspielen in dieser Saison noch nicht eines gewinnen konnte.
Zweikampfquote, Defensivverhalten, Ballbesitzphasen, Präsenz in den gegnerischen Strafräumen und noch einiges mehr müssen anhand der vorliegenden Zahlen als defizitär und nicht ausreichend für einen Erstligisten betrachtet werden.
Aber warum sind die aktuellen Zahlen so schlecht? Liegt es nur an der (eventuell nicht ausreichenden) Qualität der neuen Spieler nach einem großen Umbruch, oder am ebenfalls neuen Trainer mit seinen speziellen Vorgaben und seiner konzeptionellen Herangehensweise? Einfache Schlüsse zu ziehen fällt schwer, aber vielleicht hilft ein Blick in die erfolgreiche Vergangenheit, verglichen mit dem letzten Transfersommer.
VfL Bochum hatte lange ein anderes Transferkonzept
Beginnend mit der Aufstiegssaison gab es beim VfL Bochum, initiiert vom damaligen Sportchef Sebastian Schindzielorz, ein Transferkonzept, das vielen wohl erst im Rückblick richtig bewusst wird. Denn verpflichtet wurden über die Jahre hinweg Fußballer im besten Alter, die zum Großteil bereits über Deutschland- und Bundesliga-Erfahrung verfügten.
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Hin und wieder lag man zwar bei den Transfers, vor allem was die zweite Reihe anging, daneben, aber viele neue Spieler entwickelten sich schnell zu Leistungsträgern. Diese Profis waren in der Regel keine Überflieger gewesen, aber in jungen Jahren gut und clever genug, um von deutschen Erstligisten unter Vertrag genommen zu werden.
Spieler wollten sich beim VfL Bochum wieder für höhere Aufgaben empfehlen
Bei den meisten stockte anschließend in der Bundesliga die Entwicklung, für sie bedeutete der spätere Wechsel zum VfL Bochum eine zweite oder gar dritte Chance sich zu profilieren. Die Namensliste dieser Akteure mit entsprechender Vergangenheit ist lang.
Sie erstreckt sich über Simon Zoller, Robert Zulj, Gerrit Holtmann, Kevin Stöger, Philipp Förster, Takuma Asano, Keven Schlotterbeck, Bernardo, Dominique Heintz, Konstantinos Stafylidis, Sebastian Polter, Danny Blum, Eduard Löwen, Elvis Rexhbecaj bis hin zu Danilo Soares und Christopher Antwi-Adjei. Das Konzept, auf Profis zu setzen, die sich wieder qualifizieren wollten für höhere Aufgaben, war ein voller Erfolg.
Beim VfL Bochum war im Sommer auf einen Schlag alles anders
Im vergangenen Sommer war dann auf einen Schlag alles anders. Von den acht Neuzugängen (nicht berücksichtigt die Torhüter Patrick Drewes und Timo Horn sowie die Talente Mats Pannewig, Niko Jahn und Lennart Koerdt) verfügte genau ein Spieler, nämlich Samuel Bamba, über Bundesliga-Erfahrung, wenn man so will.
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Seine sieben Minuten im BVB-Trikot sind aber wohl nicht das, was man einen reichen Erfahrungsschatz nennen darf. Für sechs dieser acht Neulinge (Winter-Transfer Agon Elezi einbezogen) war aber nicht nur die Liga, sondern auch das Land generell bis dato unbekannt. Lediglich der sehr spät verpflichtete Jakov Medic verfügte, neben Bamba, als ehemaliger Spieler des FC St. Pauli über Deutschland-Erfahrung. Welch‘ ein Unterschied zu den Jahren zuvor.
Auch beim Trainerteam gab es einen großen Umbruch
Damit nicht genug. Wenn schon Umbruch, dann aber richtig, hat man sich in Bochum wohl gedacht. Das vierköpfige Trainerteam, inklusive Torwarttrainer Sebastian Baumgartner, war im Sommer ebenso neu an der Castroper Straße wie die eben genannten Spieler. Cheftrainer Peter Zeidlers Kontakt mit der Bundesliga als Co-Trainer in Hoffenheim liegt weit, um genau zu sein, 13 Jahre zurück. Seine beiden Assistenten in Bochum verfügen ebenfalls nicht über aktuelle Bundesliga-Kenntnisse. Selbst die Athletik-Trainer sind relativ neu.
Es trafen im Juli also elf neue Spieler (inklusive der Talente und exklusive der beiden Torhüter) und vier ebenfalls neue Trainer aufeinander, von denen praktisch keiner einen aktuellen Bundesliga-und kaum einer einen Deutschland-Hintergrund hatte. Will man das in eineinhalb Monaten zusammenzufügen, dann sollte vom ersten Trainingstag alles stimmen – Konzept, Positionierung, Fitness, Zusammenhalt.
Abstiegsgefahr gehört zum VfL Bochum dazu - das ist nicht neu
Tut es das nicht, dann beklagt man recht schnell das Fehlen von Führungsspielern, und man sucht vergeblich nach einer funktionierenden, auf Leistung basierenden Hierarchie sowie der erforderlichen Kompaktheit. Das ist der Stand von heute. Und genau so sieht es auf dem Platz aus.
Dass die Abstiegsgefahr zum Alltag eines Klubs, wie der VfL einer ist, gehört, ist eine Binse. Ganz so fest wie in Mainz, Augsburg oder Berlin, wo man zwar straucheln kann, aber bislang nicht gefallen ist, ist das Fundament in Bochum sicher noch nicht, aber besser für die Bundesliga aufgestellt als die Aufsteiger dürfte man schon sein. Und vielleicht ließen sich ja auch im vierten Erstligajahr hintereinander erneut ein, zwei oder gar drei weitere Klubs finden, die ein paar falsche Entscheidungen zu viel getroffen haben.
Hat der VfL Bochum zu hoch gepokert?
Es sei denn, man hat selbst zu viel vermasselt – in der Transferpolitik, der Saisonplanung und/oder in der Vorbereitung. Vielleicht will man einen komplett anderen Fußball spielen als bisher, vielleicht will man mit Macht Transferwerte für die Zukunft generieren oder einen offen kommunizierenden und stets gesprächsbereiten Trainer installieren.
Vielleicht hat man aber auch zu hoch gepokert bei einem Spieler, der unbedingt weg will, dem man aber vor Monaten einen hohen Kaufpreis auf den Rücken gepappt und damit eine Chance verpasst hat. Vieles ist denk- und diskutierbar.
Der größte Fehler, den man im Fußball machen kann ist aber sicher der, die eigenen Erfahrungswerte zu ignorieren und zu viel auf einmal zu wollen.
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