Bochum. Beim VfL Bochum bahnt sich eine neue Struktur auf der Führungsebene an. Es gibt mehrere Modelle: Alle Hintergründe, Details und eine Einordnung.
Bevor zahlreiche VfL-Granden wie die Ex-Profis Michael Ata Lameck, Hermann Gerland, Marcel Maltritz und Ralf Zumdick sowie zahlreiche Vertreter der Bochumer Vereinsspitze die Herbert-Grönemeyer-Show im Ruhrstadion genossen, gab es am Abend zuvor eine Sitzung der Vereinsführung mit dem Präsidium, Geschäftsführer, Direktoren.
Zwei von zahlreichen Themen: der Stand bei den Transfers und wie es strukturell und personell auf der Führungsebene nach dem Rücktritt von Sport-Geschäftsführer Patrick Fabian weitergeht.
Präsidium ist mit der Transferarbeit vorerst zufrieden
Nach Informationen dieser Redaktion zeigte sich das Präsidium zufrieden mit dem Stand der Transfergespräche, die Sportdirektor Marc Lettau führt. Zudem ist Ilja Kaenzig direkt involviert und letztlich verantwortlich. Der Schweizer ist derzeit der alleinige Geschäftsführer der entscheidenden, ausgegliederten VfL Bochum 1848 GmbH & Co. KGaA. Damit ist der 50-jährige Kaenzig, seit 2018 beim VfL aktiv und intern wie extern hoch geschätzt, auch der Mann, der rechtlich haftet für alle Entscheidungen der KGaA.
Vorab zur Einordnung: Endgültige Entscheidungen zur künftigen Führungsstruktur gibt es noch nicht. Es ist ein laufender Prozess. Es gibt aber Tendenzen und Modelle.
Kader hat Priorität: Masouras-Vertrag ausgehandelt
Oberste Priorität hat nach der Verpflichtung des neuen Trainers Peter Zeidler der künftige Kader. Marc Lettau hat für die Sechser-, Achter/Zehner- und Stürmerposition mit jeweils mehreren Kandidaten aussichtsreiche Gespräche geführt. Zum Teil ist alles ausgehandelt wie beim ablösefreien Stürmer Giorgos Masouras, der aber wie berichtet unter anderem auch von seinem bisherigen Verein Olympiakos Piräus umworben wird. Aus Bochumer Sicht gibt es auch Alternativen. Jedenfalls geht es in den nächsten Tagen bis zum Trainingsauftakt am 1. Juli nun um Finalisierungen.
Klar ist, dass es vorerst keine Nachbesetzung von Fabians Stelle gibt. Lettau soll mindestens bis zum Ende der Transferperiode als Sportdirektor aktiv sein. Sollte er mit seinen Transfers überzeugen, dürfte er auch Sportdirektor bleiben. Nach den bisher guten Eindrücken kann es erst Ende August eine weitere Einschätzung geben - und eine erste realisistische Bewertung wohl erst zur Winterpause. Am Ende entscheiden halt nicht die Namen, sondern die Ergebnisse auf dem Platz.
Gutes Vertrauensverhältnis zwischen Kaenzig und Lettau
Zwei weitere Aspekte sprechen für Lettaus längerfristige Zukunft beim VfL. Zum einen müsste der Klub ihn im Fall einer Trennung weiterbezahlen, sein Vertrag gilt noch mindestens für die kommende Saison. Das Budget ist knapp bemessen, und es gibt aktuell bereits vier (Ex-)Spitzenkräfte, die vorerst ebenfalls weiterbezahlt werden müssen.
Das sind die Ex-Trainer Thomas Letsch und Jan Fießer (ca. 1,5 Millionen Euro pro Bundesliga-Saison), Ex-Sportchef Patrick Fabian (nur Grundgehalt auf recht niedrigem Niveau) und Torwart Manuel Riemann, der sportlich keine Rolle mehr spielt (Vertrag bis 2025).
Zum anderen gilt das Verhältnis zwischen Lettau und seinem Chef Kaenzig als gut und vertrauensvoll - ein womöglich entscheidender Aspekt.
Kaenzig dürfte alleiniger Geschäftsführer bleiben
Die wichtigste Frage ist daher: Bleibt Kaenzig alleiniger hauptamtlicher Chef des VfL? Nach unseren Informationen ist das Präsidium/der Aufsichtsrat der KGaA mit Hans-Peter Villis an der Spitze gewillt, Kaenzig diese Rolle anzudienen. Das Präsidium ist für die Bestellung des/der Geschäftsführer zuständig.
Auch Kaenzig selbst ist nach unseren Informationen dazu bereit, die alleinige Hauptverantwortung für den Klub nicht nur übergangsweise, sondern über einen längeren Zeitraum zu schultern.
Mit oder ohne Lettau: Diese vier Modelle stehen zur Debatte
Einigen sich der VfL und Kaenzig auf diese Lösung, gibt es auf der Ebene darunter (Direktoren) vier Modelle, die nach Fabians Rücktritt in Betracht kommen. Für diesen Personalbereich ist dann wiederum Kaenzig als Geschäftsführer zuständig, wobei das Präsidium stets involviert ist und mitredet.
Modell eins: Trennung von Lettau ist unwahrscheinlich
Modell eins: Trennung von Lettau, ein neuer starker Sportdirektor übernimmt. Unsere Einschätzung: derzeit unwahrscheinlich.
Modell zwei: Mit Lettau und neuem Mann an seiner Seite
Modell zwei: Lettau bleibt Sportdirektor und Kaderplaner, ihm wird aber ein Mann zur Unterstützung und Entlastung zur Seite gestellt. Der würde entweder auf Augenhöhe agieren, was eine besonders gute Harmonie und Absprache voraussetzen würde. Oder der neue Mann würde eine Ebene darunter angesiedelt. Unsere Einschätzung: Diese Variante ist denkbar, bedarf aber einer sehr abgewogenen Auswahl.
Modell drei: Mit Lettau und neuem Mann für Talentwerk und Frauen
Drittes Modell: Lettau bleibt Sportdirektor und, natürlich in Zusammenarbeit mit Kaenzig, Trainer Peter Zeidler und Chefscout Carsten Schüpmann-Haase, federführend im sportlichen Lizenzbereich. Ein neuer Mann (oder auch eine Frau) wird etwa als Technischer Direktor verpflichtet - mit Kernaufgaben in der Repräsentation, im Talentwerk und bei den Frauen.
Unsere Einschätzung: Auch diese Variante wäre eine sinnvolle Lösung. Wahrscheinlicher ist es aber, dass dieser neue Mann dann zusätzlich Sportdirektor Lettau zumindest unterstützt. Das wäre sozusagen Modell 3b.
Modell vier: Eigene Kräfte übernehmen Fabians Aufgaben
Viertes Modell: Es kommt gar kein neuer Mann/neue Frau. Dann müssten einige Aufgaben von Patrick Fabian intern auf mehrere Schultern verteilt werden. Der große Vorteil: Trotz zu erwartender Gehaltsanpassungen für das Führungspersonal mit mehr Verantwortung und Aufgaben wäre es die wohl günstigste Lösung.
Und tatsächlich gibt es ja bereits mehrere Spitzenkräfte beim VfL, die sozusagen ein Stück weit aufsteigen könnten. Das „Eigene-Leute-Modell“ spielt nach unseren Informationen auch in den Überlegungen des Präsidiums bereits eine Rolle. Die folgenden Überlegungen aber sind zunächst, insbesondere personell, nur ein Gedankenspiel dieser Redaktion.
Vier Direktoren gibt es - Kommunikationschef kommt dazu
Aktuell beschäftigt der VfL Bochum vier Direktoren, die damit auf der Ebene unter der Geschäftsführung (Kaenzig) Mitglieder der Geschäftsleitung sind: Marc Lettau (Sport), Knut Keymer (Organisaiton), Tim Jost (Marketing und Vertrieb) und Ronald Bauer (Finanzen). Ab dem 1. Juli übernimmt der erfahrene Journalist Heiko Ostendorp (45) eine neu geschaffene Stabsstelle: als „Leiter Kommunikation“ verantwortet er den Bereich Unternehmenskommunikation (Ostendorp) und Sportkommunikation (wie bisher geleitet von Jens Fricke).
Ostendorp soll dazu beitragen, dass der VfL sein Wachstumsziel „Vision 100plus“ (100 Millionen Euro Umsatz/Jahr) erreicht. Er wird für Medienarbeit zuständig sein, aber auch Kontakte pflegen zu den Partnern und Repräsentationsaufgaben etwa bei Sponsoren mit übernehmen. Damit sorgt Ostendorp auch für eine Entlastung von Ilja Kaenzig. Möglich, dass der Medienexperte dann im Zuge einer Umstrukturierung zum Direktor Kommunikation ernannt wird.
Frauen vor Aufstieg: Annike Krahn ist im Amt
Den Bereich Frauen, auch ein Schwerpunkt der Fabian-Arbeit, könnte Annike Krahn abdecken. Die Bochumer Fußball-Weltmeisterin ist seit dem 1. Juni als Sportliche Leiterin beim VfL tätig, die erste Mannschaft steht nach dem 4:2-Hinspielsieg in Mainz in der Aufstiegsrelegation kurz vor dem Sprung in die 2. Liga. Das Rückspiel steigt am Sonntag vor 1500 Fans auf dem Leichtathletikplatz am Stadion (14 Uhr/ausverkauft). Annike Krahn könnte man zur Sportdirektorin Frauenfußball befördern - die Expertise würde sie zweifellos mitbringen.
Talentwerk: Dreierspitze - oder steigt Horsch auf?
Im Talentwerk, ebenfalls ein Fabian-Schwerpunkt, bilden derzeit drei Männer die Spitze: Heiko Butscher (Sport), Dominik Horsch (Strategie und Entwicklung) und Timo Saviano (Administration). Butscher wird als Trainer der neuen U23 in der Oberliga stark gefordert sein.
+++ Wir berichten täglich über den VfL Bochum - jetzt auch auf Instagram! Folgen Sie uns für Videos und Fotos, Meinungen und News - hier geht es zum Account +++
Denkbar ist, dass Dominik Horsch weitere Aufgaben übernimmt, also als Gesamtleiter oder Direktor Talentwerk installiert wird. Grundsätzlich könnte es aber auch bei der Dreierspitze bleiben.
Einschätzung: Kaenzig alleiniger Chef, auch Lettau bleibt
Fazit-Einschätzung und eine erste Kandidaten-Spur: Kaenzig dürfte alleiniger Geschäftsführer bleiben und Lettau Sportdirektor. Sollte Lettau ein Mann zur Seite gestellt werden, könnte eine Spur nach Italien führen. Laut Medienberichten wäre Marcel Klos, derzeit technischer Direktor beim italienischen Serie-A-Klub CFC Genua, ein möglicher VfL-Kandidat.
Klos ein Kandidat? Er holte Letsch und Bero nach Arnheim
Nach unseren Informationen ist der in Düsseldorf wohnende 35-Jährige offen für neue Aufgaben. Er würde ein großes Netzwerk mitbringen. Unter anderem verpflichtete Klos als damaliger Sportchef von Vitesse Arnheim Trainer Thomas Letsch, Mittelfeldmann Matus Bero und Linksverteidiger Maximilian Wittek.
Klos hat zwar noch einen Vertrag in Genua. Aufgrund der wirtschaftlichen Probleme von Investor 777 Partners, von denen neben Genua unter anderem auch Hertha BSC betroffen ist, sind beim italienischen Klub derzeit aber viele Fragen offen.
Allerdings käme Klos nach unseren Informationen nur als Nachfolger von Lettau in Frage oder als gleichberechtigter Partner von Lettau. Konkreten Kontakt zwischen dem VfL Bochum und Klos hat es nach unseren Informationen auch noch nicht gegeben.
News und Hintergründe zum VfL Bochum
- Klartext vom TV-Experten: Didi Hamann fordert Riemann als Nummer eins
- Nach Stuttgart: Hecking vermisst bei seinem Team die Entschlossenheit
- Der Torwart spricht: Drewes über VfB-Pleite und Riemann-Rückkehr
- Die Noten: VfL Bochum maximal bemüht - Verdiente Niederlage in Stuttgart
- Spielbericht: Bitter: VfL Bochum weiter sieglos trotz Kampf in Stuttgart