Ruhrgebiet. Theoretisch hat die Landesregierung den Weg frei gemacht für eine schnelle Wiederaufnahme des Sportbetriebs. Es bleiben aber vor allem Fragen.

Der Sport legt einen Neustart hin – mit stotterndem Motor. Zwar wird in einigen Städten – wie etwa in Bottrop – seit Donnerstag wieder Tennis gespielt, viele andere Fragen bleiben aber noch unbeantwortet und stellt die Kommunen vor eine organisatorische Herkules-Aufgabe. Denn, anders als es zu erwarten war, ist nicht nur Sport unter freiem Himmel wieder erlaubt, sondern auch die Sporthallen dürfen wieder benutzt werden.

Sogar von Wettbewerbssport ist die Rede. „Sportliche Wettbewerbe im Kinder-, Jugend- und Amateurbereich sind dann ebenfalls zulässig“, verkündete das Land NRW am Mittwochabend und bezog sich damit auf den 30. Mai als Stichtag. Keine 24 Stunden später relativierte Staatssekretärin Andrea Milz (CDU) diese Aussage.

Infektionszahlen werden beobachtet

„Dabei handelt es sich um eine Richtgröße. Klammern Sie sich bitte nicht daran. Wir müssen zunächst die Coronaschutzverordnung neu machen, dann muss das Infektionsgeschehen neu betrachtet werden“, sagt Milz und betont: „Wenn wir dann mehr machen können, tun wir das sehr gerne.“ Alles sei abhängig von den Infektionszahlen. Darauf wollen sich die hiesigen Verbände nicht verlassen.

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So betonte Manfred Schnieders, Vizepräsident Amateurfußball des Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen (FLVW) schon vor dem Statement von Milz: „Ganz vorsichtig. Wir rudern jetzt ganz bestimmt nicht komplett zurück.“ Erst am Mittwoch hatte der Verband erklärt, die Saison abbrechen zu wollen und mit großem Aufwand Aufstiegsregelungen erarbeitet. Auch Ernst Wittgens vom Handballverband Niederrhein stellt klar: „Wir werden die Saison auf keinen Fall wieder aufmachen. Das ist erledigt.“

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Jugendhandballer könnten Meisterschaftsspiele austragen

Allerdings lässt Wittgens eine Hintertür für den Jugendsport offen. „Es könnte den Jugendspielbetrieb betreffen, weil zum Beispiel Relegationsspiele möglich wären, wie die Qualifikation zu höheren Ligen bis hin zur Jugend-Bundesliga. Aber nach Stand der Dinge ist es zu früh.“

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Abwarten – so lautet auch das Credo von Frank-Michael Rall vom Landessportbund NRW. „Die Verbände werden gemeinsam mit den Vereinen nun prüfen, ob sie den Spielbetrieb wieder aufnehmen, oder ob sie sich in Ruhe auf einen regulären Saisonstart zum gewohnten Zeitpunkt vorbereiten“, sagt er.

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Fußballverband Niederrhein rechnet mit Saisonabbruch

Dabei spricht gegen eine Wiederaufnahme der Meisterschaften nicht nur das Gesundheitsrisiko für die Sportlerinnen und Sportler, sondern auch die Unklarheit in Sachen Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen sowie die Gefahr einer erneuten Saisonunterbrechung im Falle einer erneuten Infektionswelle. Auch im Fußballverband Niederrhein sorgt die Entscheidung eher für Verwirrung.

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Zwar hat der Verband die Saison noch nicht abgebrochen, die Befragung aller Vereine endete Donnerstagabend. Anschließend sollte eine Entscheidung fallen. Er persönlich könne „heute Nacht besser schlafen als letzte“, meint FVN-Sprecher Henrik Lerch, tritt aber auch auf die Bremse: „Wir sehen es nicht, dass am 30. Mai Wettbewerbsspiele stattfinden können. Das ist viel zu früh. In den Konferenzen geht die Tendenz der Vertreter der Mannschaften und Vereinen zum Abbruch, zumal wir immer gesagt haben, es gibt eine Vorlaufzeit von 14 Tagen. Erfreulich finden wir aber, dass die Vereine kontaktlos wieder trainieren können auf den Sportanlagen. Das ist ein erster guter Schritt.“

Tennisspieler sind zurück – Medenspiele könnten im Juni starten

Klarer sehen dagegen die Tennisspieler. Die ersten Ballwechsel wurden am Donnerstag gespielt, die lange Sehnsucht nach der Rückkehr auf die rote Asche ist endlich gestillt. Der verspätete Meisterschaftsstart ist für Anfang Juni geplant.

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„Aktuell ist unser Plan, an dem Termin festzuhalten. Alternativ hätten wir auch noch die Möglichkeit, die Medenspiele im Spätsommer auszutragen“, sagt Sabine Schmitz, Vizepräsidentin im Tennisverband Niederrhein. Dadurch, dass Andrea Milz am Donnerstag auch das Spielen von Doppeln zumindest im Training erlaubte, sind die Chancen auf eine Medensaison gestiegen.

Kommunen werden kalt erwischt

Viel größere Sorgen haben dagegen die Kommunen, die sich plötzlich – und unerwartet – der Situation gegenüber sehen, dass die Sporthallen bereits am kommenden Montag wieder öffnen dürfen. „Wir sind da vor eine Entscheidung gestellt worden, die so, wie Düsseldorf sich das vorstellt, nicht umsetzbar ist“, sagt Jürgen Heidtmann, Leiter des Bottroper Sport- und Bäderbetriebs. Er betont: „Manche Dinge brauchen eine Vorlaufzeit.“

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Beispielsweise müsse noch geklärt werden, wer die Zwischenreinigung der Hallen übernimmt, die durch die Hygieneregeln notwendig wird. „Übernimmt das die Stadt, oder ist das die Aufgabe der Vereine? Das lässt sich nicht von heute auf morgen realisieren“, sagt Heidtmann. Dass ab Ende Mai wieder mit Körperkontakt trainiert werden darf, sorgt bei ihm für Unverständnis: „Was bringen uns die allgemeinen Abstandsregelungen, wenn wir dann Kontaktsport zulassen?“ Sollte auf diese Art und Weise ein Infektionsherd entstehen, läge die Verantwortung im Zweifel noch bei den Kommunen.

Landessportbund bittet um Geduld

Der LSB mahnt die Vereine auch mit Blick auf die Kollegen in den Kommunen, Geduld zu haben und umsichtig zu bleiben. „Es wirkt so, als würde man besonders viel lockern. Aber es steckt ein klarer Stufenplan dahinter. Auch die Hallensportler werden darauf achten müssen, dass noch kein klassischer Hallensport möglich ist“, sagt Frank-Michael Rall.

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Die Landesregierung nimmt die Hürden, die die Kommunen derzeit zu bewältigen haben, derweil offenbar auch deshalb in Kauf, um allen Sportlern die Rückkehr in den Trainingsbetrieb zu ermöglichen. „Wir waren bemüht darum, keine Sportart zu bevorzugen“, sagt Andrea Milz. Das kam beim Landessportbund gut an. „Es ist paritätisch gelungen, dass alle Sportarten wieder ran dürfen. Jede Sportart hat dabei ihren eigenen Charakter und wird mit den Freiheiten schneller oder langsamer umgehen können“, sagt Frank-Michael Rall.

Andrea Milz bedankt sich für die Solidarität

So sieht es zumindest auf dem Papier aus. In der Praxis wird es aber nicht möglich sein, alle Sportler gleichzeitig an die Startlinie zu bekommen. „Es ist unrealistisch, dass wir innerhalb von 24 Stunden alle Gelsenkirchener Anlagen wieder öffnen können“, sagt Marco Baron von Gelsensport in Gelsenkirchen.

Andrea Milz bedankte sich in ihrer Stellungnahme auch für die Solidarität unter Sportlern. Die wird jetzt erneut auf die Probe gestellt – bei all den Lockerungen: Echte Klarheit gibt es noch nicht.