Ruhrgebiet. Der Fahrplan zum Abbruch steht, Fragen bleiben: Wie lang müssen Westfalens Fußballer warten? Gibt es noch Alternativen? Steigen mehr Teams auf?
Ein ruhiges Wochenende sieht anders aus: Videokonferenzen im 90-Minuten-Takt standen auch Samstag auf dem Programm beim Fußball- und Leichtathletikverband Westfalen. Fast rund um die Uhr dreht sich beim Verband alles um die Frage, wie es mit der aufgrund der Coronavirus-Pandemie unterbrochenen Saison soll, wie es weitergehen kann.
Samstag konferierten die Verantwortlichen dazu mit Landesligisten und Frauen-Westfalenligisten, möglichst viele Stimmen sollen gehört werden, der Verband nimmt die Vereine mit.
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Deren Votum ist eindeutig: Saisonabbruch. Darauf wird es wohl hinauslaufen – drei große Fragen bleiben aber.
Wie lange dauert es bis die endgültige Entscheidung fällt? Welche Rolle spielt das Votum der Vereine bei dieser Entscheidung? Und wenn die Saison abgebrochen wird – wie wird sie dann gewertet?
1. Warum dauert es so lange bis zur Entscheidung?
Bis zur endgültigen Entscheidung dauert es wohl noch mehrere Wochen – aus verschiedenen Gründen. Lange war nicht abzusehen, ob ein sportliches Saisonfinale in diesem Sommer nicht doch noch möglich wäre. Dieses Bild ist inzwischen klarer.
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Kontaktbeschränkungen werden wohl noch länger zum Alltag gehören. Eine schnelle Rückkehr zum Fußball-Spielbetrieb kommt in den kommenden Monaten wohl kaum infrage. Auf der anderen Seite gibt es auch rechtliche Fragen, unter welchen Umständen der Verband eine Saison überhaupt abbrechen kann.
Noch bis Mittwoch hat der Verband weitere Video-Besprechungen angesetzt, am Donnerstag (30. April) will die Politik über weitere Beschränkungen und mögliche Lockerungen informieren. Anfang Mai will der Verbands-Fußballausschuss eine Empfehlung abgeben, über die ein außerordentlicher Verbandstag entscheidet.
„Dieser wird aufgrund von Fristen erst im Juni stattfinden können“, erklärt FLVW-Präsident Gundolf Walaschewski. „Wir haben uns dazu entschieden, den Weg zusammen mit unseren Vereinen zu gehen. Diese Beteiligung braucht Zeit. Dafür werden wir ein Ergebnis haben, das so gerecht wie möglich ist und die Mehrheit unserer Klubs mittragen kann.“
2. Ist eine andere Lösung als ein Saisonabbruch denkbar?
Rein theoretisch: Sicher. Der Bayerische Verband beispielsweise will die Saison von der Oberliga abwärts, wenn möglich, im September zu Ende spielen. Auch am Mittelrhein geht die Tendenz in diese Richtung. Aber in Westfalen? Da ist das praktisch undenkbar.
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In der vom FLVW gestarteten Vereinsumfrage sprachen sich fast 90 Prozent der Klubs für einen Abbruch der Saison aus, in den Videokonferenzen bestätigt sich dieses Stimmungsbild. Auch die Fußballkreise sprechen sich einstimmig dafür aus.
„Mit dem Abbruch kommen wir dem Wunsch unserer Vereine nach, die das sowohl in der Umfrage des FLVW als auch in der Videokonferenz im Kreis deutlich gemacht haben“, so Christian Fischer, Vorsitzender im Kreis Gelsenkirchen: „Über 88 Prozent unserer Vereine sind für einen Saisonabbruch. Das ist eine eindeutige Aussage.“
Bei der Suche nach einer Lösung auf die Vereine zuzugehen, war der richtige Schritt nach vorne vom Verband. Deren Votum ist natürlich nicht bindend – aber es ist ein klarer Auftrag an die gewählten Verantwortlichen. Dass die Verbandsführung gegen den Willen von 90 Prozent der Vereine entscheidet, ist unvorstellbar und würde wohl auch kaum akzeptiert.
Manfred Schnieders, Vizepräsident Amateurfußball im FLVW, sagt der WAZ dazu: „Ich kann mir aktuell nicht vorstellen, dass wir gegen den Willen der Vereine entscheiden. Aber wir haben auch noch Rechtsgutachten laufen, in welchem Rahmen so eine Entscheidung fallen kann. Das ist sicher ein Knackpunkt.“
3. Wie wird eine abgebrochene Saison gewertet?
Dass es im Fall des Saisonabbruchs wohl keine Absteiger geben wird, hat der Verband schon klar gemacht. Bleibt nur noch die Frage nach der Aufstiegsregelung – die betrifft zwar nur einen kleinen Teil der Vereine, ist aber kompliziert zu lösen.
Unterm Strich: Mehr als die Hälfte der Vereine will einen Saisonabbruch mit Aufsteigern. Aber wie fällt diese schwierige Entscheidung am Ende? Manfred Schnieders erklärt: „Wir hören alle Vereine an, fassen die wichtigsten Argumente zusammen. Wir haben uns auch schon alle Szenarien und alle Tabellen angeguckt und geschaut: Wo liegen die Unterschiede?“
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Möglichst viele Vereine sollen am Ende zustimmen. Das wird natürlich umso wahrscheinlicher, je mehr Vereine ihre Ziele erreichen – kommt in dieser Hinsicht für den Verband ein vermehrter Aufstieg infrage, wie im Handball? Dürfen Zweit- und Drittplatzierte hoffen, die noch mitten im Aufstiegskampf stecken?
Der DSC Wanne-Eickel zum Beispiel könnte in der Westfalenliga 2 profitieren, die SG Welper aus Hattingen oder Schwarz-Weiß Wattenscheid in der Bezirksliga 10. Schnieders sagt: „Nach aktuellem Stand würde die Zahl der Aufsteiger nicht ändern. Trotzdem werden wir uns jede einzelne Liga angucken.“
Versprechen will er dazu ganz sicher nichts, klar ist nämlich auch: Eine einheitliche Regelung muss für alle Ligen her, um sich rechtlich nicht angreifbar zu machen. Gegen großzügige Aufstiegsrechte sprechen Konstellationen wie zum Beispiel in der Westfalenliga 1, wo Platz 1 und 7 nur durch drei Punkte getrennt werden. Noch schwieriger wird die Rechnung durch zahlreiche ausstehende Nachholspiele: Eine Regelung nach dem Punkte-Quotienten „ziehen wir in Betracht“, sagt Schnieders auf Nachfrage.
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Umgangen würde dieses Problem bei Wertung der Hinrundentabelle. Zwischen Bezirks- und Oberligen fehlen in ganz Westfalen nur noch zwei Hinrundenspiele – ausgerechnet eines davon ist aber in der höchsten Spielklasse aufstiegsrelevant.
Rot-Weiss Ahlen liegt auf Platz drei der Oberliga-Hinrundentabelle, hat aber ein Spiel und zwei Punkte weniger als der Zweite Meinerzhagen. Auch wenn das Ziel Saisonabbruch klar ist und der Fahrplan dorthin feststeht: Ein Selbstläufer ist es noch lange nicht.
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